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Klimaanpassung im Jahr 2125Wie Schattennetze und Wassersprüh-Drohnen vor Hitze schützen

In 100 Jahren ist es im Sommer so heiß, dass es draußen gefährlich ist. Unsere Kolumnistin bekommt Besuch von einem Zeitreisenden, der weiß, was hilft.

Aber in hundert Jahren wird es immer noch Eis geben, das in der Hitze schmelzen kann Foto: Marcel Lorenz/imago

F elix hat versprochen, mich auf ein Eis einzuladen, wenn ich mein stickiges Arbeitszimmer verlasse und mit ihm in die Stadt gehe. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Erst an der Theke fällt uns beiden auf, dass er ja gar kein Geld hat. Wenn er mich aus dem Jahr 2125 besuchen kommt, bringt er nie etwas mit. Meinen Vorschlag, mir stattdessen einen heißen Börsentipp ins Ohr zu flüstern, lehnt er entrüstet ab – trotzdem kaufe ich uns zwei Kugeln Eis. Der Tag ist einfach zu schön. Dass die 27 Grad im Schatten eigentlich nicht zu einem Nachmittag im Mai passen, verkneife ich mir zu sagen. Lieber will ich wissen, wie Felix’ Heimatstadt mit der Hitze umgeht.

„In ein paar Jahren wird es in den Städten so heiß, dass ein unbeschatteter Aufenthalt echt gefährlich werden kann“, sagt Felix, während er nachdenklich an seinem Eis leckt. „Manche Leute finden es schick, eine eigene Schattendrohne über sich mitzuführen, die sie bei Bedarf mit Wasser besprüht.“

„Wie eine schlecht gelaunte­Comicfigur?“

„Genau! Aber eigentlich reichen die über den Straßen aufgespannten Schattennetze. Ihre Fasern sind mit einer Mischung aus photovoltaisch aktiven und wasseraufnehmenden Stoffen beschichtet. So können die Netze tagsüber Strom produzieren und nachts Wasser aus der Luftfeuchtigkeit gewinnen.

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Außerdem gibt es öffentliche Kühlräume, in denen nichts konsumiert werden muss, in die sich die Leute zurückziehen können. Um die Erhitzung der Innenstadt weiter zu kontrollieren, mussten etwa 40 Prozent der Flächen bepflanzt werden. Die Bewässerung läuft über Kanäle, die man überall durch die Stadt gezogen hat, um den Boden zu kühlen.“

„Wie schön …“, seufze ich, während ich versuche, eine frühreife Wespe von meinem Eis fernzuhalten.

„Bei so vielen Pflanzen in der Stadt gibt es dann natürlich noch mehr Tiere.“

„In der Stadt? Haben wir dafür nicht Naturschutzgebiete?“

„Biodiversität nur im Naturschutzgebiet reicht nicht. Wir haben Alleen und Parks mit unterschiedlichen Mikroklimazonen, in denen verschiedene Pflanzen- und Tierarten leben. Je nach Jahreszeit werden mache Bereiche gesperrt, damit dort in Ruhe bestäubt oder genistet werden kann.“

„Beschweren sich die Leute nicht, wenn sie nicht mehr rein kommen?“

„Im Gegenteil. Die freuen sich über neuen Content in den städtischen FaunAccounts. Das sind Social-Media-Profile, auf denen Fotos und Videos heimischer Tiere gepostet werden, über deren Nist- oder Brutplätzen Kameras installiert sind oder die selbst gechippt und mit Kameras versehen wurden. So können die Leute die Tiere ihrer Heimat verfolgen, werden emotional involviert und engagieren sich mehr für deren Schutz. Für gesunde Populationen sorgen eRodents, mausgroße autonome Bots, die mit KI-gestützter Bilderkennung kranke oder verletzte Tiere behandeln. Je nach Bedarf verschießen sie Pfeile mit Medikamenten oder chemischem Contraceptivum, die sich danach auflösen.“

„Erstaunlich. Aber warum so viel Aufwand?“

Weil Menschen eben nicht losgelöst von ihrem Lebensraum existieren. Anstatt die Tier- und Pflanzenwelt immer weiter zurückzudrängen haben wir einen Weg gefunden, Zivilisation und Natur zu integrieren.“

„Klingt gut“, sage ich. „Aber wie bekommen wir diese Maßnahmen durch den Stadtrat?“

„Keine Sorge, das fügt sich. Immerhin ist die Sicherstellung des Überlebens der eigenen Bevölkerung eine kommunale Pflichtaufgabe.“

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11 Kommentare

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  • taz.de/Studie-der-Umwelthilfe/!6023996/

    Nähme man die Studie ernst, so würde sich die Wärmebilanz einer Stadt einfach durch Verwaltungsreformen verbessern lassen - so wie sie im Osten im großen Stil betrieben wurden. Man brauchte nur alle Dörfer im Umland eingemeinden, dann bekommt man eine Menge Grünland auf die städtische Flur und senkt ebenso die durchschnittliche Versiegelung. Gänzlich ohne einen einzigen Strauch pflanzen und irgendwo eine Industriebrache renaturieren zu müssen. Einfach nur festlegen, daß (bspw.) die Gemeinde Knautnaundorf nicht mehr selbstständig, sondern zu Leipzig zugehörig sei. Damals (1999) wohl nur eine Frage, wie sich der Schwund der städtischen Bevölkerung aufhalten lasse, ans Klima hat da noch keiner gedacht. Aber es ist ja auch egal, welche Statistik gerade nicht gefällt ...

  • Ein Anfang wäre schon mal das Verbot von Klimaanlagen.



    Hier werden die Behausungen der Wohlhabenden herunter gekühlt und die Abwärme bekommen die Armen zusätzlich zur Wärme ins Haus geliefert.



    Warum hier nur von Städlern geschrieben wird ist mir schleierhaft. Städte wie Berlin kann sich nicht mal selber finanzieren.

  • "Außerdem gibt es öffentliche Kühlräume, in denen nichts konsumiert werden muss"

    Science-Fiction schön und gut, aber auch da wünsche ich mir ein Mindestmaß an Realismus.

  • 🍨🍨 Sie haben mal wieder meinen Tag gerettet! Dafür gebe ich Ihnen beiden noch ein Eis aus!

  • In den von uns so gerne bespöttelten Ländern südlich von uns ist das Problem schon seit langer Zeit angegangen worden.



    Gegenseitige Verschattung von Häusern, Überkragende Dächer, Markisen, Dachgärten.



    Dazu noch Asphalt zu Spielwiese, Parkplatz zu Park-Platz, was auch aus ökonomischen und ökologischen Gründen geboten ist.

    Und nie vergessen: CO2 jetzt nicht in die Atmosphäre jagen. Es ist einfach teuer, Braunkohle zu verpusten, auf Jahrhunderte hinaus. Uns rettet kein höh'res Wesen, vermutlich. Müssen wir schon selber tun.

    • @Janix:

      Zitat: "Es ist einfach teuer, Braunkohle zu verpusten, auf Jahrhunderte hinaus."

      Das macht aber nichts. Man hatte ja gedacht, daß die Braunkohle deshalb vom Markt verschwände und sich auch Gas alsbald nicht mehr rechne. Aber der Verbraucher kann nicht zu dem Preis einkaufen, der für den günstigsten Anbieter noch gut auskömmlich wäre. Also ist es egal, was die Erzeugung der Kilowattstunde kostet. Wer verkauft, kriegt seine Kosten immer gedeckt.

      • @dtx:

        Dass wir eine Marktkonstruktion haben, die den Monopolpreis im Oligopol nachstellt, ist ein Thema.



        Meins war eher, dass die Folgekosten bei Fossilen im Jetzt noch so gar nicht eingepreist sind! Der Kostenunterschied müsste deutlich höher liegen, und damit wären Steinkohle und Braunkohle rascher draußen, auch in diesem System.



        Braunkohle frisst Landschaft, Humus, ist CO2-ineffektiv. Das lässt mensch am besten im Boden und pfeift auf die Lobby-Brosamen der Großgräber.

  • Also entweder Börse oder schöne neue Welt, beides gleichzeitig wird nicht funktionieren, mal abgesehen vom ganzen Energie- und Material Aufwand für all die Schattennetze und Sprinklerdrohnen.



    Ansonsten gibt's einen Daumen hoch für die Grünflächen, wobei es auch Konzepte dafür im vertikalen Bereich an den Gebäuden selbst gibt.

  • „Keine Sorge, das fügt sich. Immerhin ist die Sicherstellung des Überlebens der eigenen Bevölkerung eine kommunale Pflichtaufgabe.“

    Übertrieben optimistische Annahme, dass das in der Zukunft so gesehen werden wird.



    Der Artikel ist ja nicht ernst gemeint (denke ich). Aber es ist schon etwas sehr utopisch optimistisch anzunehmen, dass man dann "in der Zukunft" plötzlich das Wohl der Allgemeinheit im Auge hat und all diese Maßnahmen ergreift.



    Realistischer ist wohl, dass auch und gerade in der Zukunft ein Krieg um knappe Ressourcen stattfindet und kein gemeinschaftliches Friede-Freude-Eierkuchen.



    Und nebenbei bemerkt glaube ich auch nicht, dass es 100 Jahre dauern wird, bis der Aufenthalt im Freien im Sommer tödlich sein wird.



    Hier nach werden solche Fälle schon ab ca. 2040 eintreten:



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    • @Jalella:

      Da braucht man nicht bis 2040 warten, das gibt es - entsprechende Disposition vorausgesetzt - auch bisher schon. Nicht gerechnet die Fälle, wo zwangsläufig vermiedener Aufenthalt im Freien konsequent die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindert und folglich Lebensmut und -willen älterer Menschen vernichtet. Sinken die Temperaturen erst nach Mitternacht in erträgliche Bereiche, fällt alles aus, was nur zu üblichen Öffnungs- und Tageszeiten erlebt werden kann. Der Effekt drückt nicht auf die Statistik, aber Klimatote sind auch das allemal.

  • Sekunde, ich muss kurz noch meine Wärmepumpe mit Kühlfunktion (genannt Klimaanlage) auf 22 Grad stellen, 21 Grad sind mir doch zu kühl. CO2-neutal versteht sich, da die Solarzellen gerade deutlichen Überschuss liefern. So, jetzt kann ich gut in meinem Konferenzbüro in Madrid weiterarbeiten. Madrid, haben die nicht heute schon das Klima, das wir in 100 Jahren haben werden? Ich glaube, ich mache in der Mittagspause einen Spaziergang durch den Stadtpark um zu sehen, wie man hier im Sommer mit der Hitze umgeht. Hier kennt man sich damit wohl sehr gut aus.