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Kassel demonstriert gegen rechtsKein Vorbeikommen

Gewerkschaften, Linke und die CDU: In Kassel demonstriert am Samstag ein breites Bündnis gegen Nazis. Die haben Mühe, zusammenzufinden.

Es sind viele: Demonstrant*innen gegen rechts in Kassel Foto: dpa

Kassel taz | „No pasaràn“, sie kommen nicht durch. Die Parole der Linken aus dem Spanischen Bürgerkrieg hatte das Kasseler „Bündnis gegen Rechts“ als Motto für diesen Tag gewählt. Ausgerechnet am 20. Juli, dem Jahrestag des gescheiterten Putsches gegen Hitler, und ausgerechnet in Kassel, dort, wo Halit Yozgat vom rechtsterroristischen NSU ermordet war und nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke ein Rechtsextremist der Hauptverdächtige ist, wollte die neonazistische Minipartei „die Rechte“ gegen angebliche „Medienhetze und Vorverurteilung“ demonstrieren.

Am Ende dieses denkwürdigen Tages hatten mehr als zehntausend DemonstrantInnen ein Zeichen gesetzt. Mit drei Stunden Verspätung hatten sich auf die andere Seite der Fulda schließlich gerade mal 120 rechte Aktivisten auf den Weg machen können, begleitet von Trillerpfeifen und „Nazis Raus!“-Rufen. Sie waren nicht durchgekommen.

Allerdings räumte auch einer der Organisatoren des Gegenprotests, der linke Landtagsabgeordnete Torsten Felstehausen, ein: „Ein lächerlicher Haufen hat eine ganze Stadt in Geiselhaft genommen.“ Dass es aber gelungen war, die Rechten aus der Innenstadt zu verdrängen, nannte er gegenüber der taz einen „Riesenerfolg“.

Bei dem Versuch, die Demo der Rechten zu verbieten, war die Stadt Kassel vor den Verwaltungsgerichten gescheitert. Doch das Bündnis hatte vorgesorgt. Für zwei Dutzend Plätze in der Stadt hatten insgesamt 122 Organisationen Kundgebungen und Veranstaltungen angemeldet. Grund genug für die Behörde, Christian Worch, den Organisator, und seine rechten GesinnungsgenossInnen auf einen Platz vor dem ehemaligen Gefängnisses jenseits der Fulda zu verbannen.

Erst sind es nur fünf Nazis

Schon eine Stunde vor dem offiziellen Starttermin hatten sich vor dem Hauptbahnhof mehr als tausend DemonstrantInnen eingefunden. Es wehten rote und grüne Fahnen, aber auch die von Gewerkschaften und der CDU. An der Bahnhofsfassade grüßte ein Großplakat des taz-Karikaturisten Tom. „Nazis zu Pflugscharen“ konnte man da lesen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Timon Gremmels war mit dem Fahrrad gekommen. Aus Sicherheitsgründen fuhren weder Busse noch Bahnen in der weiträumig abgesperrten Innenstadt. „Kassel, du siehst gut aus, nicht braun, sondern bunt!“, rief die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch von der Bühne.

Unter den DemonstrantInnen der Bischof der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck, Martin Hein. Als „empörend und eine Verhöhnung der Opfer und deren Angehörigen“ bezeichnete er gegenüber der taz die Wahl der Rechten für Termin und Ort. Bis zum Mittag hatte sich die Kasseler Innenstadt in ein großes Open-Air-Festival verwandelt. Auf Plätzen und Straßen wurde diskutiert, musiziert und gefeiert. „No pasaràn“ – sie waren nicht durchgekommen.

Die Nazis wünschen sich Volksgerichtshöfe

Am Unterneustädter Kirchplatz auf der anderen Seite der Fulda ein anderes Bild. Eine Stunde lang waren Organisator Christian Worch, seit 40 Jahren in der Neonaziszene aktiv, und vier seiner GesinnungsgenossInnen unter sich. Mit Verspätung traf ein Bus aus Nordrhein-Westfalen ein. An Bord 80 Menschen, viele Glatzen und auch der vielfotografierte Hitlerdarsteller aus Holland, der stets mit Hitlerfrisur und -bärtchen posiert. Eine Stunde dauerte es, bis 40 weitere SympathisantInnen angekommen waren.

Die Zwischenzeit nutzte Worch für Interviews. Er habe keinen Grund, Erklärungen zum Mord an Lübcke abzugeben, sagte er und: „Wir sind nach Kassel gekommen, weil es zentral liegt.“ Dass Lübcke aus politischen Motiven ermordet wurde, sei keineswegs bewiesen, schließlich sei der Tatverdächtige Stephan Ernst ein Borderliner, und das sei eine ernste Erkrankung.

Worchs Parteivorsitzender, Sascha Kolzig, ging weiter. Ironisch begrüßte er „Kameraden und Kameramänner“ und die „Pressehetzer mit ihren Maulkorbfantasien“. Sie hätten den Lübcke-Mord instrumentalisiert, um „den nationalen Widerstand bis hin zur AfD zu diskreditieren“, sagte er. Gewalt als Mittel der Politik lehne „die Rechte“ ab, versicherte er den „Kameraden“, versprach ihnen allerdings, am Ende würden „Volksgerichtshöfe“ mit den GegnerInnen abrechnen. Diese Worte klangen in der Tat bedrohlich. Die überschaubare Demonstration war es nicht.

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