Kein Bafög für Halle-Überlebende: Auf Todesangst folgt Existenzangst
Eine Studentin wurde Opfer des Terroranschlags in Halle. Nun wurde ihr das Bafög gestrichen, weil sie nicht mehr arbeiten kann.
Und nun hat die Studentin der Jüdischen Theologie an der Universität Potsdam noch ein Problem. Das zuständige Studentenwerk strich der Polin laut ihres Anwalts bereits im Sommer 2020 das Bafög, gut 700 Euro monatlich – weil sie wegen ihrer Erkrankung momentan keiner Arbeit mehr nachgehen kann.
Als ausländische Studierende muss Maliszweska aber eine geringfügige Beschäftigung nachweisen, um die Förderung zu erhalten. Zuvor arbeitete sie als Babysitterin. Eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft verlor sie aufgrund der Coronapandemie.
Maliszweska selbst äußert sich zu ihrem Fall momentan nicht, aber ihr Rechtsanwalt Mark Lupschitz tut es. Und laut ihm hat das gestrichene Bafög existenzielle Folgen für die Mittzwanzigerin: Bleibt es dabei, müsse sie ihr Studium abbrechen und zurück nach Polen gehen.
Attest über Traumatisierung konnte Amt nicht umstimmen
Auch ein ärztliches Attest über ihre Traumatisierung habe das Bafög-Amt nicht umgestimmt, so Lupschitz. „Die Entscheidung fiel vielleicht am Gesetz entlang, aber am Menschen vorbei. So mit einer Anschlagsbetroffenen umzugehen, geht nicht.“
Das Studentenwerk Potsdam äußerte sich auf Nachfrage aufgrund des „Sozialdatenschutzes“ nicht. Eine Sprecherin teilte aber mit, man könne davon ausgehen, dass das Bafög-Amt „im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten immer versucht, das Bundesausbildungsförderungsgesetz zum Wohle der Studierenden anzuwenden“.
Deutlicher wird Brandenburgs Forschungsministerin Manja Schüle (SPD). „Das ist wirklich eine schlimme Geschichte, für die man sich nur entschuldigen kann“, erklärte sie öffentlich via Twitter. „Nach einigen Gesprächen bin ich aber sicher, dass es eine Lösung geben wird.“
Auch Anwalt Lupschitz bestätigt die Gespräche. Er sei „vorsichtig optimistisch“, dass es tatsächlich zu einer Lösung komme. Noch aber sei nichts fix. Für Lupschitz sollte der Fall Anlass sein, grundsätzlich zu prüfen, wie die Bafög-Ämter mit Härtefällen umgehen. „Es kann nicht sein, dass es hier keine Möglichkeiten für Härtefälle gibt, nicht einmal für Anschlagsbetroffene. Eventuell sollte das Gesetz hier überarbeitet werden.“
„Entscheidung am Menschen vorbei“
Druck kommt inzwischen auch aus der Politik. Nicole Gohlke, die hochschulpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, fordert in einem offenen Brief, Agata Maliszweska wieder ihr Bafög zu gewähren. Die Studentin sei wegen des Anschlags „vollkommen unverschuldet“ in ihre Notsituation geraten, die Ablehnung lasse „jegliche soziale Verantwortung vermissen“, heißt es darin.
Im Prozess zum Terroranschlag in Halle hatte Maliszweska als Zeugin ausgesagt. Mehrere andere Betroffene beklagten dort, dass sie von der Polizei oder Behörden rücksichtslos behandelt wurden. Der Betreiber des angegriffenen Kiezdöners berichtete von fehlenden staatlichen Hilfen für sein in Existenznot geratenes Geschäft.
Der Attentäter wurde Ende Dezember zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Er legte dagegen keine Revision ein. Die Verurteilung ist damit inzwischen rechtskräftig.
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