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Klimabilanz des Jahres 2022Ausgebremste Verkehrswende

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

In der Wohnungsbau- und der Verkehrspolitik muss das Tempo angezogen werden. Doch die FDP und ihr Minister Volker Wissing stehen auf der Bremse.

Protestaktion gegen die Klima-Blockierer der FDP Foto: dpa

A uf den ersten Blick sieht es wie eine gute Nachricht aus: Deutschland hat 2022 sein Klimaziel geschafft. Das ist schließlich keine Selbstverständlichkeit im Jahr der Energiekrise, die sich vor allem durch Russlands Krieg gegen die Ukraine noch zuspitzte. Mangels Gas aus Russland hat Deutschland den Kohleausstieg verlangsamt und mehr Kohle verbrannt als geplant. Das hat die Emissionen im Energiesektor hochgetrieben. Jetzt hat das Umweltbundesamt die Klimabilanz des Jahres vorgestellt.

Das Ergebnis: Immerhin hat die Kohlerenaissance nicht dazu geführt, dass Deutschland insgesamt mehr Treibhausgas ausgestoßen hat als laut Klimaschutzgesetz erlaubt. Problem dabei ist, dass das nicht Folge kluger Klimapolitik, sondern wiederum vor allem auf den Krieg und die Energiekrise zurückzuführen ist. Der entscheidende Klimaschutzerfolg kam nämlich von der Industrie. Die senkte ihren Energieverbrauch und damit auch ihre Treib­haus­gas­emissionen deutlich.

Teilweise ist es vielleicht auf eine effizientere Energienutzung zurückzuführen – vor allem aber drosselten beispielsweise Stahlwerke ihre Produktion. Die positive Klimawirkung war also ein versehentlicher Nebeneffekt, der wahrscheinlich nicht von Dauer ist. Dabei kann Deutschland es sich eigentlich nicht leisten, beim Klimaschutz immer wieder einen Schritt nach vorne zu stolpern, um ihn dann forsch wieder zurückzumarschieren. Stattdessen müssten die Schritte größer werden und schneller kommen.

Das Umweltbundesamt hat das in Zahlen gefasst: Bis 2030 müssen die Emissionen jedes Jahr um 6 Prozent zurückgehen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr war es nur ein Drittel davon – trotz der unfreiwillig klimafreundlichen Industrieflaute. Die großen Problemfelder sind die fossil beheizten Gebäude und das benzin- und diesellastige Verkehrswesen. Beide Sektoren haben 2022 die gesetzlichen CO2-Grenzwerte erneut nicht eingehalten.

Während Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), die für die Gebäude zuständig sind, zumindest alle möglichen Pläne schmieden, kommt von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kaum etwas Konstruktives. Ein paar Fahrradparkhäuser zu fördern, ist gut und schön, macht aber noch keine Verkehrswende.

Auch dass die FDP das Klimaschutzgesetz radikal reformieren will, ist besorgniserregend. Die Partei will verbindliche Klimaziele für die einzelnen Wirtschaftsbereiche abschaffen. Dass der Verkehr dann nie wieder ein Klimaziel reißen könnte, wäre zwar für den jeweiligen Verkehrsminister praktisch – nicht aber für das Klima.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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9 Kommentare

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  • Die FDP vertritt allerdings keine Mindermeinung 3/4 der Deutschen lehnen ein Verbrennerverbot ab.



    Dass Elektromobilität auch so Ihre Fehler hat, muss man ebenfalls nicht ignorieren.



    Ich fand selbst produziertes Rapsöl als Treibstoff für die Landwirtschaft immer recht nachhaltig. Ob schwere Maschinen alternativ zukünftig effizient mit Akku laufen wäre noch zu beweisen.

  • Der Name "Klima-Bla-Bla-Wissing" ist Programm. Es dürfte die Gesamteinstellung der FDP Führungsriege sein: Klimaschutz ist Bla-Bla. Solche Ignoranz, ja Verantwortungslosigkeit ist erschreckend. Das ist keine Partei mehr, das ist eine Lobbyinteressen Gemeinschaft. Außer ein paar Wählre*innen-Stimmen und Profitmaximierung haben die nichts, gar nichts im Sinn.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Die Initialen des Verkehrsministers sind VW.



    Zufall? Ich glaube nicht.

  • Jetzt wird es ernst(er). Bei den nächsten Massnahmen ist nicht mehr nur die FDP im Fokus, sondern die Gesellschaft. Offensichtlich reicht es im Verkehr nicht mit ein paar % E-Autos. Es wird auch mit Tempolimit nicht reichen. Sondern, wie viele ja auch sagen, der Individualverkehr muss reduziert werden. Das geht aber an den Lebensstil bei fast 50 Mio Autos in der Gesellschaft. Sieht man auch in Kommentarspalten von anderen Blättern.



    Bei den Gebäuden genauso.

    • @fly:

      Das hat die Automobil und Immobilienbranche ebenfalls erkannt. Somit werden nur noch für Zahlungskräftige Kunden Produkte (Autos/Wohnungen/Häuser) hergestellt oder gebaut.



      Kleinwagen mit Euro7 bzw. E-Antrieb lohnt sich für die Autoindustrie nicht. Gleiches gilt auch für Sozialwohnungen. Für diese gibt es nur eine verbesserte Abschreibung für 10 Jahre soll aber zukünfitg unbegrenzt in der Sozialbindung bleiben.



      Kurzum lohnt sich nicht, so dass hier allein schon der Gesamtbestand sinken wird.

  • Liebe Frau Schwarz,



    im Gebäudesektor kann die Modernisierung ganz schnell zu 3 bis 5 € mehr Miete pro m^2 führen.



    Speziell der Umstieg von Öl auf Wärmepumpe im Altbau kann beim derzeitigen Strompreis zu noch höheren Nebenkosten führen.



    Bei 40 bis 50% Kohlestrom im Netz ist der Vorteil für die Umwelt äusserst überschaubar.

    • @Carsten S.:

      Die gleichen Menschen, die einem erzählen wollen, was beim Klimaschutz alles nicht funktioniert, wollen andererseits glauben, dass E-Fuels eine Option sind.

      Dabei bräuchten sie schon allein in den Bereichen, wo Stoffe mit hohen Energiedichten nicht substituierbar sind, 4.5 Mrd. Tonnen (schon richtig nicht Liter) E-Fuels. Allein das ist schon eine Herkulesaufgabe.

      Ziehen wir das bis hinunter zum Auto und der Beheizung von Gebäuden durch, brauchen wir die achtfache Menge an klimaneutralem Strom in praktisch allen Bereichen.

    • @Carsten S.:

      Zum Glück werden die erneuerbaren Energien ja stark ausgebaut, sodass perspektivisch Energie günstiger und sauberer wird und nicht alle Menschen leben im Altbau.

      Welche Vorschläge hätten Sie noch, um den CO2-Ausstoß im Gebäudesektor zu senken?

    • @Carsten S.:

      Freilich ist es billiger und bequemer, die kaputte Ölheizung durch eine neue Ölheizung ersetzt.



      Aber:



      Öl wird gewiss nicht billiger. Ganz gleich ob jetzt fossil oder später E-Fuel. Da brechen Mieter gewiss in Freudentränen aus wenn sie mit Porschefahrern konkurrieren dürfen....



      Wen man jetzt nicht investiert, hat man in ein paar Jahren eine Schrottimmobilie, für die man kaum noch Miete verlangen kann. Wenn sie überhaupt noch vermietet werden darf. Jetzt gibt's noch Förderung.

      Auch ich hoffe dass es noch Änderungen beim Mieterstrom gibt. Besonders mit Wärmepumpe/Wallboxen ist Volleinspeisung nicht so mega