Kolumne Habibitus: Das Land, für das ich mich schäme

In diesem Land ermittelt der Staatsschutz wegen geklauter Kleidung. Und ein Neonazi kommt trotz Beihilfe zum Mord frei.

Menschen stehen hinter einem Sarg, um den herum Grabkerzen aufgestellt sind. Auf den Plakaten der Menschen steht: Glückwunsch Horst

Glückwunsch Horst. Mit einem symbolischen Sarg vor dem Bundesinnenministerium gedenken Demonstrant_innen Jamal Naser Mahmodis Foto: dpa

Deutschland: Das ist das Land, in dem Schüsse auf eine Bäckerin mit Kopftuch nicht als rassistische Tat klassifiziert werden, aber wegen geklauter Kleidung eines rechts­extremen Politikers der Staatsschutz ermittelt.

Es ist auch das Land, das den NSU-Komplex nicht nur nicht auflöst, sondern die Aufklärung systematisch sabotiert und verhindert, seine Täter_innen schützt und nicht nur kaum bestraft, sogar trotz Beihilfe zum Mord freilässt.

Es ist dasselbe Deutschland, das eine rassistische Mordserie zunächst als „Dönermorde“ bezeichnet und die Betroffenen kriminalisiert hat. Die Unschuldsvermutung für mordende Neonazis wiegt mehr als die für antifaschistische Aktivist_innen, die wegen Verdacht auf Sachbeschädigung mit Freiheitsstrafen sank­tioniert werden.

Es ist ein Land, in dem das ganze Tradition hat: Schon immer wurden Verbrechen von (Neo-)Nazis verharmlost und Antifaschist_innen und Kommunist_innen verfolgt. Schon immer war die Empathie mit den Täter_innen größer als die mit den Ermordeten und ihren Angehörigen.

Was für Leitkultur?

An einer Entnazifizierung scheitert man hierzulande weiterhin, während deutsche Waffen auf der ganzen Welt morden. Es ist dasselbe Deutschland, dessen Verfassungsschutz Die Linke überwacht, die AfD nicht und den NSU jahrelang gestützt hat. Ein Land, dessen Politiker_innen Schweinefleischpflicht fordern, überrascht nicht, wenn Teile seines Bundestags die Shoah verharmlosen und sich zu Überlebenden seiner Vernichtungsindustrie respektlos verhalten. Was für Leitkultur, yani?

Sein Innenminister ist hochgradig inter- und transfeindlich, stimmte vor gut 20 Jahren für das Recht, seine Ehefrau zu vergewaltigen, und hält es für eine witzige Anekdote, dass an seinem 69. Geburtstag 69 Menschen in ein Land abgeschoben werden, in dem regelmäßig Bombenanschläge stattfinden.

Einer von ihnen, Jamal Naser Mahmodi, erhängte sich am Tag seiner Ankunft. Das BAMF twittert sein Beileid. Würden Migrant_innen offen so menschenverachtende Haltungen vertreten wie Seehofer, würden auch sie abgeschoben werden.

„Ergebnisoffen“ Menschenrechte diskutieren

All dies findet im selben Land statt, in dem Politiker_innen und Journalist_innen rechte Kampfbegriffe normalisieren. In genau diesem Land besteht der BAMF-„Skandal“ darin, dass 1.200 Menschen „unrechtmäßig“ Asyl gewährt wurde und nicht etwa in den vielfachen illegalen Abschiebungen.

Dieses Land lässt ein Seenotrettungsboot voller Menschen tagelang im Stich, anstatt sichere Fluchtwege zu schaffen. Dieses Land kriminalisiert Hilfeleistung und diskutiert ergebnisoffen über Menschenrechte. In diesem Land werden Abschiebelager errichtet, das bezeichnet man als „Masterplan“.

Und ausgerechnet in diesem Land fordern Menschen aus einer Sehnsucht, endlich wieder unverkrampft nationalistisch sein zu dürfen, einen Schlussstrich für seine Verbrechen? Stolz? Ich empfinde nur Scham.

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