Klimaaktivist:innen in Italien: Haftstrafen für „Öko-Vandalen“
Die Sanktionen der rechtslastigen Regierung gegen Klimaaktivist:innen in Italien werden immer drakonischer. Manche werden wie Mafiosi behandelt.
Dabei existieren diese Tatbestände bereits im Strafrecht: Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren sowie Geldstrafen von 2.500 bis 15.000 Euro drohen danach laut Artikel 635 und 639 bei einer dauerhaften Beschädigung von öffentlichen Gebäuden, für die Verschmutzung sind sechs Monate bis drei Jahre Haft sowie Strafgelder zwischen 1.500 und 10.000 Euro vorgesehen. Das neue Gesetz legt nun Strafen für Verschmutzungen fest, wenn sie im Zuge einer Demonstration oder Protestaktion stattfinden.
„Ich bitte die Menschen darum, uns zuzuhören, bevor sie über uns urteilen“, sagt Fedora Favaretto ruhig. Die 26-jährige Klimaaktivistin wurde am 9. Dezember in Venedig festgenommen, als sie als Fotografin eine Aktion von Extinction Rebellion (XR) begleiten sollte, bei der der Canale Grande vorübergehend grün eingefärbt wurde. Doch Favaretto kommt nicht so weit. Sie wird noch im Wassertaxi auf dem Weg zur Aktion auf dem berühmtesten Kanal der Stadt von der Polizei aufgehalten.
Der Tag endet für Favaretto unschön: Ihr wird ein Ausreisebefehl ausgestellt, der ihr für bis zu vier Jahre verbietet, venezianischen Boden zu betreten. Derartige Anordnungen sind im italienischen Antimafia-Kodex für Personen vorgesehen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. „Ich war schockiert, ich habe doch nur Fotos gemacht. Das hätte ich nie erwartet“, sagt Favaretto.
Berufung gegen Ausreiseanordnung
Mit ihr im Vaporetto waren an jenem Tag Lotta Sarina und ihr Kontrabass. Die 21-Jährige macht mit Musik und Gesang auf den Klimawandel aufmerksam. An diesem Tag soll sie an der Rialto-Brücke singen. Die Aktivist:innen stehen getrennt voneinander im Wassertaxi, um nicht als Gruppe erkennbar zu sein. Als einige von ihnen den ungefährlichen Farbstoff Fluoreszin ins Wasser geben, beginnen Fahrgäste, sie zu beschimpfen, erzählt Sarina. Sie selbst sagt kein Wort, um sich nicht zu verraten. Wohl ist ihr dabei aber nicht: „Ich stand kurz davor, die Aktion für mich abzublasen.“
Als sie allein aus dem Boot aussteigt, muss sie sich erstmal sammeln. Sie sieht, wie die Aktion ihren Lauf nimmt, wie Passant:innen stehen bleiben, wieder beschimpfen einige die Aktivist:innen. Aus der Wut schöpft sie Kraft und beginnt zu singen, „My earth will go on“, in Anspielung auf die untergehende Titanic. „Die Stille, die sich plötzlich einstellte, war gewaltig“, erzählt Sarina. Auch sie wird an diesem Tag aufs Polizeipräsidium gebracht. Vor der Polizei hätten die Aktivist:innen keine Angst gehabt, sagt Sarina. Dafür hätten sich einige Mitstreiter:innen Sorgen um die Reaktion ihrer Eltern gemacht.
Gegen Sarina wird nun ermittelt. Das hält sie aber nicht davon ab, weiter zu demonstrieren. Kopfschüttelnd sagt sie: „Leider sieht es so aus, als ob wir erst Märtyrer schaffen müssten.“ Fedora Favaretto hat gegen die Ausreiseanordnung Berufung eingelegt und die XR-Gruppe in ihrer Heimat Padua, 40 Kilometer von Venedig entfernt, wieder ins Leben gerufen – in die Serenissima darf sie ja nun vorerst nicht mehr.
Wenn demnächst in Italien wieder Aktivist:innen Flüsse einfärben oder den Senat mit abwaschbarer Farbe beschmieren, erwarten sie nun drakonische Strafen. Viele fragen sich: Geht es Italiens Regierung um die öffentliche Ordnung – oder will sie mit aller Härte diejenigen zum Schweigen bringen, die sie an ihre Verantwortung erinnern?
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