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Katy Perry im WeltraumCO2-Schleuder mit Scheinemanzipation

Michaela Dudley
Kommentar von Michaela Dudley

Der jüngste Promi-Flug ins All wurde als Triumph der Frauenpower inszeniert – eine eklatante Verklärung angesichts des CO2-Ausstoßes.

Sechs Frauen für einen 93 Tonnen CO2-PR-Stunt Foto: UPI Photo/imago

D er jüngste Flug des Unternehmens Blue Origin ins All wirkte zunächst wie ein Triumph der Frauenpower. Denn die rein weibliche „Crew“ bestand aus Pop-Superstar Katy Perry, TV-Moderatorin Gayle King, der früheren Nasa-Raketenwissenschaftlerin Aisha Bowe, der Bioastronautikerin und Bürgerrechtsaktivistin Amanda Nguyen, der Filmproduzentin Kerianne Flynn und der Ex-Sportsreporterin Lauren Sánchez. Letztere ist übrigens die Verlobte des Blue Origin und Amazon Gründers Jeff Bezos.

Eine beeindruckende Konstellation: zwei Afroamerikanerinnen, eine davon mit karibischen Wurzeln, eine vietnamesisch-amerikanische Frau, eine Latina – allesamt Leistungsträgerinnen, die in ihren Feldern brillieren. Untermalt wurde die Exkursion durch Perry, die Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ anstimmte. Die prominent besetzte Reise an die 100 km entfernte Kármán-Linie und zurück wird als ein Zeichen für Diversity in der Raumfahrt gefeiert.

Doch die Verklärung des Ritts auf Bezos’ vibratorähnlichem Raumschiff zur feministischen Errungenschaft zeugt von geistiger Schwerelosigkeit. Sie ist vielmehr eine Verhöhnung echter Weltraumfliegerinnen wie Valentina Tereschkowa (Pionierflug 1963) und Sally Ride (Erstflug 1983), die ein strenges Training über Jahre hinweg absolvieren mussten. Demgegenüber werden bei Bezos’ Blue Origin die Pas­sa­gie­r:in­nen lediglich zwei Tage lang geschult.

Der elfminütige Suborbitalflug von Bezos’ New Shepard verursacht immerhin 93 Tonnen CO2, was circa 100 transatlantischen Hin- und Rückflügen entspricht. Denn auch wenn der wiederverwendbare Wasserstoffantrieb selbst klimaneutral ist, werden bei der Produktion des Treibstoffs für jeden neuen Flug 93 Tonnen CO2 ausgestoßen.

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Musk das sein? Auch wenn Elon hier ausnahmsweise mal keine Rolle spielte, offenbaren solche Tech-Bro-Inszenierungen eine eklatante Scheinheiligkeit: Multimilliardäre werden als Weltretter inszeniert, obwohl ihre Gigaprojekte Mutter Erde auch schaden. Der Fußabdruck, den sie hinterlassen, ist mit Sicherheit kein Fortschritt für den Feminismus.

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Michaela Dudley
Journalistin/Kabarettistin
Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, bezeichnet sich als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Kabarettistin, Filmschauspielerin, Keynote-Rednerin, Journalistin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr 2022 veröffentlichtes Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (2. Aufl. 2024), das als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus reüssiert, erklärt: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Word an, die Emanzipierung aber auch“. Ebenfalls 2022 erschien ihr Essay „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ in dem vom NS-Dokumentationszentrum München und Hirmer-Verlag herausgegebenen Buch TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950. Die LGBTQ-Aktivistin war auch Kolumnistin bei der „Siegessäule“ und Gastredakteurin beim „Tagesspiegel/Queerspiegel“. Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 als eine von 75 erlesenen Story-Teller:innen auf dem Paulsplatz mit einem symbolischen Klappstuhl ausgezeichnet. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Italienisch, Latein und Hebräisch. Zudem arbeitet sie mit dem Goethe-Institut zusammen. Gelobt wird sie überdies für ihren Auftritt im Spielfilm GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023). In der neo-dokumentarischen Berliner Satire spielt sie sich selbst, und zwar in einer von ihr geschriebenen Szene. Auf dem 37. Braunschweiger Filmfest diente sie als Jurymitglied der Sektion „Echt“ für queere Filme. Von 2018 bis 2022 war sie eine offizielle Übersetzerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für das Pressebüro und die Sektion Generation. 2019 agierte sie als Gastmoderatorin bei der Live-Übertragung von Berlin Pride (CSD) im RBB-Fernsehen. Regelmäßig erscheint sie in der „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF). Im Aufklärungsvideo HAB’ ICH WAS GEGEN (2023) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (44 Millionen Klicks) und in einem Beitrag für „ttt – titel, thesen, temperamente“ über das Selbstbestimmungsgesetz (110.00 Klicks in 24 Stunden) tritt sie auf. Als Impulsgeberin in puncto Diversity hielt sie Keynote-Reden bei der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB und im geschichtsträchtigen Schöneberger Rathaus. Oktober 2023 in der Arena Berlin moderierte sie für Funke-Medien eine brandaktuelle Diskussion über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Ihr Solo-Kabarettprogramm EINE EINGEFLEISCHT VEGANE DOMINA ZIEHT VOM LEDER ist eine „sado-maßlose“ Sozialsatire mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ihre diversen Auftrittsorte umfassen die Volksbühne, das SchwuZ, und die BKA (Berliner Kabarett-Anstalt.)
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9 Kommentare

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  • Werbestunt, der wieder Konsum mit Frauenpower bewusst verwechselt. Mit der Methode wurden schon Zigaretten verkauft.



    Ungleich verteilter Reichtum hat eine weitere ungute Seite aufgeblättert.

  • Das eigentliche Problem ist Bezos.

    Fällt mir irgendein Kapitalist ein, den ich noch weniger mag?

    Wird aber von linker Seite kaum kritisiert, vielleicht weil sie sich nicht trauen oder selbst zu den Couch-Potatoes gehören, die sich ehr- und würdelos ihre umwelt- und arbeitnehmerunfreundlichen Pakete ins Haus schicken lassen?

    Der Trip ins All ist völlig daneben, doch der Alltag von Online-Shopping hat ganz andere Dimensionen.

  • Elon Musk hat auch thematisch mit dieser Art von Flug nichts zu tun. SpaceX bietet keinen reinen Weltraumtourismus an und solche 10-Minuten-Hoppser an den Rand des Weltalls schon gar nicht.



    Auch auf den als "touristisch" gelabelten bisherigen Missionen von SpaceX wurden - in Abstimmung mit der NASA - immer wissenschaftliche Experimente durchgeführt.

  • Weltraumtourismus ist so dumm, daß eine Diskussion darüber reine Resourcenvergeudung ist.

  • Und wenn es dann in ein paar Jahren touristische Erdumdrundungen gibt, wird für jeden Fluggast ein Fangnetz für Weltraumschrott am Raumschiff aufgespannt. Da rein kommen dann die Souvenirs und der Orbit ist um ein halbes Dutzend Stück Weltschraumschrott gesäubert ;-)

  • Man könnte sich natürlich fragen, warum man mit dem Strom von Wind- und Sonnenkraftwerken - statt sie regelmäßig aus fadenscheinigen Gründen abzuschalten, weil man gerade nicht weiß, wohin mit dem vielen Strom - nicht einfach Wasserstoff erzeugt. So schwierig wäre das ja gar nicht, schließlich haben wir das in unserer Jugend sogar mit ganz normalen Batterien geschafft. Der Wirkungsgrad spielt dabei auch kaum eine Rolle.

    • @Aurego:

      Auch wenn der Wirkungsgrad nicht so toll ist - Stichwort Überspannung - ist das sicher möglich.



      Dann fangen aber schon die Probleme an: wie speichert man den Wasserstoff, wie komprimiert man ihn, wie verteilt man ihn - die ganze Infrastruktur ist noch gar nicht da. Der Aufbau lohnt sich vermutlich auch erst, wenn es dauerhaft grosse Stromüberschüsse gibt, die unverkäuflich sind.



      Dann kann man genauso gut Batteriespeicher aufstellen.



      Vielleicht hätte man die Überkapazitäten aus dem pöhsen Atomstrom nutzen können, um eine Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen. Hat man aber nicht, und die AKW sind jetzt auch weg - also fast, der Müll ist noch da.

    • @Aurego:

      Der Erzeuger muss irgendwie auch produziert werden, der Wasserstoff transportiert/gespeichert ...



      Knallgas können wir alle, aber Wasserstoff auch nur aufbewahren ist schon eine andere Nummer. Die anderen sind nicht einfach beschränkt, sondern da ist noch einiges nötig bzw. prüfen wir auch Batterien, Verbrauchsschwanker, ...

      - und wir können Wasserstoff ferner auch immer nur einmal einsetzen. Von manchen wird Wasserstoff nur als Argument eingesetzt, weil sie das klimanötige Ende der Kohlenstoffverbrennung fürchten. Trauerphase einleiten.

  • Frauenpower? Ich habe in meinem Leben einige Frauen kennengelernt, die über unterschiedlichste „Strahlkräfte“ verfügten, für einen Raketenantrieb hätte es aber nie gereicht.

    Aber es scheint immer noch auszureichen, vermeintlich Role Models für „emanzipierten und tolle Weiber“ auflaufen zu lassen, um Schlagzeilen zu kriegen. Ob positive oder negative ist dabei letztendlich egal. In diesem Fall ist nur wichtig, dass eine solvente Kundschaft erfährt: Man kann sich einen Trip ins All kaufen.