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Kolumne Wir retten die WeltDie Grünen braucht niemand mehr

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Energiewende, Artenschutz, Verkehr? Bei allem hat sich die Besserwisser-Partei von Sozialliberalkonservativen überholen lassen.

Die große Freiheit auf der Autobahn Foto: dpa

M ontagmorgen beim Frühstück. Ich schlage die taz auf. Und bin entsetzt. Da steht: Bündnis90/Die Grünen, meine bis dato besten Verbündeten beim Weltretten, wollen es jetzt mit jedem machen. „Die Grünen sind zu allem bereit“, heißt es, wenn es denn zu einem Regierungsamt führe. Sie wollten „direkt in die Mitte, und das bei maximaler machtpolitischer Geschmeidigkeit“.

Ich bin erschüttert. Das hätte ich von denen nicht erwartet! Unfassbar, wie diese Partei der Besserwisser und Besserverdiener ihre Ideale für die Macht verrät. Das wäre ja so, als ob die Union Kindergärten subventionierte, aus der Atomkraft ausstiege oder die Wehrpflicht abschaffe. Irre!

Als würde die SPD den Sozialstaat abbauen und die Unternehmen mit Steuergeschenken umschmeicheln. Undenkbar! Als schränke die FDP mit einem „großen Lauschangriff“ die Bürgerrechte ein oder als regiere die Linke mit einem Krypto-Sozialdemokraten heimlich ein Bundesland. Absurd!

Haben wir sie dafür gewählt?

„Also, meine Stimme kriegen die nicht mehr!“, sagt kategorisch mein Freund R. „Die haben ja in letzter Zeit nichts bewegt!“ Und ihre Konzepte findet er völlig realitätsfern. Ich stimme zu: Denn welche Gesetze haben die Ökospinner im Bundestag in den letzten vier Jahren schon durchgesetzt? Gar keine! Haben wir sie dafür gewählt?

Kein Wunder, dass ihre Umfragen im freien Fall sind und sie bibbern, ob sie überhaupt noch in die Parlamente einziehen. Und auch aus den elf Bundesländern, in denen sie bei maximaler machtpolitischer Geschmeidigkeit mitregieren, hört man nichts Gutes: Die Wirtschaft wächst, der Energieverbrauch schrumpft, überall drohen Windräder und Solarparks. Grüne MinisterInnen verantworten miese kleine Kompromisse, neue Nationalparks, manchmal sogar Vollbeschäftigung.

Nein, zur Rettung der Welt braucht die Grünen wirklich keiner mehr. Die Energiewende ist bei der SPD besser aufgehoben – die Genossen haben einfach den besseren Draht zu den Gewerkschaften, um Jobs zu sichern. Wirtschafts- und Industriepolitik sind bei der Union traditionell in guten Händen. Nur sie konnten die deutsche Autoindustrie so zukunftssicher aufstellen, dass diese nun sorgenfrei in die Zukunft blickt – so wie CDU/SPD schon jahrzehntelang die großen Energieversorger auf Erfolgskurs gebracht haben.

Auch von der Landwirtschaft sollten die Müslis mal besser die Finger lassen. Die CSU macht die deutschen Kühe und die deutschen Bauern schon glücklich genug und reduziert die unerträgliche Unübersichtlichkeit, die nur Ideologen „Artenvielfalt“ nennen.

Wer rettet denn Budget und Stabilität?

Nur die ganz große Koalition sorgt dafür, dass Deutschland durch genügend neue Straßen erschlossen wird, auf denen wir unsere Freiheit erfahren. In der Finanzpolitik verhindert sie, dass das Budget durch den Abbau von ökofeindlichen Subventionen in Schieflage gerät. Und bei der Entwicklungshilfe achten die Verantwortlichen sorgsam darauf, arme Staaten nicht durch zu viel Geld auf einmal zu destabilisieren.

Die grünen Konzepte sind viel zu radikal: Nur die Sozialliberalkonservativen haben begriffen, dass mitten im Begriff Nachhaltigkeit HALT steht. Auch die Rettung der privaten Krankenversicherung geht nur gegen die Grünen, genau so wie das Ehegattensplitting oder der Bestand der exklusiven Hetero-Ehe. Wer den Terror nicht durch Datenschutz groß machen will, wer Flüchtlinge nicht wehrlos den Gutmenschen ausliefern will, und wer überhaupt unseren Wohlstand mit ruhigem Gewissen genießen will, der braucht Özdemir und Konsorten nicht.

Die Welt verändert sich schon genug. Vor genau 31 Jahren flog in der Ukraine das AKW Tschernobyl in die Luft. Nicht mal das haben die Grünen verhindert.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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27 Kommentare

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  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Klar, der Pseudo-Wohlstand rechtfertigt alles, auch Grüne, die nicht grün sind. Seit dem Rauswurf der grünen Grünen - man nannte sie spöttisch "Fundis" - sind die oliv-grünen kapitalistischer als die alte Bonner SPD.

     

    Statt "Atomkraft - Nein danke" gabs einen Pseudo-Ausstieg, der eine Laufzeitverlängerung bedeutet.

     

    Statt "Frieden schaffen ohne Waffen" gabs den Kosovo-Krieg und viele andere Kriege dazu.

     

    Statt "Flächendeckend Tempo 30 in den Städten" gabs weiter 12 Verkehrstote am Tag, SUV mit 135PS und Radfahren verboten.

     

    Wer wollte das so? Bestimmt nicht die Grünen, die die Partei 1979 gegründet haben...

     

    Und Tschüß!

    • @7964 (Profil gelöscht):

      ja, ja, stimmt diese ständigen Kriegstreibereien hat Herr Pötter noch vergessen, zuerst im Kosovo, dann in Syrien und in der Ukraine gegen den Hüter der wahren Linken Werte Wladimir Putin...

  • Die Grünen braucht niemand mehr,

    aber das Grüne brauchen alle mehr denn je.

  • Cem Özdemir, Kanzlerkandidat aus dem Wahlbezirk Stuttgart Sindelfingen, Firmensitz von Porsche und Daimler.

  • Mal abgesehen von den "Inhalten und Programm etc....

    Mit einem kariere-geilen "Mister Supergeschmeidig"... mit möchtegern Schwiegersohn Gehabe und einer "selig-heiligen Kirchenmutter", die mit einem Gehabe daherkommen, als wären Sie Moderatoren einer Kaffeefahrt für demenzkranke Rentner.... da kann man kein Blumentopp gewinnen... geschweige denn Wähler...

    ich, zumindest, fühle mich von diesem "Gespann", nicht ernst genommen und als Stamm-Grünen-Wähler, leicht verars.....

  • Realität überholt Satire...

     

    Die Grünen werden nicht mehr gebraucht!

    Das ist keine Satire,

    das ist die politische Wirklichkeit! Wer sich zu sehr anpasst, der macht sich letztlich überflüssig. Und unglaubwürdi9g dazu.

    Das nennt man Dialektik.

    ...

  • Die Grünen sind nicht perfekt, aber es ist schon irgendwie witzig immer wieder von Links angefeindet zu werden, wir haben eine Linke Partei, wie soll ein RotRotGrünes Bündnis denn möglich sein, wenn alle sich auf die selben 25% Wähler, die sich tatsächlich selber als Links bezeichnen stürzen. Nur mal so als Gedanke. Ich will damit keineswegs unterstützen was meine Partei die Grünen für eine Scheiße im Bundesrat abgezogen haben und ich will wahrlich keiner neoliberalen Ökopartei angehören.

  • 1G
    1326 (Profil gelöscht)

    Wenn die Grünen nicht mehr in den Bundestag kommen, sieht es auch fuer deren Hauspostille Taz mau aus, was ich wiederum schlecht fände.

     

    Wenn es nicht gerade um Politik geht, ist die Taz super, nimmt Themen auf, die für andere Zeitungen nicht lohnend zu sein scheinen.

  • Ja, mich nerven die ganzen Martensteins auch endlos, insbesondere das Anrennen gegen die angebliche Verbotspartei. Ändert aber nix daran, dass die ganzen Atlantiker und Wirtschaftsumfaller wie die momentanen Spitzenkandidaten und innen für mich absolut unwählbar sind. Das Thema Grüne und TTIP / CETA ist noch nicht durch, ich warte täglich auf die Kehrtwende. Ein aufrechter Giegold wird leider nicht die Partei retten. Schön wärs.

  • Über die Überschrift habe ich mich richtig gefreut.

  • Köstlich. Ein Tritt in den Allerwertesten jener, die penetrant behaupten, das die Forderungen der Grünen im politischen Mainstream angekommen seien.

    • @Rudolf Fissner:

      Angepasst...

       

      Na, wenn die Grünen nicht schon lange im Mainstream angekommen sind, wer denn dann? ... Bitte machen Sie einfach die Augen auf.

  • Wundervoll!

    Genau auf den Punkt gebracht!

  • Die Grünen haben - auch ohne dass sie in der Regierung sind - viel bewegt:

     

    -Merkels 2015er Flüchtlingspolitik

    -Islam-Toleranz-Debatten

    -Gender-Debatten

    -Inklusion in der Schulpolitik

    -Missionsarbeit in Afghanistan

    -Datenschutz

     

    Alles gut gemeint, in Maßen sogar machbar. aber es reicht dann auch.

    • @A. Müllermilch:

      Vor allem haben die Grünen auch Hartz IV mitbewegt!

      ...

  • Ach ja die GRÜNEN. Sie sammeln mit wohlklingenden Äußerungen die Stimmen von am Gemeinwohl orientierten Wähler*Innen und machen dann damit möglichst heimlich neoliberale Politik. Beispiele gefällig? Sie erklären wie untragbar Fracking ist und bekämpfen es dort, wo sie in Opposition sind. In Regierungsverantwortung im Bundesrat und in Niedersachsen ermöglichen sie es. CETA verurteilen sie entschieden und könnten es z.B. im Bundesrat verhindern. Ein Wahlversprechen,dass sie sich an keiner Koalition beteiligen, die CETA durchwinkt ist von ihnen nicht zu bekommen.

    Ach, die Grünen, wie gerne würde ich sie wieder wählen, wenn das Gemeinwohl bei ihnen noch über den Industrieinteressen stünde.

    • @Hoffender:

      Ein wuderbarer Beweis dafür, wie wichtig und richtig diese Glosse hier ist:

      Natürlich haben die Grünen in NRW als Regierungspartei das Frackingverbot über ein Moratorium und den Landesentwicklungsplan durchgesetzt.

       

      Gegen ein generelles Verbot für Gasbohren hat sich die Kraft-SPD erfolgreich gewehrt. Mehr war für die Grünen nicht drin.

       

      Wer also jetzt die Grünen aus der Regierung in NRW rauswählt, will Gasbohren in seinem Garten sehen - und wird es auch bekommen!

    • @Hoffender:

      Das Parteiensystem in der BRD ist kein Präsidialsystem wie in der USA oder der Türkei, wo man mal eben eine Mauer zum Nachbarstaat bauen kann um damit seine eigenen "Gemeinwohl-First"-Vorstellungen durchzusetzen.

       

      Koalitionen und Kompromisse eingehen zu können ist ein Muss in unserem System.

  • Das ist noch geiler als 3:2 in Münschen gewinnen!!!

     

    Liebe TAZ, mit diesem Statement trefft ihr nicht nur den Nagel auf den Kopf - Ihr schlachtet auch das Öko-Bullshit-Bingo der liberalen Unions-Sozen:

     

    "Die grünen Konzepte sind viel zu radikal: Nur die Sozialliberalkonservativen haben begriffen, dass mitten im Begriff Nachhaltigkeit HALT steht."

     

    (Schreibe dies auf den Knien - huldigend)

  • Eine super Glosse wie sie nur die TAZ schreiben kann.

    DANKE!

     

    Allein schon diese Textstelle - besser kann man die planbefreiten und polit-Ahnungslosen WahlbürgerInnen nicht beschreiben - ich rolle auf dem Teppich - großes Tennis:

    ----------------------------------

    „Also, meine Stimme kriegen die nicht mehr!“, sagt kategorisch mein Freund R. „Die haben ja in letzter Zeit nichts bewegt!“ Und ihre Konzepte findet er völlig realitätsfern. Ich stimme zu: Denn welche Gesetze haben die Ökospinner im Bundestag in den letzten vier Jahren schon durchgesetzt? Gar keine! Haben wir sie dafür gewählt?

  • Hm. Offenbar geht’s hier um eine grüne Partei die mal war. Und nicht die grüne Partei, die sie gerade ist.

     

    Wenn ich mir das Abstimmungsverhalten einiger aktueller Spitzengrüner und insbesondere des Spitzenduos bei einzelnen mir wichtigen Themen angesehen habe, dann stimmten die zu oft diametral entgegen zu dem, was ich unter der grünen Flagge so erwarten würde. Auch dieses krampfhafte Abgegrenze nach links in Erwartung potentieller Regierungsbeteiligung wirkt auf mich mittlerweile nur noch abstoßend.

     

    Und schon in der Opposition alles potentiell Kontroverse über Bord und sich der CDU an die Brust zu werfen, anstatt größere Ziele zu verfolgen und für diese zu werben – das ist nicht das, wofür Grün einmal stand, denke ich. Die im Text erwähnte eingetragene Partnerschaft z.B. war gegen große Widerstände durchzusetzen. Ich habe nicht das Vertrauen darin, dass die Grünen sich in ihrer jetzigen Verfassung solchen Widerständen stellen würden. Wie oft ich in letzter Zeit lesen musste, dass wieder irgendeinem Gesetz „mit Bauchschmerzen“ zugestimmt wurde. Eure Bauchschmerzen sind mir da egal! Wichtig ist was hinten rauskommt!

     

    Falls die Grünen wieder zu weniger Kirchentag, Marktgläubigkeit und unterwürfig anbiedernder „Realpolitik“ finden, dann werden sie für mich auch wieder wählbar. Ansonsten entscheide ich mich lieber dafür, mit meiner Stimme linke Opposition zu stärken. Ohne Bauchschmerzen.

    • @Helmut Fuchs:

      Ich kann ihrem Standpunkt, dass man mit er CDU eigene Positionen nicht umsetzen darf nichts abgewinnen. Rechthaberei nützt nur dem eigenen EGO und anderen mit der CDU koalierenden Parteien.

      • @Rudolf Fissner:

        Da lesen Sie mich aber was in meine Worte hinein. Wo schrieb ich, dass man mit der CDU keine eigenen Positionen umsetzen dürfe?

         

        Ich meinte geschrieben zu haben, dass "man" Positionen ohne Not schon vorauseilend regierungskompatibel glatt geschliffen hat, dass "man" aus meiner Wahrnehmung heraus keine Positionen mehr besetzt, die nicht unmittelbar mehrheitsfähig sind und dass prominente Grüne schon jetzt in der Opposition oft stimmen, wie ich mir das für meine Vertreter politischen Vertreter im Bundestag eben nicht wünsche.

        • @Helmut Fuchs:

          Sorry, aber mit Veggy-Day Fundamentalismus ist heutzutage keine Politik mehr zu machen. Und wie weit man Kapitalismus-Abschaffen-Opposition kommt, das zeigt das Beispiel der DIE LINKE. Entweder verharren priesterlich seit bald 25 in der wahren Glaubensopposition oder unterbieten wie im Thüringischen noch die SPD in der Anbiederung an die Neolieberalen.

          Da machen die Grünen immer noch die konsequentere und klügere Politik.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Kann es denn für eine Partei überhaupt Schöneres geben als nicht mehr benötigt zu werden?

    Vor allem für die Grünen?

    Der Wunschtraum...

    • @571 (Profil gelöscht):

      Reingefallen - ist Satire!

      Wer lesen kann, ist klar im Vorteil:

       

      "Die Welt verändert sich schon genug. Vor genau 31 Jahren flog in der Ukraine das AKW Tschernobyl in die Luft. Nicht mal das haben die Grünen verhindert."

       

      Ich liebe diesen Satz

       

      Ach ja - #FreeDeniz

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @JBS_6623:

        Ach sooo?

        Muss man bei mir Trottel dazuschreiben, Schlaumeier!

         

        (Übrigens, falls das unbemerkt blieb: Mein Kommentar war auch S A T I R E)

         

        #free Deniz