Kolumne Press-Schlag: Weg mit dem Kreuz!

Real Madrid verzichtet im Teamlogo auf ein christliches Symbol. Das ist zu begrüßen, denn mancherorts steht es vor allem für eins: Unterdrückung.

Das Logo von Real Madrid im Zoom mit Krone und daraufplatziertem Kreuz über den Vereinsinitialien

Selbst in der Vergrößerung kaum zu erkennen: das Kreuz auf der Krone Foto: dpa

Aus Rücksicht auf „kulturelle Befindlichkeiten“ wird die Fußballweltmar­ke Real Madrid (Jahresumsatz über 600 Millionen Euro) bei ihrer Vermarktung im arabischen Raum künftig ein Vereinslogo ohne das sonst sichtbare Christenkreuz auf der königlichen Krone verwenden.

Das sorgt für Empörung, erscheint es doch als Beleg für Islamisierung, für Einknicken des Westens und ganz allgemein für den Untergang des Abendlandes. Schaut man sich die aktuellen Stimmungen in westlichen Gesellschaften an, dürfte diese Empörung verständlich sein. Zu begrüßen ist sie nicht.

In Wirklichkeit gibt es allen Grund, Real Madrid und seinem arabischen Vermarkter Marka dankbar zu sein. Sie erinnern uns nämlich an allerlei Selbstverständlichkeiten, die in der aktuellen Kulturkampfmentalität in Vergessenheit zu geraten drohen.

Zunächst mal erinnert die Maßnahme daran, dass Vereinslogos, auch wenn religiö­se und monarchische Symbole darin auftauchen, sehr irdischen Ursprungs sind: Erst 1920 wanzte sich Spa­niens König Alfons XIII. an den erfolgreichen Verein ran, um ihm den Beinamen „Real“ zu verleihen und dem Logo ein Krönchen mit Kreuzchen zu verpassen. 1931 aber siegte in Spanien die Republik, der König ging ins Exil, Real Madrid kickte ohne Krone und Kreuz, denn monarchische Symbole waren verboten. Ab 1941 kam Königshaus und christliches Kreuz zurück, 2001 wurde das Logo mit diesen Insignien noch mal verändert. Wen juckt es da, wenn auf Tassen, T-Shirts und Ronaldo-Trikots, die in arabischen Emiraten verkauft werden, kein Kreuz ist?

Kreuzzüge und „conquistadores espirituales“

Der für so viel Empörung sorgende Deal des spanischen Fußballkonzerns verweist aber noch auf etwas Weiteres, an das man sich im globalen Markt durchaus mal erinnern sollte: Im größten Teil der Welt gilt das Kreuz nicht als harmlose Verwendung zweier Striche oder Balken, das Kreuzzeichen vieler Fußballprofis bei Einwechslung oder Torerfolg nicht als private Marotte. Es erinnert vielmehr an Kreuzzüge und die „conquistadores espirituales“, die ganze Kontinente unterjochten.

Gerade das spanische Königshaus, mit dem der aktuelle Champions-League-Sieger ja eng verbandelt ist, verdankt seine Macht der Vertreibung der Mauren. Vielen Muslimen und Juden gilt das Kreuz daher als Unterdrückungssymbol – ein Begriff, der hierzulande eher für das Kopftuch von Musliminnen verwendet wird, die es nach einem verbreiteten Willen abnehmen müssen. Aber das Kreuz im Merchandising-Shop von Doha soll bleiben?

Die vorläufig nur auf den arabischen Raum bezogene Entscheidung Reals, das Kreuz abzunehmen – während die Krone, die ja auch spanischen Machtanspruch symbolisiert, bleiben darf –, erinnert uns aber noch an einen weiteren Aspekt, nämlich das, was Marxisten die „zivilisatorischen Effekte des Weltmarkts“ nennen: Wer Geld verdienen will, gibt reli­giöse, kulturelle und andere nicht allzu irdische Beschränkungen lieber auf, als Umsatzeinbußen zu erzielen.

Fassen wir das Lehrstück, das wir Reals Kreuzdemontage verdanken, kurz zusammen: Symbole wie das Kreuz sind irdischen Ursprungs, noch nicht allzu lange auf der Welt, repräsentieren den Willen zur Herrschaft, und nicht alle Leute mögen sie.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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