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Karneval als sexuelle AusschweifungDie Orgie der 20 Millionen

Karneval ist eine Perversion, bei der ein ganzes Bundesland zum Swinger-Club wird. Warum unternimmt niemand etwas dagegen? Ein Brief an Onkel Ömer.

Zügellosigkeit im nasskalten Almanya: ein Alptraum für Onkel Ömer Foto: dpa | Oliver Berg

M ein lieber Onkel Ömer, wie geht es Dir und wie geht es meiner lieben Tante Ülkü? Wie geht’s der hübschen Kuh Pembe, wie geht’s der schwarz gepunkteten Ziege Fatima und wie geht’s unserem guten, alten Dorfvorsteher Hüsnü?

Lieber Onkel Ömer, was ein Swingerklub ist, das weißt Du ja. Jetzt versuch Dir mal vorzustellen, dass eine ganze Provinz – sagen wir mal so groß wie NRW – sagen wir mal, es ist NRW –, dass sich ein ganzes Bundesland an bestimmten Tagen im Jahr in einen einzigen kollektiven Swingerklub verwandelt!

Es fängt immer ziemlich harmlos damit an, dass erwachsene Leute, die sich wie Clowns in einem billigen Kinderzirkus angezogen haben, mit einem Lkw-Konvoi ganz langsam durch die Innenstadt fahren und den Kindern auf der Straße Bonbons an den Kopf werfen. Tagsüber bewerfen sie die Kinder mit ungenießbaren Bonbons, abends klettern diese besoffenen Clowns auf die Bühne und werfen diesmal den Erwachsenen anzügliche und unglaublich alberne Kindergedichte an den Kopf.

Damit sie nicht erkannt werden, tragen alle Menschen komische Masken. So kann man sie später nicht identifizieren, wenn sie es in Hauseingängen oder im Kneipenklo treiben und kotzen, oder auch umgekehrt, kotzen und dann treiben. Viele von denen sind sogar durch jahrelange Übung in der Lage, beides gleichzeitig zu tun, ohne dabei das Bierglas abzustellen.

Lieber Onkel Ömer, Du schimpfst jetzt bestimmt, warum der deutsche Staat so eine Geschmacklosigkeit nicht bestraft

Lieber Onkel Ömer, Du schimpfst jetzt bestimmt, warum der deutsche Staat so eine unglaubliche Geschmacklosigkeit nicht bestraft. Das geht nicht. Die Deutschen sterben doch langsam aus, weil sie keine Kinder mehr zeugen.

Aber in der Karnevalszeit machen die völlig betrunkenen deutschen Männer endlich wieder Kinder, weil sie hoffen, dass sie diese ebenfalls sturzbesoffenen Frauen nie im Leben wiedersehen und falls doch, dass sie nicht erkannt werden, weil der Mann ja eine Angela-Merkel-Maske und die Frau eine Donald-Trampel-Maske trug.

Die Hälfte der Bevölkerung, der das Ganze total peinlich ist, flüchtet panisch aus dem Land. Das ist auch der Grund, warum sich mitten im Februar Tausende Deutsche in Antalya bibbernd ins eiskalte Mittelmeer stürzen.

Also, Onkel Ömer, wenn bei einer Orgie bis zu 20 Menschen mitmachen, nennt man das einen Swingerklub und so was ist sehr verpönt. Wenn daran aber bis zu 20 Millionen Menschen teilnehmen, dann nennt man es Karneval und so was wird tagelang live im Fernsehen übertragen!

Um diese zügellose Perversion direkt an Ort und Stelle der Sünde wissenschaftlich zu studieren, fahre ich seit fünf Jahren zusammen mit meinem Freund Nedim dorthin. Aber ich trage überhaupt keine Maske mehr, weil mich vorletztes Jahr jemand vor dem Kölner Dom fragte:

„Jung, watt häss denn Do för ne komische Masge op däm Kopp?“ Dabei hatte ich meine Markus-Söder-Maske im Auto vergessen!

Lieber Onkel Ömer, pass gut auf Dich auf, bleib gesund, iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass bei Euch im Dorf ständig die Kühe, die Ziegen, die Köter – aber niemals die Narren los sind!

Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem nasskalten Almanya.

Osman

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9 Kommentare

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  • Sexuelle Ausschweifungen oder



    sexuelle Befreiung - auf den Blickwinkel



    kommt es an. Ja, in D geht alles drunter und drüber, keine Ordnung, schon gar keine „Göttliche“

  • Oh, Osman - der Maskenmann und die Wissenschaft für Onkel Ömer...



    Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich sagen wollte

  • Der Text hat leider auch nur das Humor-Niveau vom Deutschen Karneval.

    • 6G
      605870 (Profil gelöscht)
      @Karla Columna:

      Ach, kommen Sie! Ist vielleicht keine Glanzleistung, aber witziger als 99% der Karnevalsreden isser allemal.

      • @605870 (Profil gelöscht):

        Nö. Höre aber auch keine Karnevalsreden, wenn es nicht sein muss.

  • „Jung, watt häss denn Do för ne komische Masge op däm Kopp?“

    Na immerhin bist du nicht mit einer aufgetakelten Fregattenflotte von Anno Leipzig-Einundleipzig kollidiert, die voll "Likörchen" lauthals grölend "Wir lieben / Das Leben / Die Liebe und DIE LUẞT" anfingen dich ungebeten zu begrabschen.

    Nur die Tüpen sind noch schlimmer.

    Es gibt ein Buch "Köln für Immis"; es half mir, als ich mal dort wohnen musste, dieses Brauchtum zu verstehen: der rheinische Katholik verbringt 51 Wochen im Jahr in einem Zustand der emotionalen und psychischen Repression, und in der einen restlichen Woche lässt er dann alles raus, und glüht zwecks besserer Sublimation seiner Reprimiertheit dabei tüchtig vor, nach, und dazwischen.

    Das sind halt archaischen Bräuche von primitiven Anhängern eines ephebophilen Todeskults, die man Menschen aus Kulturnationen wie der, die das Wissen der Antike vor dem Papsttum rettete, nur schwer vermitteln kann. Also so etwas wie die verstörende Angewohnheit der Foré, sich durch den Verzehr der Hirne ihrer verstorbenen Familienmitglieder mit der gefürchteten und unheilbar tödlichen "Lachkrankheit" zu infizieren.



    Nur dass die Foré der medizinischen Evidenz durchaus zugänglich sind, wenn man sie ihnen in ihren eigenen Begrifflichkeiten erklärt, und die Kuru-Infektionen in neuster Zeit deutlich zurückgegangen sind. Wohingegen der rheinische Katholik nur mit stereotypen Phrasen antwortet wie "Drink doch ene mit - stell disch nit esu aan", "Isch kann nit treü sin, leev in de Dachrinn" oder "Do fängt et an zo schneie, medden im Aujust".

    Was fehlt? "Das Fest des Huhnes", aber als Expedition nach Helauia und Alaafistan.



    Enjoy: www.youtube.com/watch?v=3SIUybd9K7g

  • Wie jedes Volksfest hat der Karneval natürlich seine Schattenseiten.



    Im Gegensatz zu ähnlich großen Volksfesten, wie z.B. dem Oktoberfest, ist es eine mittelalterliche Tradition gegen die Obrigkeit.



    Für einige Tage im Jahr durften die Geknechteten auch schon vor Jahrhunderten die Welt auf den Kopf stellen und "die Regierung" übernehmen.



    So werden den Jecken ja auch heute noch die Schlüssel diverser Städte feierlich überreicht.



    Kann übrigens sein, dass Vorfahren von Onkel Ömer ähnliches erlebt haben, denn schon vor Jahrtausenden haben die Römer ähnliche Traditionen gepflegt.



    Im Gegensatz zu anderen Volksfesten ist Karneval offen für Alle.



    Es kostet keinen Eintritt und es gibt für Alle kostenlos



    " Kamelle" .



    Der integrative Charakter des Karnevals wird deutlich betont, das ist auch wörtlich zu nehmen, Karnevalshits beschreiben klar Integration " su simmer All he hin jekumme, mir sprechen hück, All dieselbe Sproch - mir han dadurch su vill jewunne, mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing, das is jet wo mer stolz drup sin".



    Stolz ist ja ein sehr zwiespältiges Gefühl, doch für Integration lasse ich ihn mal gelten.



    Schon klar, dass Außenstehende z.B. aus Berlin, hier kulturelle Anpassungsschwierigkeiten haben.



    Das ist für Ali, der hier in das Thema hineinwächst, deutlich einfacher. ( Ist übrigens ein Beispiel, Ali lebt!)



    Bei der letzten großen Demo gegen Rechts, in Bonn,



    sprach auch ein Vertreter des Karnevals sehr deutlich für dieses Fest der Offenheit und die Abgrenzung zu rechtspopulistischen Entwicklungen in Deutschland.



    Nebenbei erwähnt ist die queere Community im Karneval schon lange vertreten, bevor es derartige Begriffe überhaupt gab.



    Den FernsehzuschauerInnen wird wahrscheinlich nicht direkt deutlich, dass Karneval antimilitaristisch ist.



    Die vielen "Soldaten" erinnern an die Besetzung des Rheinlandes und den gewaltlosen Widerstand.



    Wer als BesucherIn nur Sex im Kopf hat, stolpert eventuell, denn auch hier gibt es klare Ansagen: " it's a dress, not a yes"!

    • @Philippo1000:

      Die beschränkten Kenntnisse über den



      Karneval zeigen sich schon damit, dass dieser i.w. Im Rheinland verortet wird.



      Dabei gab es ihn schon zu DDR-Zeiten auch im Osten Deutschlands, vielleicht nicht so exzessiv.

  • Daumen hoch für diesen Text!