Kanzlerrede zur Haushaltskrise: Just say sorry, Olaf
Der Kanzler hat eine selbstgefällige Rede zur Haushaltsmisere gehalten. Empathie oder gar ein Hauch von Selbstkritik? Fehlanzeige.
N ein, eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede hat der Bundeskanzler nicht gehalten. War auch nicht zu erwarten, dazu ist er zu sehr Olaf Scholz. Aber etwas mehr als die nüchterne Aufzählung bekannter Tatsachen, etwas mehr Empathie für die breite Verunsicherung im Land und eine Spur von Reue hätte man von seiner Regierungserklärung zur gegenwärtigen verkorksten Haushaltslage schon erwarten können.
Oppositionschef Friedrich Merz nannte Scholz einen Klempner der Macht. Das trifft nicht ganz zu. Klempner sind sehr gefragt, Scholz eher nicht, seine Umfragewerte sind auf einem Tiefpunkt. Der Kanzler verpasste am Dienstag die Gelegenheit, den Trend umzukehren. Ein „Sorry, ich habe die Lage falsch eingeschätzt“ hätte ihm geholfen. Als die Bundesregierung auf dem Höhepunkt der Coronakrise einen Oster-Lockdown verhängen wollte und damit eine Welle der Empörung auslöste, nahm Angela Merkel diese „Osterruhe“ selbst zurück und entschuldigte sich nachträglich dafür: Es sei einzig und allein ihr Fehler gewesen.
Bei Olaf Scholz, der die hanebüchene Umgehung der Schuldenbremse als Finanzminister einst veranlasst hatte, vermisst man diese Größe. Man habe im Grund alles richtig gemacht, so seine Kernaussage. Hätte man gewusst, wie die Richter:innen urteilen, hätte man es anders gemacht. Hätte, hätte, Richterkette. Dabei gab es Warnungen, dass es verfassungswidrig sein könnte, Notkredite als Puffer für anderes zu verwenden.
Es stimmt, nicht die Ampel hat damit begonnen, im Schatten der Schuldenbremse immer neue Schattenhaushalte einzuführen. Allein unter Merkels Ägide sind 15 solcher „Sondertöpfe“ geschaffen worden, wie FDP-Fraktionschef Christian Dürr anmerkte. Und ja, man kann auch Zweifel an der Absolutheit des Urteils haben. Hatte nicht dasselbe Verfassungsgericht erst vor zwei Jahren den Staat zum Klimaschutz verpflichtet?
Karlsruhe hat die Schuldenbremse nicht erfunden
Eine Andeutung, wie diese zwei Verfassungsgüter – der Klimaschutz, die nötige Milliardeninvestitionen in eine treibhausgasneutrale Gesellschaft einerseits und die Haushaltsdisziplin andererseits – in Einklang zu bringen sind, wäre hilfreich gewesen. Andererseits hat das Verfassungsgericht auch nicht die Schuldenbremse erfunden, sondern wacht lediglich über deren Einhaltung. Verantwortlich dafür, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz steht, sind Union und SPD.
Es wäre schön gewesen zu erfahren, wie der Bundeskanzler mit dieser juristischen Zwangslage nun politisch umzugehen gedenkt. Doch auch dazu äußerte er sich nicht. Das schürt neue Verunsicherung. Aber für eine Entschuldigung ist es ja nie zu spät.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko