Klimaproteste von Extinction Rebellion: Bringt das was?

Wer heute eine Bewegung daran bemisst, wie realistisch durchsetzbar ihre Forderungen sind, denkt ahistorisch. Der Protest von XR funktioniert.

Ein Plakat wird gemalt

Im Protestcamp der Bewegung extinction rebellion neben dem Kanzleramt in Berlin Foto: Karsten Thielker

Ja, das bringt was: Eine Gruppe von ein paar Tausend Klimaaktivist*innen hockt in Berlin und anderen Metropolen auf Kreuzungen herum, um Forderungen in die Tagesschauen und die Timelines zu spülen, die verdächtig nach „Life of Brian“ klingen. Dort will bekanntlich die Volksfront von Judäa (oder die Judäische Volksfront?) die Frau von Pontius Pilatus entführen, um die Auflösung des Römischen Reiches zu fordern.

Extinction Rebellion fordert die Auflösung eines auf fossilen Brennstoffen basierenden weltweiten Imperiums (die Weltwirtschaft) bis 2025. Ihr Druckmittel: Auf Kreuzungen sitzen, sich von der Polizei friedlich wegtragen lassen, dabei mit den Beamten freundlich über CO2-Emissionen reden. Sie wollen sozusagen unsere Mobilität entführen. Bis das System überlastet ist: Wenn ein paar Millionen in Deutschland mitmachen, dann geht hier nichts mehr.

Das bringt was, weil es funktioniert. Wer heute eine Bewegung daran bemisst, wie realistisch ihre Forderungen politisch, demokratisch und ökonomisch durchsetzbar sind, der denkt ahistorisch. Es ist die verdammte Pflicht von sozialen Bewegungen, genauso radikal traumtänzerisch zu sein, wie Extinction Rebellion, kurz XR, es ist.

Da machen sich dann Kommentatoren drüber lustig, ein paar Alt-Linke sind sauer, dass die Welt heute nicht mehr auf sie hören will, aber die Botschaft ist draußen, sickert in die Köpfe, verändert den Kurs der öffentlichen Debatte: Undenkbares wird denkbar, nicht Umsetzbares möglich – wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass es heute zumindest eine realistische Option ist, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen?

Genau so machen es Rechte, wenn sie Rassismus und Hass verbreiten: Unsagbares salonfähig machen. Man muss sie dafür ächten, aber jetzt haben wir diese Waffe der Diskursverschiebung mal in den Händen derer, die damit Gutes tun wollen. Radikaler, schneller umsteuern, um die Klima­krise zu bekämpfen.

Im Kern elitenfeindlich

Gefahren birgt allerdings auch diese Bewegung: Im Kern ist ihre Erzählung auch elitenfeindlich. XR erzählt implizit, dass alle, die nicht so radikal denken wie sie, versagen. Dabei wäre es politisch eher ein Versagen, die Ideen der Rebellen tatsächlich aufzugreifen. Klimaneutral bis 2025 würde bedeuten, Millionen von Pkws stillzulegen. Würden die Grünen das fordern, ihr Wählerpotenzial wäre mindestens halbiert. Für den Klimaschutz wäre nichts gewonnen.

Sagen wir mal so: Die Bewegung will sich nicht durch mühsame Kompromisse in ihrem Lauf blockieren lassen. Sie ist nicht Partei oder Verband, sondern ein Katalysator, der die Abwehr der Gesellschaften gegen eine vernichtend langsame Klimapolitik beschleunigt. Hoffentlich zumindest.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.