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Kolumne LügenleserDas Problem heißt CDU

Auch wenn es manchmal vergessen wird: Rückständigkeit und Rassismus haben eine Heimat in Deutschland – und in Angela Merkels Partei.

Hat das Problem in den letzten Jahren gut unter den Teppich gekehrt Foto: dpa

I n den letzten Jahren bekam man immer mehr das Gefühl, in einem Land zu leben, das von der AFD regiert wird. Kein Tag, an dem nicht jedes Detail von Gaulands und Weidels Mogelpackung-Partei unter die Lupe genommen, die Rückständigkeit und Unverfrorenheit der Akteure angeprangert wurde.

Zeitgleich fuhren und fahren Deutschland und die EU einen Kurs, der den Neofaschisten ganz recht sein dürfte. Vom erfundenen Bamf-Skandal über die immer noch nicht vollständig aufgeklärten NSU-Morde und einen Präsidenten des Verfassungsschutzes, der Verschwörungstheorien verbreitet, bis zu den Folterlagern in Libyen, die Richtung, in die wir driften, entspricht ganz ihren Vorstellungen von Politik.

Glücklicherweise steht die sogenannte Zivilgesellschaft in Teilen dagegen auf, Aktionen „gegen rechts“ haben Hochkonjunktur, das ist sowohl nötig wie auch löblich. Das Problem ist nur: An der Macht ist die CDU. Dass die SPD da etwas mitzureden hat, glaubt niemand mehr. Durch die aggressiven „Merkel muss weg!“-Parolen und die teilweise humanistisch anmutenden Reden der Kanzlerin, haben sich viele einlullen lassen. Plötzlich fanden sich diverse Bauchlinke sogar in der Position wieder, Angela Merkel zu verteidigen.

Die befindet sich auf ihrer Abschiedstournee und wird in Harvard für Sätze wie „Jede Veränderung fängt im Kopf an“ oder „Veränderungen zum Guten sind möglich, wenn wir sie gemeinsam angehen“ beklatscht. Das klingt so wohlig inhaltsleer, dass Lars Klingbeil ganz neidisch wird. Währenddessen steuert ihre Partei von einem Debakel ins nächste. Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Katastrophe sind eine mit den modernen Anforderungen überforderte Führungsriege und ein lebendig gewordenes Meme namens Philipp Amthor.

Verkalkt und deutschtümelnd

Das ist der junge Mann mit der Brille, dem überall Verachtung und Hohn entgegenschlagen. Warum? Weil er ein Backpfeifengesicht hat! Nicht etwa weil er öffentlich über „Ölaugen“-Sprüche lacht oder sich im Kreis einiger weißer Männer darüber amüsiert, dass hier ja alle die Nationalhymne mitsingen könnten, da keine Muslime anwesend sind. Amthor ist der Posterboy der CDU. Ein verkalkter, deutschtümelnder Politiker mit Ideen von vorgestern, der vollkommen überfordert versucht, etwas Jugendliches auszustrahlen. Bereits bei ihm, einem einfachen Bundestagsabgeordneten, beginnt das Problem und es reicht bis ganz nach oben.

Das Problem heißt Rassismus. Das Problem heißt Rückständigkeit. Das Problem ist eine Partei, die aus der Tradition eines ewigen Kanzlers kommt, der nicht zur Trauerfeier der sich vor einigen Tagen jährenden Brandanschläge von Solingen erschien. Grund waren „weiß Gott andere wichtige Termine“. Dafür steht die CDU. Angela Merkel hat das in den letzten 14 Jahren einfach nur sehr gut unter den Teppich gekehrt. Das ist ihr vielleicht größter Erfolg. Ihr nahender Abschied lässt deutlich erkennen, dass der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem das kroch.

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Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
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5 Kommentare

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  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Eine tolle Kolumne!



    Sollten sich die Grünen vielleicht mal durchlesen, bevor sie mit der CDU eine Koalition bilden.

  • Die AfD ist nichts anderes, als die CDU von gestern. Nichts von dem, was wir da hören, hätte nicht 1990 oder 1980 nicht auch aus dem Mund eines beliebigen CDU-Politikers kommen können.



    Jeder, der in der CDU von gestern ist - und das sind viele - unterscheiden sich nur sehr marginal, von den Anhängern der AfD.

    Und da sehe ich auch das Problem und die Gefahr. Die SPD versorgt die Union mit der Mehrheit, um ohne Mehrheit zu regieren und die Themen zu bestimmen.



    Früher oder später wird die CDU/CSU aber mit ihren natürlichen politischen Verwandten koalieren und dann sehr schnell nicht mehr die Themen bestimmen und die Richtung.

    Man kann immer nur wieder - auch wenn diese Republik nicht die Weimarer ist - daran erinnern, dass die Regierung Hitler I aus regulären demokratischen Wahlen hervorgingen und es Konservative waren, die ihn an die Macht brachten.



    Die hat er nicht ergriffen.

    Ich glaube, dass Merkel ehrlich versucht hat, aus dem korrupten Koffersumpf der Schäubles und der schwarz-braunen Gesinnung der Kochs, eine moderne Partei zu formen, die sich zur Mitte öffnet.



    AKK steht für ihr Scheitern.

  • Es gibt zu viele Amthors. Nicht nur in der CDU.



    Alle Parteien, die sich links von der AfD wähnen, sonnen sich in ihrer eigenen reaktionären Selbstgefälligkeit. Man könnte fast sagen, dass sie die AfD brauchen, um den Hauch von Progressivität vorzutäuschen.

  • Das Schlimme ist doch, dass Merkel gar nichts unter den Teppich gekehrt hat - und trotzdem wiedergewählt wurde!



    Denn sie hat Seehofer nicht ruhig gestellt oder ihn rausgeschmissen, obwohl er das Grundgesetz mit Füßen tritt und extreme Volksverhetzung betrieben hat beim Thema Flüchtlinge...



    SOOOO leicht kommen die Wähler nicht davon! Sie haben im vollen Wissen über die Rechtslastigkeit der C-Parteien Merkel wieder und immer wieder gewählt.

  • Genau Juri; das muss der taz und den Grünen endlich wieder einleuchten. Die AFD ist Fleisch vom Fleisch der CDU; nur mit deren zu kurz gekommenen Protagonisten. Die "soziale Marktwirtschaft" eine blendende!! Idee, die auch gar nicht von Ludwig Erhardt stammt, die der aber ebenso adaptiert hat wie die CDU ihren Wahlslogan "Sozial ist, was Arbeit schafft." vom z. Z. untergetauchten Herrn Sinn. Es gibt so viele Punkte, die in die Kolummne "Lügenpresse", was die CDU betrifft, gehören.