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Koalitionen nach der BundestagswahlChristian Lindners dornige Chance

Der FDP-Chef setzte bislang auf ein Bündnis mit der Union. Doch seine wahrscheinlichste Machtoption ist eine, die er nicht will: die Ampel.

Christian Lindner setzt bislang auf Armin Laschet als Kanzler Foto: dpa/Kay Nietfeld

Für Christian Lindner sind Probleme „nur dornige Chancen“. Das wissen wir, seitdem Lindner 1997 als noch zur Schule gehender Turbo-Jungunternehmer mit viel zu großem Anzug und Kuhfleckenkrawatte in einem Fernsehbeitrag auftrat. Schon damals, am Steuer einer gemieteten Mercedes-Limousine, besaß er die Fähigkeit, mit maximalem Selbstbewusstsein eine Realität herbeizuquatschen, die es realistisch betrachtet gar nicht gibt. Womit wir beim Bundestagswahlkampf 2021 wären.

Christian Lindner sieht sich als Königsmacher im Koalitionspoker, der nach dem 26. September ansteht. Für ihn haben zwei Dinge Priorität: Er will mit seiner FDP unbedingt an der nächsten Regierung beteiligt sein. Sein legendärer Satz von 2017, es sei besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren, kam nämlich in der ureigenen FDP-Klientel schlecht an. Topverdiener wollen, wenn sie ihr Kreuz an der richtigen, nämlich gelben Stelle machen, dass geliefert wird – mindestens eine Steuersenkung namens Soli-Abschaffung.

Wenn Lindner also dieses Mal nicht mitregiert, ist er weg. Gleichzeitig will er einen Lagerwechsel vermeiden, sich also nicht mit SPD und Grünen in einem Ampelbündnis arrangieren. Was tun? Ganz einfach: große Klappe haben. Lindner tut so, als sei die Ampel des Teufels, und versucht, gegen den Trend eine Jamaikakoalition mit Union und Grünen herbeizureden. Dann müssten die Grünen ins ideologisch gegnerische Lager wechseln, nicht er.

Also hebt Lindner hervor, dass die moderaten Programme von SPD und Grünen vor Linksideologie nur so strotzen. Ja, er ging sogar so weit, den durch den Wahlkampf stolpernden Laschet als quasi unausweichlichen nächsten Kanzler hinzustellen. Das ist – zu Lindners Ehrenrettung – schon ein paar Wochen her.

Serie: Die taz liest im Kaffeesatz

Damit wir hinterher sagen können, dass wir es schon vorher gesagt haben: Unsere Au­to­r:in­nen deklinieren bis zum 26. September durch, wie die Wahl ausgehen könnte. Alle Texte der Serie hier.

The times they are a-changinʼ. Lindner hat nun das Problem, dass immer offensichtlicher wird, dass seine Jamaikastrategie keine Strategie ist. Denn wer soll dieses Bündnis eigentlich verhandeln? Eine Union, die bei 20 Prozent landet, implodiert wie der Todesstern in der „Star Wars“-Saga. Laschet wäre am Wahlsonntag um 18.05 Uhr Vergangenheit, der Nachfolgestreit würde die Partei auf unabsehbare Zeit lähmen.

Wer wäre der neue starke Mann? Merz? Spahn? Was macht Markus Söder? Die am Boden zerstörte Union wäre mit allem Möglichen beschäftigt – und in Koalitionsverhandlungen schlicht nicht sprechfähig.

Lindners wahrscheinliche Machtoption ist deshalb die, die er nicht eingestehen will: eine Ampel unter einem Kanzler Olaf Scholz. Um diese dornige Chance zu nutzen, müsste der FDP-Chef langsam auf einen realitätstauglichen Kurs einschwenken. Oder, um es im FDP-Sprech zu sagen: Irgendwann kommt der Punkt, an dem du weißt: Wie es ist, darf es nicht bleiben.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Bitte keine FDP in der nächsten Regierung! Der Wähler kann ja z.B. seine Zweitstimme taktisch zur Stärkung von Rotgrün einsetzen (also in Wahlkreisen mit sicheren SPD-Kandidaten grün wählen, in CDU-Wahlkreisen SPD).



    Ohne sich zu verbiegen oder kritische Punkte bei Scholz nicht anzusprechen, hat Baerbock die Gemeinsamkeiten mit der SPD unterstrichen. Überhaupt hat sie sich trotz der Morddrohungen und Angriffe gegen sie tapfer geschlagen.



    Das wäre doch das größte Geschenk dieser Bundestagswahl: Dass wir uns alle mindestens vier Jahre lang von der CDU-CSU Rhetorik erholen können.

  • Der Todesstern ist explodiert, nicht implodiert. Ein bisschen Sachkenntnis ist angebracht 😁.

  • Dann müssten die Grünen ins ideologisch gegnerische Lager wechseln, nicht er.

    ??

    Vor vier Monaten sah doch alles nach schwarz-grün oder grün-schwarz aus. Ob da wirklich die Grünen wechseln müssen, sei mal dahingestellt.

  • "Sein legendärer Satz von 2017, es sei besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren, kam nämlich in der ureigenen FDP-Klientel schlecht an"

    Worauf beruht diese Einschätzung? In den Umfragen liegt die FDP 2-3 % über der letzten Bundestagswahl.

    • @Rudolf Fissner:

      Reine Sprechblase. Ebenso wie



      "Topverdiener wollen, wenn sie ihr Kreuz an der richtigen, nämlich gelben Stelle machen, dass geliefert wird – mindestens eine Steuersenkung namens Soli-Abschaffung."

      Die FDP liegt in den Umfragen aktuell so bei 12 oder 13%, es können nicht nur Topverdiener sein, denn die sind a) auch bei CDU / CSU & AfD mit ihren schrecklich neoliberalen Programmen



      b) gar nicht so zahlreich, dass sie so viele Stimmen haben.

      Das Dreiklassenwahlrecht ist bereit vor 100 Jahren abgeschafft worden

      ;)