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Kennzeichnungspflicht für PolizistenFür Bürgernähe, gegen Polizeigewalt

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Polizisten können zum Tragen eines Namens- oder Nummernschilds verpflichtet werden.

Die Kennzeichnungspflicht verstößt nicht gegen die Grundrechte Foto: dpa/Marius Becker

Polizisten können verpflichtet werden, im Dienst ein Namensschild zu tragen. Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Erforderlich ist aber eine gesetzliche Regelung im jeweiligen Bundesland. Die meisten Länder mit Kennzeichnungspflicht müssen deshalb nachbessern.

In Brandenburg besteht die Kennzeichnungspflicht seit 2013. Wenn ein Polizist Uniform trägt, muss er dabei ein Namensschild anstecken. Bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei ist nur eine Kennzeichnung durch Buchstaben und Zahlen erforderlich, die eine nachträgliche Identifizierung erlaubt. Keine Kennzeichnung wird von Personenschützern und den Mitgliedern von Sondereinsatzkommandos verlangt.

Die Polizei-Kennzeichnung verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll die Polizei transparent und bürgernah wirken. Der einzelne Beamte soll in der Regel mit Namen ansprechbar sein. Zum anderen sollen Ermittlungen erleichtert werden, wenn Polizisten rechtswidriges Verhalten, zum Beispiel unnötiger Gewalteinsatz bei Demonstrationen, vorgeworfen wird.

Geklagt hatten eine Polizeihauptkommissarin und ein Polizeihauptmeister aus Brandenburg, die beide von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt werden. Sie wenden sich vor allem gegen die Pflicht zum Namensschild. „Wir haben beide Namen, die es in Brandenburg nur selten gibt“, sagten sie. Über eine einfache Google-Recherche lasse sich so herausfinden, in welchem Ort sie wohnen und in welchen Vereinen sie aktiv seien. Sie haben vor allem Sorge vor Nachstellungen von so genannten Reichsbürgern und den Mitgliedern krimineller Großfamilien. Die Kennzeichnungspflicht halten sie für einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Kennzeichnungspflicht legitim und verhältnismäßig

Das Bundesverwaltungsgericht lehnte nun die Klage der beiden PolizistInnen ab. Die Kennzeichnungspflicht verfolge legitime Ziele und sei verhältnismäßig. Allerdings stufte das Gericht die Kennzeichnungspflicht als Grundrechtseingriff ein, für den eine gesetzliche Regelung erforderlich ist. Dies gelte nicht nur für das Namensschild, sondern auch für die Nummern bei geschlossenen Einheiten.

Die Kennzeichnungspflicht sei auch verhältnismäßig, so das Gericht. In der Verhandlung sprach der Vorsitzende Richter Ulf Domgörgen zwei Mechanismen an, die die Kennzeichnungspflicht abmildern. Wenn Einsätze mit Namensschild brenzlig werden, dürfen Brandenburger Polizisten selbständig (also ohne Rücksprache mit Vorgesetzten) das Namensschild entfernen. Und bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten können Polizisten zum Selbstschutz immer wieder eine neue Nummer beantragen. „Dass die Polizisten hiervon bisher keinen Gebrauch machen, kann nicht dem Gesetz angelastet werden“, sagte Richter Domgörgen.

Das Leipziger Urteil hat bundesweite Bedeutung. Es stellt fest, dass Polizisten per Gesetz zur Transparenz verpflichtet werden können, dass dies also keine Verletzung der Grundrechte der Polizisten darstellt. Allerdings haben von neun Bundesländern, die bisher eine Kennzeichnung vorsehen, nur Brandenburg und Sachsen-Anhalt eine entsprechende gesetzliche Regelung. Die anderen sieben Bundesländer (Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen) haben die Polizisten nur durch Verwaltungsvorschriften ohne Parlamentsbeschluss verpflichtet. Das genügt offensichtlich nicht.

Die Länder, die bisher keine obligatorische Kennzeichnung haben, etwa Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, sind nun zwar nicht zur Einführung gezwungen. Allerdings wies Richter Domgörgen auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hin, die eine Einführung zumindest nahelegen.

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13 Kommentare

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  • Ich bin gegen Namensschilder an PolizistInnen. Da gibt es genügend Gestörte, die mit diesen Informationen auf Rachefeldzüge gehen würden oder auch die Familien bedrohen. Warum nicht man keine Kennzeichen oder Zahlen, wie bei einem Auto?

  • Ein schönes Beispiel dafür, dass sich die Polizei bzw. PolizeibeamtInnen an Datenschutz (“Recht auf informationelle Selbstbestimmung“) erinnern wenn es um die eigenen Belange geht; in Bezug auf den Datenschutz des polizeilichen Gegenüber, der einfachen BürgerInnen, ist man da seitens der Polizei weniger kritisch!

  • Ich nutze mal die Argumente der Polizei selbst und der unbescholtenen, gesetzestreuen Bürger:“Wer nichts zu verbergen hat, der kann sich auch kenntlich machen, oder hat er etwa etwas zu verbergen?“

  • "Wenn Einsätze mit Namensschild brenzlig werden, dürfen Brandenburger Polizisten selbständig (also ohne Rücksprache mit Vorgesetzten) das Namensschild entfernen."

    Man könnte davon ausgehen dass jeder Einsatz bei dem die Damen und Herren Ordnungs"hüter" gewalt einsetzen vorher drohten brenzlig zu werden.



    Hat der Vorsitzende "brenzlig" in Kontext definiert oder tut es das Gesetz/Auführungsvorschrift zum Gesetz?

    "Und bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten können Polizisten zum Selbstschutz immer wieder eine neue Nummer beantragen."

    Auch das ergibt keinen Sinn, so ist nicht über einzelne Einsätze hinweg verfolgbar ob einzelne Polizisten wiederholt zu Gewalttätern werden, noch hat der geneigte Demonstrant eine Möglichkeit sich von solchen "Mitbürgern in Uniform" entfernt zu halten.

    Zumal will mir nicht in den Schädel wieso Sondereinsatzkommandos ganz von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sein sollen, sie sind ja häufig die Speerspitze der Polizeien (falls eine Polizei so etwas überhaupt haben sollte) und somit die Bürger dem größten Gefahrenpotential ausgesetzt.



    Sie sind mithin wie die meisten ihrer Kollegen auf Demos sowieso immer vermummt.



    Eine Kennzeichnungspflicht die bei der Staatsanwaltschaft verwahrt würde - um Missbrauch innerhalb der Einheit vorzubeugen - erscheint also nicht geeignet ihre Einsatzfähigkeit noch Sicherheit außerhalb des Dienstes zu gefährden.

    Den Beiden Polizisten die geklagt haben möchte ich ja einerseits für die Klärung danken andererseits zeugt es von so einem problematischen Verständnis ihrer Selbst in ihrem Beruf, dass ich mich frage ob sie wirklich jederzeit bereit sind für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten - mithin auch unter Gefährdung ihrer Selbst.

    • @Pleb:

      Ich finde die Argumentation der beiden ehrlich gesagt sehr plausibel. Feindeslisten sind in den genannten Kreisen nichts ungewöhnliches und man darf sie wohl auch bei manchen linksextremen Gruppierungen vermuten. Öffentliche Denunziation ist auch bei manchen Antifas ein angewendetes Mittel, Listen von zivilen Polizeiautos gehören wohl eher zum Standard. Von daher würde mir die Nummer reichen. Die kann man auch gelegentlich wechseln, die Liste dahinter muss stimmen. Wenn jemand öfter auffällt merkt man das ja trotzdem. Aber auch hier wäre eine unabhängige eigene Verfolgungsbehörde wieder die beste Lösung.

      • @LeSti:

        Die Argumentation scheitert schon an der Wertung dessen was Priorität hat, nämlich dass sie im Endeffekt argumentiert haben dass die Belange des Dienstherrn hinter ihre publizierte private Tätigkeit im Verein sowie sonstige öffentliche digitale Identität zurückzutreten habe.



        Mithin, "Wenn ich ein Namenschild trage und jemand $Name + Polizist Brandenburg googlet, dann findet der mich ja gleich und kann mir nachstellen. Deswegen kann ich kein Namensschild tragen!"

        Andersherum ist es aber korrekt, wenn eine private Tätigkeit dazu führt dass Nachteile aufgrund ihres Beamtenverhältnisses entstehen könnten, müssen sie die private Tätigkeit beschränken.



        Das ist es, was meinem Kenntnisstand nach, die §§ 33, I Satz 3, 34 Satz 3 und sinngemäß Satz 4, i.V.m. (in diesem Fall) § 52 LBG Brandenburg vorschreiben.

        Das hätten die einzelnen Beamten wissen können deren Gewerkschaft aber auf jeden Fall.

  • Ich sehe das durchaus als zweischneidiges Schwert. Wir haben ja durchaus kriminelle Strukturen, die Polizisten zu Zielscheiben machen können.



    Nur haben wir eben auch ein erhebliches Problem mit Polizeigewalt. Die blaue (vormals grüne) Mauer schließt eben auch die Schultern mit den braunen Seilschaften innerhalb der Polizei.

    Nach meiner Ansicht sollte man da ausmisten. Die Kollegen wissen ganz genau, welche faulen Eier auf da im Nest liegen.

    Wir brauchen für Polizei, Militär und Justiz eine übergeordnete Aufsicht und wir müssen, um hier eine Handhabe zu haben auch prüfen, welche Positionen der Schlechtmenschen noch im demokratischen Spektrum liegen und welche außerhalb.

    Dreieinhalb Jahrzehnte nach dem Radikalenerlass stelle ich mir bisweilen die Frage, ob ich in einem Land leben möchte, in dem Björn Höcke an einer Schule Geschichte unterrichten darf.

    Die politische Kontinuität der CDU in der Regierung hat aus der Polizei eine politische Prügeltruppe gemacht.



    Daran hat sich seit Ohnesorg ja nichts geändert.

    Es lässt sich ja gar nicht zählen, wie viele Menschen verletzt und verprügelt wurden, allein um eine "Brückentechnologie" durchzusetzen, die die Energiemafia reich gemacht hat und uns mit zehntausend Jahren Müllversorgung zurück lässt.

    Und solange wir ansehen, wie Polizisten prügeln, solange müssen wir wenigstens sicher stellen, dass der Staatsanwalt weiß, wessen Verfahren er einstellt und stattdessen das Opfer bestraft.



    Ordnung muss schließlich sein. Das ist immer noch Deutschland, in dem Bernd Höcke vielleicht eine wichtige Person wird.

    • @Michael Garibaldi:

      "Das ist immer noch Deutschland, in dem Bernd Höcke vielleicht eine wichtige Person wird."



      Das tolle an Demokratie ist, dass die Unterdrückten selbst Ihre Unterdrücker bzw. die Henker "der Anderen" wählen können. ;/ Eine unschöne Vorstellung, sollte bspw. die AFD mit einer weiter nach rechts gerutschten CDU/CSU koalieren. Dann lägen die Herrschaftsmittel, der Staat und seine (hierarchischem) Behörden einschließlich des Gewaltmonopols noch umfangreicher in den Händen der Rechten/Nazis. In diesem Staat ist dies in der Vergangenheit bereits der Fall gewesen. Aktuell gibt es mehrere Staaten, in denen die Rechte/Nazis Bürger*innenrechte zurückbaut. Auch Trump wurde zum Präsidenten gewählt und mit ihm hat EINE Person gewaltige Macht über MILLIONEN von Menschen, wenn mensch die Reichweite der US-Politik mit einbezieht über MILLIARDEN von Menschen. Fatalerweise vertritt diese eine Person auch noch menschenverachtende Ideologien und eine klimaleugnerische Position ... Ach und, das sollte nicht unerwähnt bleiben, dann kann diese eine Person auch den "roten Knopf" drücken. ;)

      • @Uranus:

        "...sollte bspw. die AFD mit einer weiter nach rechts gerutschten CDU/CSU koalieren...."



        Bitte?



        Die AfD gibt es auch, weil die CDU eher nach links gerutscht ist.

        • @Stefan L.:

          Ich meine damit nicht theoretische Ursachen für die Entstehung der AFD sondern das Szenario, dass eine CDU, wäre sie von dessen rechten Flügel stärker dominiert, womöglich mit der AFD koalieren würde und wie also demokratische Wahlen reaktionäre Tendenzen verstärken können und sich in diesem Kontext das Vorhandensein von Machtkonzentration in Form des Staates fatal auswirkt. Warum es die AFD gibt, ist eine andere Frage.

  • Das wurde auch Zeit! Und die Cops, die darauf keine Lust haben, sollten einfach den Dienst quittieren... mit etwas Kreativität finden die sicher was neues. Jeder hat eine Chance, so sagt es doch das System, das die so eifrig verteidigen, oder? Also, ran an den Schreibtisch, Kündigung aufsetzen... hopp hopp!

  • "Namensschilder? Völlig ok. Habe jahrelang mit Namensschild Dienst gemacht.



    Was ich tue kann ich verantworten."

    Chef der Motorradgang - unlängst bei gelegentlicher Kaffee-Runde.



    (btw & Däh - "Könnte ja heute kein Polizist mehr werden - ...so mit - Mittlerer Reife."-;)

    So geht´s doch auch.