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Kolumne MachtWeg mit dem Staat, weg, weg, weg

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Die Deutsche Fußball Liga muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen, wenn Fan-Krawalle drohen. Richtig so! Richtig so?

Am Rande des Fußballbundesligaspiels Werder Bremen gegen den HSV: Ein massives Polizeiaufgebot – wer zahlt dafür? Foto: dpa

E s gibt wenig auf der Welt, was mich so sehr langweilt wie ein Fußballspiel, und noch weniger, was mich derart nervt wie grölende Fans. Wenn die nur mit einem Massenaufgebot an Polizisten unter Kontrolle zu bringen sind, dann sollen sie für diesen Einsatz auch zahlen. Oder irgendjemand sonst, jedenfalls nicht ich mit meinen Steuergeldern. Stimmt’s? Nein. Stimmt nicht.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen, dem zufolge sich die Deutsche Fußball Liga bei Hochrisikospielen – was für ein Wort! – an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen muss, hat bei mir spontan Schadenfreude ausgelöst.

Es trifft die Richtigen. Meiner Meinung nach. Das Problem ist nur: Andere wären vermutlich begeistert und fänden, es träfe die Richtigen, wenn die Veranstalter von Demonstrationen zur Kasse gebeten würden. Sobald die Gefahr besteht, dass jemand im Rahmen der Kundgebung randaliert, also fast immer.

Oder soll künftig abgewogen werden, ob es sich um eine „Hochrisikodemonstration“ handelt? Tolle Idee. Und das Ende der Versammlungsfreiheit.

In Bremen ging es um kommerzielle Veranstalter, schon klar. Nicht um politische Meinungsäußerungen. Aber das ist eine Feinheit, von der ich nicht sicher bin, dass sie Bestand hat. Denn das Urteil stößt eine Tür auf, die geschlossen bleiben sollte. Es relativiert hoheitliche Aufgaben.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Die werden derzeit ja häufiger relativiert. Der Richterspruch liegt also im Trend. Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, ausgearbeitet von dem sozialdemokratischen Bundesjustizminister Heiko Maas, verpflichtet Netzwerke wie Facebook oder Twitter, „offenkundig“ strafbare Inhalte zu löschen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Millionenstrafen.

„Offenkundig?“ Die Frage, welche Äußerungen strafbar sind, scheint sich ja erstaunlich leicht beantworten zu lassen. Oder doch nicht? Man weiß es nicht. Maas und eine Mehrheit des Parlaments haben mit dem Gesetz die in demokratischen Staaten eigentlich sehr komplexe Frage der Zensur nämlich einfach mal: ausgelagert.

Nun wird also mit dem Richterspruch von Bremen eine weitere staatliche Aufgabe teilprivatisiert. Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum. Wer – und sei es indirekt – für deren Gefährdung verantwortlich ist, soll zahlen.

Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum ist eine Kernaufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern, genau dafür.

Zur Erinnerung: Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum ist eine Kernaufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern, genau dafür. Übrigens zahlen auch kommerzielle Veranstalter Steuern – ob genug, das ist eine andere Frage. Die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt.

Keine Rolle spielt auch, ob der oder die Einzelne jeweils nutzt oder benötigt, was der Staat bereitzustellen hat: Autobahnen, Kindergärten, Hilfsangebote für Suchtkranke, Gefängnisse, Rüstungsgüter für die Landesverteidigung.

Wer findet, dies oder jenes solle künftig nicht mehr staatliche Aufgabe sein oder ganz abgeschafft werden, muss sich dafür eine Mehrheit suchen. Bislang gibt es keine Massenbewegung, die dafür eintritt, Sicherheit im öffentlichen Raum zu privatisieren.

Vor rund fünf Monaten wurde in Deutschland gewählt, und noch immer konnte keine Regierung gebildet werden. Was unter anderem daran liegt, dass Opposition derzeit reizvoller zu sein scheint als Regieren.

Die Richter in Bremen, Heiko Maas und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ: Sie alle haben sehr unterschiedliche Motive für ihr jeweiliges Handeln. Aber es gibt eine erstaunliche Gemeinsamkeit. Weg, weg, weg von staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung. Das finde ich noch bedrohlicher als Hooligans.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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17 Kommentare

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  • Korrekt.

     

    Dabei ist der Bereich des

    "Outsourcings" - öffentlicher/staatlicher Gewalt - nur zu einem kleinen Teil -

    Durch- oder gar Umschritten.

    ÖPP - (Siggi Plopps Lieblingssteckenpferd) - etc lassen -

    Grüßen & der HH-Senat & Olaf I. (noch)

    "Die erbeten Auskünfte zur Hafenerweiterung können nicht erteilt werden - weil anderefalls dadurch die

    Privat-Konkurrenzschutzibteressen von Hafenbetreibern & der Standortschutz HH-Hafen betroffen wäre!

    &

    Wie grad passend!:)(

    Alles dess wird dann zusätzlich nicht nur der öffentlichen Kontrolle -

    Sondern dem vom Untersuchungsgrundsatz geprägten

    Gerichtlichen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte weitgehend entzogen!

    Zn

    UnFeiner - damals noch erfolgloser Versuch des feist bestechlichen

    Dobrindt-Vorgängers -

    Günther Krause - ja genau der, die Blockflöte die das - Sekräterchen!

    Dat. FDJ-WinkelementMädchen auf's

    CDU-Schild hob! Zu unser aller Freude!

     

    Genau der. Der feine Herr wg Vorteilsnahme/Bestechlichkeit bei der Vergabe von Gelddruckmaschinen vulgo Autobahnraststätten - im Visier!

    Verweigerte bzw sein Ministerium -

    Gegenüber dem VG Köln die - jo jo!

    Die Herausgabe der Akten! Bitte??!!

    "Die Raststätten unterfielem dem Privatrecht!" Däh! Da mähtste nix - wa!

     

    Gut. Das homerische Gelächter hallt noch heute durch die Flure!

    &

    Er ~> Ab! Si'cher dat. Normal. Einst!

     

    Aber das die grobe Richtung! Newahr.

  • Oh, klar, alles ist irgendwie "politisch", so wie die "Love Parade" ™ als politische Demonstration von 1989 bis 2000 geführt wurde.

    Spann wir doch mal den Bogen zur touristischen Highlight der "Großen Stadt", den "Beerbikes". Sind die nicht auch irgendwie "(Stammtisch-)politisch" und daher schützenswert?

    Nee, so weit wollen wir dann doch nicht gehen, nicht jeder Furz ist gleich eine Meinungsäußerung und damit grundgesetzlich geschützt.

  • Mich hat ein Fahrradfahrer im Auto von der Straße geschubst. Bin ich jetzt schuld, weil ich am Verkehrsgeschehen privat teilgenommen habe.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Picard:

      Ja, das Risiko müssen Sie tatsächlich einkalkulieren. Willkommen im Leben. Zahlen müssen Sie aber nicht. Sie verdienen vermutlich auch nicht multimillionen Euro und beschäftigen ausschließlich Multimillionäre.

  • Wieso funktioniert das hier eigentlich nicht so wie in den Niederlande?

     

    Da sagt der Bürgermeister einfach, dass er zu bestimmten Spielen keine auswärtigen Fans haben will und das funzt. Bei Heimspielen von Ajax gegen Feyenoord und umgekehrt sind so lange ich denken kann, keine Auswärtsfans zugelassen. Das kann man hier genauso machen.

    • @Age Krüger:

      Weil nach unserem Rechtsverständnis die Auslegung der Artikel

      Art 2 Abs 1 GG

      Art 8 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 8 Abs 2 GG

      Art. 11 GG

      des Grundgesetzes nicht irgendeiner populistischen, weil mit Volksmehrheit gewählten, Knallcharge aus der Provinz überlassen werden kann.

  • Warum dürfen dann Konzertveranstalter nicht auch auf die steuerfinanzierte Polizei als Sicherheitsdienst zurückgreifen?

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Typisches Verhaltensmuster. Trifft es andere, Schadenfreude. Was? Das könnte auch mich treffen? Dann lieber nicht.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Klassiker -

       

      Fahrerflucht - Jo Jo!

      "Hochschlimmempör Hängen!" etc Delikt!

      &

      Eines mit höchsten Dunkelziffer -

      Aufklärungstiefquote!

       

      Aber hier eher nich so direkt am Start!

      Hm? Eher - "Denken ohne Geländer"!;)

  • Das „weg mit dem Staat“ wird ja gern von den Linken propagiert. Das resultiert in immer mehr Gewalt gegen Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte etc. Also ihr lieben Linken, streitet euch aber lasst das Hetzen gegen den Staat.

    • @Klartexter:

      Bei diesem Artikel verstehe ich die Aufmachung ironisch, denn es geht doch um die Stärkung und die Verantwortung des Staates.

       

      Es wird mit Sicherheit in allen Spektren Hetzer geben, aber ich würde diese nicht mit "Ihr Linken" oder "Ihr Rechten" ansprechen. Hetze hat nichts Linkes und auch nichts Rechtes. Bei radikalen Linken oder Rechten hat das Radikale mehr Gewicht, das heißt, die- oder derjenige ist Radikal und hat noch weitere politische Ausrichtungen, hingegen ein Nicht-Radikaler durchaus radikale Ansichten haben kann, wobei die Entäußerung weniger als allgemeine Identifikation dient, sondern inhaltsbezogen ist. Insofern möchte ich widersprechen und sagen, das "weg mit dem Staat" nicht gerne von Linken propagiert wird, die linke Mitte steht für die Stärkung des Staates, das heißt auch Stärkung der Polizei. Außerdem ist es keine Linke-Gewalt, es sind Gewalttäter mit linken Ansichten.

  • Das Bremer Urteil hat keine Türen aufgestoßen, sondern nur eine klare Rechtslage bestätigt.

    Wollen wir wirklich, dass politische Opportunität darüber entscheidet, wer sich an Gesetze halten muss und wer nicht?

     

    Schon immer müssen Bürger bestimmte Polizeieinsätze bezahlen. In den letzten Jahren liest man immer wieder über solche Fälle in Verbindung mit sozialen Medien. Party-Einladung, versehentlich öffentlich gemacht, und, zack, schon kommt die Rechnung vom Staat.

    Und im Gegensatz zum abstrusen Demonstrationsbezug ist das hier schlicht die selbe Sache, und die Rechnungsstellung folgt dem selben Recht. Dem Recht, das gebrochen wird, wenn Behörden darauf verzichten, für Fußballspiele ebenfalls Rechnungen zu stellen.

     

    Ja, es gibt Unterschiede: Private Partys sind nicht kommerziell. Randale wird oft einfach vermutet, auch wenn es noch keinen konkreten Anlass gibt (anders als beim Fußball). Und die Veranstalter haben keinen politischen Einfluss.

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @kleinalex:

      Das sehe ich auch so.

      Das ist auch eine Privatveranstaltung und sollte auch von den Veranstaltern bezahlt werden, wenn sich die "Gäste" daneben benehmen.

  • Sehr guter Artikel ! Volle Zustimmung !!

     

    Noch eine Anmerkung zum NetzDG:

     

    Mal angenommen ein Manager eines Internetgiganten ist z.B. in einen Korruptionsskandal verwickelt. Wenn nun jemand den Skandal übers Internet publik machen will kann der Manager mit Hilfe des NetzDG die Aufklärung verhindern.

     

    Dieses Beispiel ist an den Haaren herbeigezogen; ich weiß.

     

    Trotzdem hoffe ich, daß mein Punkt klar wird.

     

    Das NetzDG hat den Unternehmen eine Macht gegeben, die sie nicht haben sollten.

     

    Die Frage was strafbar ist und was nicht kann in einem Rechtsstaat nur durch die unabhängige Justiz beantwortet werden.

  • Sollten eigentlich auch die Kosten für meine Radreparaturen getragen werden, weil ich nach jedem Spiel durch ein Scherbenmeer fahren muss? Ich und mein Radl die Kosten für derlei gesellschaftliche Ausschreitungen vielleicht gar nicht tragen sollten?

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @emanuel goldstein:

      Stellen sie dem Veranstalteter die Kosten in Rechnung, und klagen sie es ein.