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KoalitionsverhandlungenDer rot-grüne Vertrag

Am Montag beginnen im Rathaus die Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen. Die wichtigsten Themen und wahrscheinliche Lösungen im Überblick.

Dass es sich um eine Elefantenhochzeit handelt, glauben höchstens die Grünen: Ob Scholz und seine SPD sie wirklich mitreden lassen? Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Koalitionsverhandlungen sollen bis Ostern beendet sein. Zur Bürgerschaftssitzung am 15. April sollen Vertrag und der neue rot-grüne Senat stehen.

Hochschulen

Die Grünen wollen die Grundfinanzierung der Hochschulen um jährlich ein Prozent erhöhen und einen vollen Inflations- und Tarifausgleich gewähren. Die 30 Millionen Euro aus den Bafög-Zahlungen des Bundes sollen in die Hochschulen fließen.

Die SPD findet, dass die Hochschulen genug Geld haben.

Die Lösung: Die SPD gibt nach. Nehmen die Grünen das Hochschulressort, können sie das nicht mit leeren Händen tun.

Kitas

Die Grünen wollen den Personalschlüssel in den Krippen schon in diesem Jahr um 25 Prozent verbessern. Dafür sollen bis 2016 weitere 50 Millionen Euro verwandt werden und 700 Erzieherstellen entstehen.

Die SPD plant diese Verbesserung in kleineren Schritten und will die Kitas finanziell beteiligen, entsprechende Bundesmittel vorausgesetzt.

Die Lösung: Hier wird die SPD finanzielle Zugeständnisse machen. Aber nicht alle Erwartungen der Erzieher werden erfüllt.

Geschlossenes Heim

Die Grünen lehnen Erziehung hinter Mauern ab, weil sie Probleme der Jugendlichen verstärkt und nicht löst. Sie fordern Alternativen wie intensive Einzelbetreuung.

Die SPD will auf die Möglichkeit der Freiheitsentziehung für eine kleine Zahl von Kindern nicht verzichten. Der alte SPD-Senat plant ein 16-Plätze-Heim außerhalb der Stadt.

Die Lösung: Der knifflige Punkt wird vertagt. Dann hätte Rot-Grün fünf Jahre Zeit, vernünftige Alternativen aufzubauen.

Schulen

Die Grünen wollen mehr Geld für die Inklusion behinderter Kinder. Für 15 Millionen Euro soll es bis zu 300 Stellen geben. Außerdem soll es mehr Fortbildung, mehr Schulversuche und keine explizite Gymnasialempfehlung geben.

Die SPD verweist darauf, dass die Schulen in der letzten Legislatur schon 1.400 Stellen dazu bekamen. Für die Inklusion versprach ihr Schulsenator Ties Rabe nur noch mal 60 Stellen.

Die Lösung: Es wird mehr Stellen und kleine Reförmchen geben. Als Problem gilt Rabe, der vier Jahre lang eine anti-grüne Schulpolitik machte. Beide Seiten können nicht miteinander, hört man auch aus der SPD.

Arbeitslose

Die Grünen wollen die Armut bekämpfen und ein Modellprojekt sozialer Arbeitsmarkt mit 1.000 Plätzen. Außerdem soll eine Ombudsstelle Konflikte zwischen Jobcentern und Hilfeempfängern schlichten.

Die SPD wartet auf ein Modellprojekt des Bundes.

Die Lösung: Man einigt sich.

Wohnungsbau

Die Grünen wollen mehr günstige Wohnungen mit geringerem Energieverbrauch, dafür sollen möglichst keine Grünflächen geopfert werden.

Die SPD hält an ihrem Ziel fest, pro Jahr mehr als 6.000 Wohnungen zu bauen.

Die Lösung: 6.000 Wohnungen, höherer Anteil an gefördertem Wohnraum und weniger Flächenversiegelung.

Wirtschaft und Hafen

Die Grünen wollen mehr digitale und ökologische Wirtschaft statt einer Hafen-Fixierung.

Die SPD lässt auf Hafen und Flugzeugindustrie nichts kommen, ansonsten ist jede Firma recht, die Arbeitsplätze verspricht.

Die Lösung: Hafen bleibt Hafen, über die Elbvertiefung entscheiden Gerichte, ansonsten ist jede Firma recht, die Arbeitsplätze verspricht.

Flüchtlinge

Die Grünen wollen eine humaneren Umgang mit Flüchtlingen, Ermessensspielräume sollen grundsätzlich zu deren Gunsten genutzt werden.

Die SPD will vor allem Unterkünfte schaffen, die Erweiterung von Bleiberechten auch für die Lampedusa-Gruppe lehnt sie ab.

Die Lösung: Bei Lampedusa bleibt die SPD hart, alle anderen werden etwas netter behandelt.

Innere Sicherheit

Die Grünen wollen mehr Transparenz in der Polizei und deutlich mehr Datenschutz und Bürgerrechte.

Die SPD will alles so lassen, wie es ist.

Die Lösung: Polizei bleibt, wie sie ist, Formelkompromisse bei den Bürgerrechten.

Umweltpolitik

Die Grünen fordern eine Umwelt-und Klimaschutzpolitik, die diese Namen verdient. Das beinhaltet Naturschutz, Artenvielfalt, saubere Luft und sauberes Wasser, mehr Energiesparen und weniger Flächenverbrauch.

Die SPD hat bei dem Thema vier Jahre lang gebremst und will das nicht ändern.

Die Lösung: Die Grünen setzen sich weitestgehend durch.

Verkehrspolitik

Die Grünen wollen die Stadtbahn, mehr Geld und Wege für Radfahrer und weniger Autos.

Die SPD setzt auf Busbeschleunigung, den Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes und lehnt Schikanen für Autofahrer ab.

Die Lösung: Die Stadtbahn wird wortreich begraben, das Busprogramm entschlackt, Radler deutlich stärker gefördert.

Olympia

Die Grünen sagen „Ja, aber nachhaltig und bezahlbar“.

Die SPD sagt „Ja“.

Die Lösung: Wenn Hamburg im März zum deutschen Olympia-Kandidaten gekürt wird, wird im Herbst ein Volksentscheid stattfinden. Dessen Ergebnis gilt.

Fazit

Eine rot-grüne Koalition ist möglich. Die Grünen müssen nach dem Scheitern von Schwarz-Grün 2010 beweisen, dass sie zu dauerhaftem und ernsthaftem Regieren in der Lage sind. Die SPD muss zeigen, dass sie kleinere Koalitionspartner nicht wie früher als lästiges Übel betrachtet und bei jeder Gelegenheit foltert, sondern fair behandelt. Wenn die großen Knackpunkte in der Flüchtlings- sowie Umwelt- und Verkehrspolitik gelöst werden, dürfte Rot-Grün fünf Jahre funktionieren.

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1 Kommentar

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  • Das war genauso zu erwarten und man kann davon ausgehen, dass der Artikel sogar schon zu 70-80 Prozent die Ergebnisse vorwegnimmt.

     

    Allerdings wird es mit der SPD große Probleme beim sozialen Wohnungsbau geben: Sollte der Anteil deutlich erhöht werden, müsste die Stadt stärker eingreifen, also Grundstücke an die SAGA/GWG geben oder denen Gelder zum Kauf zur Verfügung stellen. Je stärker die das machen, desto niedriger fallen die Profite bei den anderen Wohnungs- und Immobilienbesitzern aus, die sich dagegen sperren werden.

     

    Auch das Modellprojekt 'sozialer Arbeitsmarkt' mit 1.000 Plätze wird der SPD nicht gefallen, ist die Hamburger Partei doch eine Agenda-2010-Partei, die Arbeitslosigkeit für ein Phänomen persönlichen Versagens hält, das sich durch Strafen, Fordern und Fördern beheben lässt.

     

    Sollte dieser sozialer Arbeitsmarkt kommen, wäre er wirkungslos, wenn er tatsächlich irgendwo extra losgekoppelt vom echten Arbeitsmarkt entstünde. Wird er an den echten Arbeitsmarkt gekoppelt, wird er in den Betrieben und Branchen auch echte Arbeitsplätze essen. Das ist bei den AGHs (1-EURO-Jobs) genauso abgelaufen: Sie verlangsamten die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen deutlich.

     

    Außerdem sind 1000 Plätze in einer Großstadt wirklich nur ein Modellprojekt und somit wird das keine Verbesserung der Lebenssituation der H-4-Empfänger mit sich bringen. Genausowenig wird ein Ombudsmann den Dilettantismus und die negativen Aspekte des II. Sozialgesetzbuches ausgleichen können. Jobcenter sind dazu angehalten, ihre Kunden (die Hilfebedürftigen) unter Druck zu setzen und aus der Statistik zu pressen. Vermittlung/Schlichtung ist hier explizit nicht vorgesehen, sonst würden die Amtsbescheide nicht zu 99 Prozent gegen die Arbeitslosen beschieden, so dass ein großer Teil davon vor Gericht landet.

     

    Insgesamt glaube ich, dass Grüne und SPD das Konzept grün-angemaltes Investoren-Eldorado betreiben werden.