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Koalitionsverhandlungen in ThüringenDie Brombeer-Ernte ist gefährdet

In Sachsen und Thüringen haben SPD und CDU große Zweifel am möglichen Koalitionspartner BSW. In einem Fall hat auch die AfD ihre Finger im Spiel.

Ohne ihren Berliner Brombeer-Boss: die BSW-Landesvorsitzenden in Thüringen, Katja Wolf und Steffen Schütz Foto: Michael Reichel/dpa

Dresden taz | Die Gespräche in Sachsen und Thüringen über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen stocken. In beiden Ländern, in denen am 1. September gewählt wurde, haben sich die Verhandlungspartner CDU, SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Denkpause bis Montag verordnet. In beiden Fällen drohen die Gespräche und damit eine mögliche „Brombeer-Koalition“ am BSW – beziehungsweise an deren dominanter Parteigründerin – zu scheitern.

Allen voran in Thüringen. Dort hat Sahra Wagenknecht die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vorerst vereitelt. Bereits vor einer Woche hatten die drei Parteien ein gemeinsames Sondierungspapier vorgestellt. Die darin enthaltene schmale Absichtserklärung, man wolle in die angestrebte Koalitionsvereinbarung eine Formel zum Frieden in Europa aufnehmen, aber genügte Sahra Wagenknecht nicht.

Sie verlangt eine Aussetzung der Waffenlieferungen an die Ukraine und eine Ablehnung der Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland. Bis Freitagmorgen wurde in Erfurt um einen Kompromiss gerungen. Doch auch der konnte Wagenknecht nicht zufriedenstellen.

Eine für den Sonntag erwogene Runde der Parteispitzen kam nicht zustande. Thüringens SPD-Chef und amtierender Innenminister Georg Maier macht dafür Wagenknecht, die „mit immer neuen Forderungen in die eigentlich konstruktiv verlaufenden Gespräche“ komme, verantwortlich. Man erziele in Thüringen zwar Einigungsergebnisse, sagte Maier am Sonntag gegenüber der Deutschen Presseagentur, „aber es gibt eine Person in Berlin, die das kassiert hat“. Das bedeute zwar noch nicht, dass die Verhandlungen endgültig gescheitert wären, sagte Maier. Allerdings habe er „kaum noch Hoffnung, dass wir noch zusammenkommen“.

Auch die Dresdner SPD ist empört über das BSW

Die Thüringer BSW-Landesvorsitzende, Eisenachs ehemals linke Oberbürgermeisterin Katja Wolf, widersprach einem drohenden Aus und zeigte sich von möglichen Kompromissen weiterhin überzeugt. Wolf hatte in jüngsten Äußerungen vorsichtig Differenzen zu Wagenknecht angedeutet und indirekt kritisiert, dass diese nur bundes- und außenpolitische Ambitionen hege.

Die Thüringer Union mit ihrem möglichen Ministerpräsidentenkandidaten Mario Voigt hielt sich bislang am meisten bedeckt. „Die Gespräche sind an einem kritischen Punkt“, bestätigte ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion lediglich. „Es wird voraussichtlich Anfang der Woche ein weiteres Treffen geben“, fügte er hinzu.

Auch in Sachsen stehen die Gespräche vor dem Aus. Auch hier ist eine Regierungsbildung jenseits der AfD mit einer führenden CDU auf das BSW angewiesen. In Dresden ist es aber die SPD, die für das Wochenende geplante Sondierungsgespräche in thematischen Arbeitsgruppen zunächst stoppte.

Den Anlass lieferte die AfD. Die Rechtsaußenpartei hatte das BSW aufgefordert, ihren Antrag auf Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses im Sächsischen Landtag zu unterstützen. Das tat das BSW zwar formal nicht. In der Sondersitzung des Landtags am Freitag aber stimmte eine Mehrheit ihrer Abgeordneten dann aber für den AfD-Antrag, während sich andere Parteien enthielten oder dagegen stimmten.

Die AfD hätte ihr Minderheitenrecht mit 40 Abgeordneten auch ohne das BSW durchsetzen können. SPD-Landesparteichef Henning Homann bewertet deshalb den „Schulterschluss“ von AfD und BSW als eine „schwere Belastung für die laufenden Sondierungsgespräche“. Er reagiert damit auch auf verbreitete Zweifel in der Landespartei an einer Verlässlichkeit des BSW. Dessen Landes- und Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann verwies hingegen darauf, dass man das Stimmverhalten angekündigt habe. Man könne nicht gegen seine eigenen Themen stimmen.

So könnte auch in Dresden der Wochenbeginn über die Koalitionsaussichten entscheiden.

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14 Kommentare

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  • Da Situation ist leider ein doppeltes Dilemma. Frau Wagenknecht fühlt sich ganz wohl in der Loge von Waldorf und Statler und scheut die Bühne wie der Teufel das Weihwasser. Aber ohne sie ist auf der Bühne keine Show möglich.

  • CDU und SPD sind nicht BSW kompatibel. Wenn sich CDU und SPD von Frau Wagenknecht erpressen lassen, dann gute Nacht Demokratie. Brandmauer gegen die AfD-völlig richtig! Brandmauer gegen BSW mindestens genau so notwendig. Warum kann es in D(zumal in Landesregierungen)nicht wie in vielen anderen Ländern auch eine Minderheitsregierung geben? Es ist purer Machterhalt -Zwang und Bequemlichkeit der ehemaligen „Volksparteien“, irgendwann gegen die auch mit Faschisten ins Bett.

  • Nach „Ampel“, „Jamaika“ nun „Brombeer“. Was sollen diese albernen Namen? Wir reden hier über Regierungen und nicht über Kindergartengruppen.



    Momentan zieren sie sich noch ein wenig, aber am Ende werden CDU und SPD sich "opfern" und einen Koalitionsvertrag nach Frau Wagenknechts Vorstellungen unterschreiben. "um die Demokratie zu retten".



    Aber egal welche Nebelkerzen Sara Wagenknecht zündet. Ihr Ziel ist die Rückkehr zu einer Art DDR ohne Bundesländer. Das muss jedem bewusst sein der sich auf sie einlässt. Harte Worte aber leider wahr.

  • das ganze ist nicht mehr nachvollziehbar.



    Da riskiert man ein Abrutschen ins Extreme nur weil einem die BSW nicht passt.



    Was bitteschön ist an der BSW auszusetzen?



    Bei der SPD könnt man ein großes Fragezeichen setzen - ja - aber bei dr BSW?

    • @Andere Meinung:

      An wen sind Ihre Fragen gerichtet? An BSW-Wähler?

      Denn alle Anderen können damit eigentlich nichts anfangen.

  • Wer Koalitionen eingehen will, muss Kompromisse machen. Auch die CDU, die SPD muss das machen und auch das BSW macht Kompromisse. Und klar ist auch, die Menschen wollen Verhandlungen sehen und nicht noch Unmengen Waffen liefern und auch keine neue Aufrüstung.

    • @Mouse:

      Mir machen vor allem die Waffen Sorge, die Russland in Unmengen in Richtung Ukraine auf den Weg bringt.



      Dass die Ukraine sich verteidigt und sich gegen einen durch Russland drohenden Genozid zur Wehr setzt, ist unterstützensenwert. Dass das durch Waffenlieferungen geschiet ist traurig, aber leider nicht als alternativlos.

    • @Mouse:

      Wo geht BSW Kompromisse ein und bundespolitische Forderungen für eine Koalition in einem Landtag zu stellen ist dummer Populismus. Wagenknecht betreibt Wahlkampf für die Bundestagswahl auf Kosten zweier Landtage und will gar nicht koalieren. Sie will vom Chaos das sie anrichtet bei der Bundestagswahl profitieren. Die Tante ist einfach nur destruktiv.

    • @Mouse:

      "Die" Menschen? Wer bitte soll das sein? Glücklicherweise gibt es in diesem Land eine ganze Menge Menschen, denen sehr wohl klar ist, dass Frau Wagenknechts Forderungen nicht nur darauf hinauslaufen, die Ukraine Putin auszuliefern, sondern auch die gesamte europäische Sicherheitsstruktur. Auch wenn das die Wähler von BSW & AfD nicht gerne hören.

    • @Mouse:

      "die Menschen wollen" ... wer sind denn "die Menschen"?



      Ich als Mensch will Frieden, aber keinen Frieden ohne die Mitwirkung der Ukraine. Dort tobt der Krieg, dieses Land ist überfallen worden, deshalb müssen wir die Menschen dort unterstützen. Und wenn wir hier bei uns keine wehrhafte Demokratie aufbauen, dann wird es hier in Zukunft kein lebenswertes Umfeld mehr geben.

    • @Mouse:

      Wer Koalitionen eingehen muss, muss Kompromisse machen. Das stimmt.



      Wer den Artikel liest, der wird aber wohl erkennen müssen, daß das BSW von seiner Führungsfigur Kompromissunfähig gemacht wird. Wagenknecht hat die Macht einzelne Abweichler direkt aus dem Amt zu putzen, sollte jemand von ihrer Vorgabe abweichen. Und da brodelt es wohl schon heftig in Thüringen und Sachsen.

      Bundesthemen mit Landespolitik zu vermischen ist letztlich Erpressung oder Ablenkung wie bei der AfD. Da muss man sich gar nichts schön reden. Es zeigt den Politikstil den SW fahren möchte.

      Und klar ist auch, 65% der Wähler wollen (Stand 10/24) die Ukraine weiter oder sogar stärker unterstützen, Waffen liefern und den Aggressor Russland zu fairen Friedensverhandlungen zwingen. Nur 31% wollen das Engagement zurückfahren.

    • @Mouse:

      Danke, dass sie Stimme des revolutinären Proletariats an sich reißen. "Die Menschen" sind sicherlich keine Mehrheit in der Bundesrepublik Deutschland.

    • @Mouse:

      Nur kann weder die sächsische noch die thüringische Regierung Waffen liefern oder Friedensverhandlungen führen.

      Und gesamtdeutsch sieht die Wählererwartung schon anders aus.

      Es kann also nur eine Inszenierung von Politik werden.

      Ob das Sachsen und Thüringer glücklich macht?

    • @Mouse:

      "...und auch das BSW macht Kompromisse. "



      Äh, welche doch gleich? Ist dem Artikel irgendwie nicht zu entnehmen.



      "Und klar ist auch, die Menschen wollen Verhandlungen sehen und nicht noch Unmengen Waffen liefern und auch keine neue Aufrüstung."



      So, so... alle anderen sind keine Menschen?



      Hierüber sollten Sie noch einmal nachdenken.