piwik no script img

Klage gegen CoronaregelnFerienwohnpark gegen Regierung

Der Besitzer einer Wohnanlage für Touristen setzt die Bundesregierung mit einer Klage unter Druck. Er will für Geimpfte und Genesene öffnen dürfen.

In Immenstaad am Bodensee befindet sich die derzeit geschlossene Wohnanlage für Touristen Foto: Westend61/imago

Freiburg taz | Die Bundesregierung soll ermöglichen, dass touristische Beherbungsbetriebe für Geimpfte und Genesene öffnen dürfen. Das will der Betreiber eines Ferienwohnparks am Bodensee mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin erreichen. Er setzt damit die Bundesregierung unter Druck, die gerade ihre Ausnahmeverordnung für Geimpftenrechte verhandelt.

Der Ferienwohnpark (FeWoPa) Immenstaad am Bodensee besteht aus rund 100 Häusern mit 160 Wohnungen für Selbstversorger:innen. Derzeit ist die Anlage geschlossen, denn der Bodenseekreis hat einen Inzidenzwert von 167, also deutlich über der Schwelle 100, ab der die Bundesnotbremse gilt. Normalerweise macht der FeWoPa sein Hauptgeschäft in der Zeit ab den Osterferien.

Der Betreiber der Anlage möchte seine Ferienhäuser deshalb wieder öffnen, und zwar nur für Geimpfte und Genesene. Es gebe keinen Grund mehr, Angebote für diese beiden Gruppen zu verbieten, da diese nach Feststellung des Robert-Koch-Instituts kaum noch infektiös sein können.

Die Bundesnotbremse lässt derzeit aber keine Ausnahmen zu, deshalb hat der FeWoPa-Anwalt Patrick Heinemann jetzt die Bundesregierung verklagt. Sie soll von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, per Verordnung solche Angebote für Geimpfte und Genesene zuzulassen. Das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Berlin soll die Bundesregierung dazu verpflichten. Dort ist es die erste derartige Klage.

Ein „faktisches Berufsverbot“?

Der Ferienwohnpark, eine GmbH, beruft sich auf das Grundrecht der Berufsfreiheit. Die derzeitige Schließung sei unverhältnismäßig und ein „faktisches Berufsverbot“. Die massiven Einnahmeverluste könnten auch später nicht aufgeholt werden, weil urlaubsbedürftige Geimpfte jetzt schon in die Schweiz oder nach Frankreich fahren könnten, wo die Hotels geöffnet seien. Auch in Österreich sei eine Öffnung zeitnah angekündigt, heißt es im Eilantrag, der am Wochenende eingereicht wurde und der taz vorliegt.

Tatsächlich plant die Bundesregierung auch eine Ausnahmeverordnung für Geimpfte. Sie soll am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden, der Bundestag soll am Donnerstag und der Bundesrat am Freitag zustimmen – wenn sich alle Beteiligten rechtzeitig einig werden.

Nach bisherigem Stand würde diese Verordnung dem FeWoPa aber nicht weiterhelfen. Denn Geimpfte dürften dann zwar nachts auf die Straße und sich auch wieder unbegrenzt mit anderen treffen. Es ist aber nicht vorgesehen, dass Hotels, Restaurants und Kultureinrichtungen speziell für Geimpfte geöffnet werden dürfen.

Anwalt Heinemann sieht das nicht ein: „Wenn sich Geimpfte bald wieder in beliebiger Zahl in Privatwohnungen treffen dürfen, warum dürfen sie sich dann nicht gemeinsam in einer Ferienwohnung aufhalten?“

Heinemann ist inzwischen Spezialist für die Rechte von Geimpften. Vor einigen Wochen hat er im ersten Geimpften-Prozess Deutschlands die Wiedereröffnung der Cafeteria des Seniorenzentrums Mühlehof bei Lörrach durchgesetzt. Wann das Verwaltungsgericht Berlin entscheidet, ist noch offen. Vermutlich wird es zunächst der Bundesregierung eine Frist zur Stellungnahme setzen.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich unterdessen gegen eine Öffnung von Hotels und Gastronomie für Geimpfte ausgesprochen. Dagegen plädierte Klaus Ernst (Linke) für eine sofortige Öffnung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Jeder der für sich aufmachen will, sorgt dafür das alle anderen länger warten dürfen.

    Es betrifft ja nicht nur die Geimpften. Schon die Genesenen (deutlich niedrigere Antikörper als Geimpfte, Mehrfach-Infektionen bei Genesenen sind belegt) können es weiterreichen.



    Selbst Geimpfte sind schon vereinzelt krank geworden - wenn auch nicht mehr so stark.

    Dann noch das Personal - in der Regel ungeimpft, muss eng zusammenarbeiten.

    Es kommt unweigerlich zu mehr Kontakten. Die Wahrscheinlichkeit für Infektionen steigt - also der R-Wert, der bestimmt wie sich die Inzidenzen entwickeln.

    R

    • @R R:

      Da fehlt doch etwas Text - Das Kleiner-Zeichen ist wohl verboten...

      R kleiner als 1, und die Zahlen sinken.



      R sehr viel kleiner als 1, und die Zahlen sinken schnell.

      Je mehr zu ist, desto schneller geht es runter (oder nicht hoch).

  • Ich verstehe nicht, warum das derzeit als "Geimpftenrechte" geframet wird.

    Wenn von jemandem Gefahr (für sich oder andere) ausgeht, dann muss er/sie halt mehr aufpassen.

    Ich muss als Fussgänger mich ja auch nicht anschnallen, bloss weil Autofahrer*innen das auch müssen.

    Klar, es bedarf eines Gesetzes, klar muss das auch mit Augenmass und Fingerspitzengefühl vor sich gehen und klar steht und fällt alles mit einer robusten wissenschaftlichen Untermauerung, dass Geimpfte sich deutlich seltener infizieren und dabei deutlich weniger ansteckend sind.

    Wenn das alles gegeben ist... warum nicht?

    Gleiches auch für Genesene und solche mit einem hinreichend aktuellen negativen Testergebnis. Wo sind da die Sonderrechte?