Kaufhäusern droht die Pleite: Angst vor Corona-öden Innenstädten

Neben Galeria Karstadt Kaufhof kämpfen 300.000 Geschäfte der Innenstädte ums Überleben. Was passiert nach der Krise?

Ein Mann geht mit Maske am Eingang der Filiale der Kaufhauskette Kaufhof in Essen vorbei.

Derzeit geschlossen: Filiale der Kaufhauskette Kaufhof in Essen in Zeiten der Corona-Pandemie Foto: Fabian Strauch/dpa

BERLIN taz | Die Coronavirus-Krise bedroht nicht nur den Einzelhandel, sondern auch das soziale Leben in den Innenstädten. Vielen Unternehmen im ohnehin durch Online-Händler wie Amazon oder Zalando in Bedrängnis geratenen stationären Einzelhandel droht wegen geschlossener Geschäfte das endgültige Aus. Deutschlands letzter Kaufhauskonzern kämpft ums Überleben: Galeria Karstadt Kaufhof beantragte am Mittwoch ein Insolvenz-Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung aufgrund „drohender Liquiditätsengpässe“. Zuvor hatte Galeria bereits alle Mietzahlungen gestoppt, ein Schritt, für den sich der florienden Sportartikelhersteller Adidas nach scharfem Gegenwind gerade erst entschuldigt hat.

Notbremse nicht nur bei Galeria. Die Lage im Handel sei dramatisch, aktuell seien bis zu 300.000 Standorte von Geschäftsschließungen bedroht, sagte Branchenverbandspräsident Josef Sanktjohanser. Die Bundesregierung müsse jetzt planen, „den Konsum nach der Corona-Krise mit zusätzlichen Hilfen anzukurbeln“.

Karstadt mit seinen 28.000 Mitarbeitern verkündete zwar, das Unternehmen wolle „auch in Zukunft einen entscheidenden Beitrag für den Fortbestand lebendiger Innenstädte in Deutschland leisten“. Sobald es möglich sei, wolle man die Geschäfte wieder öffnen. Aber Experten sind skeptisch, was die Zukunft für Geschäftskonzepte wie diese angeht.

„Trotz aller Überbrückungs- und Stützungsprogramme“ ist Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages besorgt, „dass nicht alle Einzelhändler diese Krise überstehen“. Wenn „die Leerstände von Ladengeschäften in den Innenstädten“ zunähmen, dann könne das „zu einem Abwärtstrend führen“. Die Folge seien weitere Leerstände und sinkende Kundenfrequenz. Auch das Thema der Mietzahlungen beschäftigt den Städtetag. Wichtig sei es, „dass möglichst alle Händler in den Innenstädten auch nach der Corona-Krise handlungsfähig sind“. Dafür brauche es „eine Verständigung auf tragfähige Lösungen zwischen Eigentümer und Mieter“.

„Ohne Einzelhandel kein Leben“

Steffen de Rudder lehrt Städtebau an der Bauhaus-Universität Weimar. Innenstädte, das ist für ihn „da, wo Gesellschaft stattfindet.“ Der Handel sei historisch gesehen immer ein Generator der Stadtentwicklung gewesen. „Wenn kein Handel da ist, dann sind Innenstädte tot, dann ist das Leben weg.“ Verödung der Innenstädte sei schon seit den 60er Jahren ein Thema. Durch Corona rechnet er jetzt aber mit einer „gigantischen Flurbereinigung.“ Fluktuation gehöre dazu. Was sich jetzt abspiele gleiche aber einer „Tragödie“.

Die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer Barbara Ettinger-Brinckmann betonte ebenfalls, wenn Innenstädte verödeten, ginge auch ein Teil des sozialen Lebens verloren. Sie beschreibt die Citys als den „Nukleus, der die Menschen zusammenbringt. Ein Ort des Flanierens, da wird man von anderen gesehen, da trifft man sich.“ Der Onlinehandel und jetzt zusätzlich die aktuelle Krise stelle eine Herausforderung dar, da müsse „der Handel sich etwas ausdenken.“ Laut de Rudder funktionieren Städte am besten, wenn sie funktional und sozial gemischt sind. Eine vielfältige Stadt vertrage auch Krisen besser. Gerade inhabergeführte Läden seien in der Nachbarschaft bekannt – das seien nicht nur Geschäftsbeziehungen, sondern auch soziale. Das merke man nun an den vielen Solidaritätsaktionen. Wichtig sei es, dass der kleinteilige Einzelhandel sich zusammentue. Beispielsweise durch einen gemeinsamen Onlinehandel, um gegen Amazon & Co zu bestehen.

Die Filialen der seit langem angeschlagenen Galeria Karstadt Kaufhof, die vielerorts das Herz der Innenstädte bilden, sind seit dem 18. März geschlossen. Laut eigenen Angaben verliert das Unternehmen dadurch wöchentlich 80 Millionen Euro Umsatz, bis Ende April wären das mehr als eine halbe Milliarde. Bereits in der vergangenen Woche wurden Staatshilfen beantragt, doch der Prozess sei „sehr bürokratisch“ und zeitaufwändig, sagte Karstadt-Finanzvorstand Miguel Müllenbach. „Auf eine Lösung können wir aber nicht noch weitere Wochen der Krise warten, sondern müssen jetzt handeln“. Galeria Karstadt Kaufhof schreibt seit langem rote Zahlen. Ende 2019 soll der Verlust aus den vergangenen vier Jahren bei 600 Millionen Euro gelegen haben.

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