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KlimaaktivismusNa, wo laufen sie denn?

Was den Klimaaktivismus unsichtbarer macht? Unser Autor tippt: Doppelmoral, wattige Politik und die Freude am spitzfindigen Sinnieren auf der Couch.

Wer die Klimabewegung vermisst, sollte einfach selbst auf die Straße gehen Foto: Hannes P. Albert/dpa

G ute Frage: „Wo ist sie denn hin, die Klima­bewegung?“, will die Radiomoderatorin von mir wissen, nachdem sie mich für ein Interview um 7.40 Uhr aus dem Tiefschlaf gerissen hat. Draußen verdorrt das Land, Donald Trump legt die Welt auf seinen Maga-Grill und für Friedrich Merz und Lars Klingbeil ist die Erhaltung der Schöpfung nur nebensächliches Klimagedöns. Und trotzdem sind die Straßen des Regierungsviertels nicht von überall angeklebten AktivistInnen blockiert. Wie kann das sein?

Es gibt ja gute Gründe dafür, dass die KlimaschützerInnen leiser sind als vor ein paar Jahren: Corona hat die „Fridays“ von der Straße vertrieben; die Klimabewegung von 2018/2019 war so erfolgreich (Green Deal der EU, deutsches Klimaschutzgesetz, Klima-Beschluss des Verfassungsgerichts, Olaf Scholz als „Klimakanzler“), dass viele dachten, das Problem sei gelöst.

Der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine, der Terror in Gaza, die Inflation, der Kampf gegen den wuchernden Rechtsextremismus auf der ganzen Welt – es gibt genug Themen, die die Klimakrise erst mal wieder nach hinten schubsen. Und außerdem ist am 23. Februar die Klimabewegung abgewählt worden. 11,6 Prozent für die einzige Partei, die ernsthaft staatliche und gesellschaftliche Gegenstrategien umzusetzen versucht, heißt eben auch: 88,4 Prozent der deutschen Wahlberechtigten ist ernsthafte Klimapolitik nicht wichtig.

Da kann man jetzt viel jammern. Oder hämische Leitartikel verfassen nach dem Motto „Die Menschheit ist einfach zu blöd, um sich zu retten“. Oder spitzfindig die Logik-Frage diskutieren, was eigentlich von einer Bewegung übrig bleibt, die sich nicht bewegt: das Nichts?

„Weiter-so!“ hat sich durchgesetzt

Wir könnten uns aber auch zusammenreißen und realistisch werden. Und sehen, wie hier David gegen Goliath steht: Ein paar hunderttausend SchülerInnen, die alle paar Monate auf die Straße gehen, gegen einen Staat und eine Wirtschaft, die auf „Weiter so!“ gepolt sind; ein paar NGOs, die zwar von rechten Medien als Influencer mit diabolischer Macht hochgejazzt werden, obwohl die Budgets der fünf großen deutschen Umweltverbände 2019 mit etwa 280 Millionen Euro gerade mal dem PR-Budget von Volkswagen entsprachen.

Oder eine Ex-Greenpeace-Chefin als erfolgreiche und hoch anerkannte Klimabeauftragte, die der Union als Beleg dafür gilt, wie in der Ampelregierung die NGOs die Macht übernommen haben – und dagegen jede Menge Funktionäre aus Bauernverbänden, Energiekonzernen, Media- und Finanzmärkten in der neuen Regierung, an deren Herkunft sich niemand stört.

Und an ihren wolkigen Versprechen erst recht nicht: Ja, wir stehen zu den Zielen des Pariser Abkommens, sagt die schwatz-rote Regierung. Aber wir sagen euch nicht, mit welchen Maßnahmen wir sie erreichen wollen. Oder wir setzen auf wolkige Technologien, die es noch nicht gibt oder die so teuer sind, dass es sie niemals in großem Stil geben wird: CO2-Abscheidung und -Lagerung, Wasserstoff für alle und alles, synthetische Kraftstoffe ohne Ende, Kernfusion (hahaha). Mit diesen Watte-Gebilden bauen wir schrägen Vögel dann Wolkenkuckucksheime gegen die klimapolitische Wohnungsnot.

Wer das sagt und ernsthafte Lösungen einfordert, ist bereits ein Aktivist. Denn die Frage: „Wo ist die Klimabewegung?“ zeigt auch gleich das Dilemma: Es ist die Frage von der Couch, die in der Zuschauer-Demokratie nach der Performance der WeltretterInnen fragt wie ein enttäuschter Helikoptervater: „Jetzt demonstriert doch mal für eure Zukunft, Kinder! Ich kann gerade nicht, muss noch das SUV umparken.“ Wer die Klimabewegung vermisst, sollte einfach selbst auf die Straße gehen. Ob er oder sie da geht, steht oder sich festklebt, ist zweitrangig. Wichtig ist: nicht allein zu bleiben.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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12 Kommentare

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  • "Wer das sagt und ernsthafte Lösungen einfordert, ist bereits ein Aktivist."



    Die "Klimabewegung" war gut darin, Forderungen aufzustellen. Weit weniger gut war sie darin, "ernsthafte Lösungen" aufzuzeigen, wie ihre hehren Ziele denn zu erreichen wären. Und noch weniger gut darin zu erklären, wie sie denn mit der Realität in Einklang zu bringen wären.



    BTW: "Wolkige Technologien, die es noch nicht gibt oder die so teuer sind, dass es sie niemals in großem Stil geben wird" sind nicht ein Privileg "eines Staates, der auf weiter-so gepolt ist". "Wasserstoff für alle und alles" z.B. gab es auch bei Habeck, und Akkuspeicher-Träumereien gibt es bei Ökolinks.



    Der Kampf gegen den Klimawandel wird nicht auf der Straße entschieden. Sondern dort, wo ernsthaft an Lösungen gearbeitet wird. Z.B. daran, wie wachsender PV-Anteil denn sinnvoll ins Stromnetz zu integrieren wäre [1].



    [1] www.smard.de/page/...article/444/216808

  • "Wir könnten uns aber auch zusammenreißen und realistisch werden." Warum den Wählern der Linken keinen ernsthaften Klimaschutz unterstellen? Dann wären es schon rund 20 % der Wähler, die ernsthaften Klimaschutz wollen. Und unter den Kleinstpartein sind sicher auch noch zahlreiche Wähler für ernsthaften Klimaschutz. Spange in der TAZ Redaktion die Grünen das Maß für Klimaschutz sind, kann man weiter schwarz malen.

  • Meiner Beobachtung nach hat gab es 2 gravierende Fehler:

    1- Während alle die FFF dufte fanden, und es einen breiten gesellschaftlichen Rückhalt gab ist durch die letzte Generation eine Logik von Klimaschützer gegen Arbeiter- und Mittelkasse entstanden (denn diese wurden ja blockiert und gegängelt). Stattdesen hätte man Villen, Nobelboutiqen und Yachtclubs attackieren sollen.



    2. Alle genannten Schwellen wurden gerissen. Das 2 Grad Ziel ist passe. Jetzt hilft nur noch Anpassung, Vermeidung ist aus meiner Sicht kaum noch realistisch.

  • Ein Fehler ist, die Klimabewegung auf die Kinder abzuschieben. Es würde sich schnell etwas bewegen, wenn norddeutsche Bauern mit Treckern mal die Dürre beklagen würden oder Logistiker den restlichen Rhein sperren, statt sich durchzuwursteln und auf Geldlösungen zu hoffen.



    Abgesehen davon würden positive Nachrichten nicht schaden. Was hat denn zb die hochgelobte Klimabeauftragte politisch erreicht?

  • Lieber Bernhard Pötter,

    bedauerlicherweise haben Sie in ihrem Kommentar einen gewaltigen Blindspot. Leider übersehen Sie die entscheidende Frage – die Systemfrage.

    Ist konsequenter Klimaschutz im Kapitalismus überhaupt möglich? Es zeigt sich nein. Es bräuchte eine Reduktion des Konsums und der Produktion auf das Notwendigste: viel weniger Autos (die geteilt werden), weniger Flüge (einmal in fünf Jahren?), weniger Wohnraum pro Kopf, langlebige reparierbare Produkte, sparsamster Umgang mit Energie bei gleichzeitigem Ausbau der Erneuerbaren.

    Das weltweit umgesetzt würde das Ende des Kapitalismus bedeuten, Millionen Arbeitslose, sinkende Steuereinnahmen, weniger Geld für Infrastruktur. Deutschland Kreditwürdigkeit würde schlagartig sinken – ein Staatsboykott und Zusammenbruch der Gesellschaft wäre vermutlich die Folge.

    Machbar ist nur der aktuelle langsame Klimaschutz, der die erneuerbaren Energien und Technologien da implementiert, wo sie günstiger sind. Das haben viele Menschen verstanden, resigniert und sich frustriert mit der 3° Erwärmung arrangiert.

    So ist uns die Idee positive Zukunft abhanden gekommen, und das führt zu der Frustration in der Gesellschaft…

    • @Paul Schuh:

      Haben Sie da bei sich persönlich schon angefangen? Ich kann diese Verschiebung auf den einzelnen nicht mehr ertragen. Wenn die reichsten 10% einfach weniger Privatjet, Yacht und Kreuzfahrten machen würden, wäre schon richtig was erreicht.



      Die Idee, dass nur jeder einzelne ein bisschen mehr fahrrad fahren muss ist total utopisch.

    • @Paul Schuh:

      Wenn wir 3° erreicht haben, wird sich niemand mehr damit arrangieren können ... nur die oberen Zehntausend, die munter und klimatisiert, weiter die Erde zugrunde richten ... bis sie einen Planeten gefunden haben, wo das zerstörerische Spiel von vorn losgeht.

  • Tja, ich sitze auf der Couch und meine Stadt planiert gerade Grünflächen für Parkplätze auf Wunsch der Anlieger.

  • "Es ist die Frage von der Couch, die in der Zuschauer-Demokratie nach der Performance der WeltretterInnen fragt "

    sehr gut formuliert!

    • @nutzer:

      Ja, oder: “ Wer die Klimabewegung vermisst, sollte einfach selbst auf die Straße gehen”

  • Tja, wo ist sie nur, die Klimabewegung?

    Viele dieser Menschen haben jetzt Jahre lang jede Minute ihrer Freizeit in diesen Kampf gesteckt, nebenher irgendwie versucht, Schule, Studium/Ausbildung und Arbeit hinzukriegen und sind dabei massiv über ihre eigenen Grenzen gegangen. Als "Dank" gabs Beleidigungen, Hass, krasse Polizeigewalt und juristische Repressionen, mal ganz davon abgesehen was es mit einem macht, wenn wunderschöne Orte vor den eigenen Augen dem Erdboden gleichgemacht werden (Hambi, Dannenröder Wald, Lützerath,...)

    Heißer Tipp: viele können einfach nicht mehr

    • @~Toni~:

      da sind die auch selber Schuld! Wenn Sie falsche Mittel für ihre Ziele genutzt haben