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Kolumne LiebeserklärungWenigstens die EU macht Druck

Die Bundesregierung verweigert im Dieselskandal weiterhin die Arbeit. Gut, dass Brüssel sich das nicht bieten lässt.

Illustration: Tom

D en Glauben an die Vernunft in der Politik zu behalten fällt wirklich nicht leicht, wenn man die deutsche Debatte über den Diesel-Skandal betrachtet. Auch zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Betrugs der Autohersteller, durch den Millionen Menschen überhöhte Stickoxid-Konzentrationen einatmen müssen, ist hierzulande praktisch nichts passiert.

Keinerlei Strafen für die betroffenen Konzerne. Keine wirksamen Maßnahmen gegen die giftige Luft. Dafür jede Menge warme Worte.

Wenn es nach Angela Merkel ginge, würde sich an dieser Strategie des Aussitzens und Beschwichtigens auch in Zukunft nichts ändern. Sie habe nicht die Absicht, die Autoindustrie durch politische Maßnahmen zu „schwächen“, sagte die Kanzlerin am Dienstag im Bundestag.

Die einzig wirksame Lösung für das Problem der schlechten Luft, die verpflichtende Nachrüstung aller Diesel mit überhöhtem Stickoxid-Ausstoß, lehnen Merkel und ihr CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer weiterhin strikt ab – obwohl Gutachten im Auftrag der Regierung belegen, dass dies technisch möglich und bezahlbar ist.

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Leere Versprechen

Auf eine ähnliche Strategie setzte die Bundesregierung, als die EU-Kommission wegen der schlechten Luft in vielen deutschen Städten mit einer Klage drohte. Das Problem werde schon irgendwie verschwinden, beteuerten Merkel und Scheuer in Brüssel – und verwiesen auf Pläne für kostenlosen ÖPNV (den keine einzige Kommune umzusetzen plant), auf E-Busse (die bisher nur in geringem Umfang lieferbar sind) und neue Software für alte Dieselfahrzeuge (die deren Stickoxidwerte nur geringfügig verbessert).

Erfreulicherweise gibt sich die EU mit diesen leeren Versprechen trotz massivem Druck aus Berlin nicht zufrieden: Am Donnerstag kündigte sie an, Deutschland und fünf weitere Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, weil diese „keine geeigneten Maßnahmen ergriffen“ hätten, um die seit Jahren bekannte Überschreitung der EU-Grenzwerte zu beenden.

Die gern als bürgerfern kritisierte EU-Kommission zeigt sich hier von ihrer besten Seite: als Anwalt der Menschen, deren Interessen die Bundesregierung mit Rücksicht auf die Autokonzerne seit Jahren beharrlich ignoriert.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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2 Kommentare

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  • Das ist alles richtig. Der Luftreinhalteplan ist ein schlechter Witz, und hier zeigt die EU wirklich im positivsten Sinne wozu sie da ist!

    Leider gehört zur Wahrheit aber auch das man den Druck der "Straße" nicht spürt. Die Bürger hoffen mehrheitlich auch das alles einfach vorbeigeht und möglichst ihr Diesel dabei nicht an Wert verliert...

  • Wenn es nach Angels Merkel gehen würde, dann wird sich nichts änden. So stets im Bericht ungefär geschrieben. Da kann ich nur zustimmen. Frau Merkel ist nicht bereit etwas gegen diese Umweltverschmutzung zu tun die die Autoindustrie verursacht. Sie war es wahrscheinlich auch von Kind auf gewöhnt in einer Umwelt auf zuwachsen in der man Umweltschutz zu ihrer Zeit noch nicht kannte.