Kolumne Pressschlag: Fatales Missverständnis
Mit der Ausbootung von Leroy Sané aus dem WM-Kader macht sich Joachim Löw angreifbar. Er ist nie ein großer Förderer des 22-Jährigen gewesen.
Joachim Löw gedachte am Montagmittag auch der Angehörigen, auf die in den nächsten Tagen viel zukommen wird. Und damit war die Beerdigungsatmosphäre in Eppan perfekt. Ja, so ein öffentliches Ausschlussverfahren bei der Ermittlung des endgültigen WM-Kaders gleicht ein wenig einem Staatstrauerakt. Mit einer gewissen Betroffenheit verkündete der Bundestrainer die Namen der Betroffenen Bernd Leno, Jonathan Tah, Nils Petersen. Die drei werden sich aber gewiss rasch wieder dem Leben zuwenden. Sie zählten schon vorab zu den heißen Streichkandidaten.
Überraschend ist hingegen die Ausbootung von Leroy Sané. Dem 22-Jährigen wurde zuletzt von allen Seiten bescheinigt, mit dem Premier-League-Meister Manchester City eine vortreffliche Saison gespielt zu haben. Mit seiner Schnelligkeit, Ballsicherheit und überraschenden Laufwegen auf der linken Seite hatte er einen großen Anteil am Erfolg und der Dominanz des Guardiola-Teams in der Liga.
Seine Bilanz liest sich auch in Zahlen gut: Zehn Tore und 15 Vorlagen. Und deshalb waren sich die Experten recht sicher, dass Löw auf derartige Qualitäten bei der Weltmeisterschaft in Russland kaum verzichten kann. Zumal das deutsche Team nicht gerade im Übermaß mit sprintstarken Spielern gesegnet ist, die einen Sinn fürs Anarchische und Überraschende haben.
Allerdings muss man einräumen, dass die Qualitäten von Sané in der deutschen Nationalelf noch nie zum Tragen kamen. Einen letzten Beweis lieferte da der Freundschaftskick gegen Österreich. Das Spiel von Sané passt nicht zum Spiel seiner Kollegen. Man versteht sich gegenseitig nicht. Es ist als würden jeweils andere Sprachen gesprochen werden. Missverständnisse reihen sich so in Vielzahl aneinander. Sané traf auch in Klagenfurt grundsätzlich immer die falsche Entscheidung.
Empfohlener externer Inhalt
Empfohlener externer Inhalt
Löw ist nie ein großer Förderer von Sané gewesen. Schon vor der EM 2016 wurde er von vielen als große Zukunftsverheißung gepriesen, kam jedoch nur für 11 Minuten zum Einsatz. Zwölf Länderspiele hat er insgesamt bestritten, von möglichen 1.080 Minuten lediglich 592 gespielt.
In der Nationalelf ist Sané stets Zukunftsverheißung geblieben. Löw hat sich offenbar nicht mehr allzu viel von ihm versprochen. Sollte die DFB-Elf bei der WM des Öfteren in den gegnerischen Abwehrreihen festsitzen, wird der Name Sané unweigerlich immer wieder auftauchen. Nach Petersen, Tah und Leno wird gewiss keiner rufen. Mit der Nichtnominierung von Sané macht sich Löw angreifbar. Das kann man zumindest mutig nennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen