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Kampf um AKW SaporischschjaNur eine Leitung vom GAU entfernt

Im AKW Saporischschja ist der Strom zeitweise ausgefallen. In der Ukraine glaubt man, Russland wolle das Werk ans eigene Netz anschließen.

Vasyl Davydov (links) hat schon in Tschernobyl aufgeräumt. Jetzt wohnt er gegenüber Saporischschja Foto: Bulent Kilic/afp

Kiew taz | In dem Städtchen Enerhodar, Standort von Europas größtem Atomkraftwerk, steigt die Angst vor einem Atomunfall. Bereits vor zehn Tagen wandten sich die Mit­ar­bei­te­r:in­nen des AKW auf dessen Telegram-Kanal in einem eindringlichen Appell an die Weltöffentlichkeit.

„Immer größer wird unsere Furcht um die Zukunft, das Leben von Familien, Verwandten und Angehörigen und das Schicksal unserer Kinder“, heißt es darin. „In den vergangenen fünf Monaten wurden zahlreiche Normen, Grundsätze und Sicherheitsvorschriften im Umgang mit dem friedlichen Atom verletzt. Und in den letzten zwei Wochen ist das Kernkraftwerk tatsächlich das Ziel ununterbrochener militärischer Angriffe geworden. Die Artillerieangriffe wurden von Mal zu Mal stärker und gefährlicher, die Gefahr der Zerstörung kritischer nuklearer Sicherheitseinrichtungen wird immer wahrscheinlicher.“

„Denken Sie an die Zukunft unserer Erde, an die Zukunft unserer und Ihrer Kinder! Unser Planet ist so klein, dass es sinnlos ist zu glauben, man könne sich vor den Folgen einer massiven nuklearen Katastrophe verstecken“, so Ver­tre­te­r:in­nen der über Zehntausend AKW-Mit­ar­bei­te­nden.

Seit diesem Aufruf vom 18. August hat sich die Lage weiter verschärft. Am 25. August waren zum ersten Mal in der 42-jährigen Geschichte des AKW alle sechs Reaktoren vom Netz. So konnte das AKW nicht einmal den für den eigenen Betrieb erforderlichen Strom produzieren. Grund für die Abschaltungen waren der komplette Abbruch des Kontakts von AKW und ukrainischem Stromnetz. Erst einen Tag später konnte eine Leitung wieder notdürftig repariert werden. In Friedenszeiten ist das AKW über vier Leitungen mit dem ukrainischen Stromnetz verknüpft. Seit dem 26. August gibt es nur noch eine einzige Leitung. Eine wacklige Angelegenheit.

Auch abgeschaltete AKW brauchen Strom

Zwar besteht keine Gefahr, dass Geschosse im umkämpften AKW die Reaktorkerne treffen könnten. Die Betonhüllen schützen sogar vor Flugzeugen. Doch Atomkraftwerke brauchen, auch wenn sie abgeschaltet sind, Strom. Ohne Strom werden die Brennelemente nicht gekühlt. Eine fehlende Kühlung könnte auch bei den abgebrannten Brennstäben, die auf dem Gelände des AKW Saporischschja lagern, zu unkontrollierten Reaktionen führen.

Das AKW Saporischschja ist das einzige ukrainische AKW, das Atommüll und abgebrannte Brennstäbe direkt auf dem AKW-Territorium lagert. Fällt die derzeit einzige Stromleitung aus, ist man ganz auf die werkseigenen Diesel-Generatoren angewiesen. Und die laufen unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 3 und 20 Tage. Sollten diese ausfallen, droht ein weiteres Fukushima.

Regelmäßig wird das Gelände von beiden Seiten beschossen. Da auf diesem Munition und Waffen lagern, sind Brände nicht auszuschließen. Ungelöst ist auch die Frage, wer bei einem Brand löschen würde. Die ukrainische Feuerwehr, die russische Feuerwehr oder einfach niemand.

Kritisch ist es auch um den menschlichen Faktor bestellt. Würde im Friedensfall ein Mitarbeiter sichtlich verwirrt zur Arbeit erscheinen, würde sofort der werkseigene psychologische Dienst einschreiten. Jetzt hingegen kann man davon ausgehen, dass alle Mit­ar­bei­te­r:i­nnen traumatisiert zur Arbeit kommen. Sie arbeiten unter sehr hohem Druck, es gibt Berichte von Misshandlungen. Die „Östliche Menschenrechtsgruppe“ berichtet von großem, auch physischem Druck, auf Mitarbeiter angesichts des bevorstehenden Besuchs der IAEA.

Vermintes Gelände

Da die russische Armee auf dem Gelände auch Personen festhalten und foltern soll, fordern Menschenrechtsaktivist:innen, dass auch Angehörige des Roten Kreuzes und des UN-Menschenrechtskommissariats Teil der IAEA-Delegation sein sollten. Insgesamt ist die Bewegungsfreiheit der AKW-Mitarbeiter:innen auf dem mit Waffen und Minen gespickten Gelände eingeschränkt. Viele Sicherheitskontrollen können nicht wie vorgeschrieben umgesetzt werden.

Angesichts der Gefahr einer Katastrophe überlegen Verantwortliche, wie die Bevölkerung geschützt werden kann. Die Krankenhäuser in der Region Saporischschja verfügten über 120 Prozent der notwendigen Medikamente, die bei einem Unfall im AKW erforderlich seien, zitiert die Nachrichtenagentur Ukrinform den Gouverneur des Gebietes Saporischschja, Oleksandr Staruch. Er warnte jedoch vor einer prophylaktischen Einnahme von Jod. Dieses solle man nur nach Aufforderung der Behörden einnehmen.

In der Ukraine vermutet man, dass Russland die Stromleitungen, die zum AKW führten, bewusst zerstört habe, um es an das russische Netz anzuschließen. Russland habe offensichtlich im Juli die Entscheidung getroffen, das Kernkraftwerk in sein Energiesystem einzubinden, zitiert das Portal rbc.ua Vadym Skibitsky von der Aufklärungsabteilung des ­ukrainischen Verteidigungsministeriums. „Wenn wir das Kernkraftwerk Saporischschja verlieren, werden Dutzende von Städten ohne Strom dastehen.

Die Wasserversorgung wird unterbrochen werden, mit anderen Worten, es besteht die Gefahr eines Stromausfalls in der gesamten Region“, fürchtet Oleg Popenko, ein Experte für Energiemärkte gegenüber strana.news.

Im Winter wird die Situation drastisch schlechter

Zunächst einmal, so Jurij Koroltschuk vom Institut für strategische Forschungen gegenüber strana.news, könne das ukrai­nische Energiesystem ohne das AKW Saporischschja auskommen. „Aber im Winter wird sich die Situation drastisch verschlechtern. Vor allem, wenn weitere Blöcke zeitweise ausfallen sollten“. Und dann werde man auch nicht, wie geplant, Strom nach Europa exportieren können.

Der Gewinn des AKW beträgt nach Meinung des in Saporischschja tätigen Journalisten Michail Schuster 10 Milliarden Euro jährlich, vorausgesetzt, alle Reaktoren laufen und der Preis entspreche dem auf dem Weltmarkt.

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21 Kommentare

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  • Bernhard Clasen , Autor des Artikels, Journalist

    CNN zitiert einen „senior US miliary official“ so:

    “there’s probably a likelihood” the Ukrainians have also fired in the vicinity of the plant.

    “In a number of cases, it’s returning fire of the Russians who are firing from those locations,” said the official."

    edition.cnn.com/eu...6cf41c7f75443fc7d5

    In Le Monde schliesst Emmanuel Grynszpan nicht aus, dass auch die Ukraine auf das AKW schiesst:

    www.lemonde.fr/int..._6139139_3210.html

  • Bernhard Clasen , Autor des Artikels, Journalist

    Russland hat ein Atomkraftwerk angegriffen und damit in eklatanter Weise internationales Recht verletzt. Russland hat auf dem Gelände des AKW Truppen und Waffen stationiert, mißbraucht das AKW als Schutzschild für seine Angriffe auf die ukrainische Bevölkerung. Gleichwohl gibt es auch Hinweise darauf, dass auch die ukrainische Armee das AKW beschießt.

    In einem Video zeigt die ukrainische Armee , wie sie sich „filigran an den Positionen der russischen Okkupanten unweit des AKW abgearbeitet hat.“ Die Einschüsse der Ukrainer dürften so 500 Meter von den Reaktoren entfernt sein:

    gur.gov.ua/content...aporizkoi-aes.html

    Michajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten, sagt, dass sie alles Recht haben, jede Waffe zur Befreiung ihres Territoriums einzusetzen.

    Михайло Подоляк on Twitter

    “Let me remind you the basics...Crimea is NOT a part of Russia, same as Donetsk or Kherson. ZNPP is not 🇷🇺 facility, but a 🇺🇦 nuclear power plant. RF — an invader and a murderer that started the war. Ukraine has all the rights to liberate its territories, using any kind of weapon.”



    twitter.com

    twitter.com/Podoly...558815865113612290

    Präsident Selenskyj sagte am 26. August, dass der Beschuss des AKW erst aufhört, wenn dort keine russischen Truppen mehr sind. Sprich: wir schießen da nicht mehr rein, wenn da keine Russen mehr sind.

    That is why it is so important that the IAEA mission arrives at the plant as soon as possible and helps keep the NPP under continuous control of Ukraine. That is why it is so important that Russian troops withdraw from the plant and neighboring areas and that the threat of shelling of the plant itself or power lines connected to it disappears.

    www.president.gov....o-v-nih-nemaye-773

    • @Bernhard Clasen:

      Das entsprechende Zitat in dem LeMond article lautet:



      Les Russes veulent clairement déconnecter la centrale du réseau ukrainien, et il est probable qu’ils tirent au mortier pour démolir les lignes de haute tension à proximité de la centrale. Cela ne veut pas dire que j’exclue totalement que les Ukrainiens tirent aussi sur des cibles militaires russes à proximité de la centrale. Ils l’ont déjà fait au moins une fois avec un drone kamikaze qui a frappé très précisément un groupe de soldats russes basés à l’intérieur de la centrale.



      Die Russen haben ein Interesse und aus ihrer Sicht nachvollziebare Gründe für einen Beschuss, weil sie die vom AKW abgehenden Hochspannungsleitungen kappen wollen (ohne dabei als Täter dazustehen). Einen Beschuss von militärischen Zielen in der Nähe des AKW durch die Ukrainer schließt Herr Grynzspan nicht völlig aus und verweist auf den Drohnenangriff vom Juli.



      So wie "proximite" Nähe bedeutet, bedeutet "vicinity" Umgebung, Nachbarschaft. Ein Beispiel für das beschriebene "returning fire" gab es vor einigen Tagen, da haben die Ukrainer russische Artilleriestellungen am Dnepr-Ufer bei Energodar beschossen, etwa 7-8 km östlich des Reaktors.



      Bitte aus solchen völlig legitimen Aktionen, die das ukrainische Militär regelmäßig durchführt, keinen einen Beschuss "auf das AKW" machen. Das tun die zitierten Quellen nämlich auch nicht.

      • @Barbara Falk:

        O-Ton: Bernhard Clasen:



        "Die Einschüsse der Ukrainer dürften so 500 Meter von den Reaktoren entfernt sein" Komische Reflexion, daraus "keinen Beschuss auf das AKW" machen zu sollen.

    • @Bernhard Clasen:

      Danke @Bernhard Clasen für ihre Erläuterungen.



      Das von Ihnen verlinkte Video zeigt den von mir erwähnten Drohnenangriff vom 21. Juli.



      Auf dem Video sieht man



      -Die Mannschaftszelte



      -den Einschlag (keine "Einschläge")



      -Soldaten laufen aus den Zelten raus



      -die Feuerwehr löscht die brennenden Zelte



      -die verbrannten Zelte



      Das eingesetzte System war laut Ukrainern eine polnische Warmate Drohne:



      www.wbgroup.pl/en/...tering-munnitions/



      500 m von den Reaktorblöcken könnte hinkommen.Sie beziehen sich also, wie von mir vermutet, auf den einzigen bekannten, von den Ukrainern selbst veröffentlichten Fall ihrer Waffenanwendung auf dem AKW-Gelände. Ob darauf fußend Aussagen wie "Die Ukrainer haben das AKW beschossen" oder "auch die Ukrainer beschießen das AKW regelmäßig" gerechtfertigt sind, oder unzulässige Verallgemeinerungen, kann jetzt jeder selbst entscheiden.



      Um das zu verdeutlichen: Die Russen erheben u.a. ja den Vorwurf, die Ukrainer würden (vom nördlichen Dnepr-Ufer aus quer über den See) mit der von den USA gelieferten 155mm-Artillerie (HIMARS) die Blöcke selbst beschießen. Erst gestern haben sie Fotos veröffentlicht, die Löcher im Dach eines Gebäudes zeigen, bei dem es sich um das Lager für neue, unbenutzte Brennelemente handeln soll, und haben erklärt, diese Löcher seien durch ukrainischen Beschuss mit dieser Artillerie entstanden.



      Wenn das @Herrn Clasen oder irgend jemandem plausibel erscheint - bitte erläutern, warum.



      Zu den Zitaten von Podolyak und Selensky. Die als Belege herzunehmen, dass beide selbst den regelmäßigen Beschuss des AKW "gestanden" hätten, finde ich schon arg schräg. IMO ist Herrn Clasens Interpretation dieser Zitate sehr gewollt, um nicht zu sagen abwegig und sinnentstellend.

  • "Regelmäßig wird das Gelände von beiden Seiten beschossen."



    Von Herrn Clasen kam ja in der Bericherstattung schon mehrfach der Satz "Die Ukrainer haben zugegeben, dass sie das AKW einmal beschossen haben". Und jetzt wird daraus, auch "die Ukrainer beschießen das Gelände REGELMÄßIG"? Belege, die über die Behaupungen der russischen Seite hinausgehen, sind IMO erforderlich, wenn man sowas im Indikativ schreibt.



    Und zu dem Satz: "Die Ukrainer haben zugegeben, dass sie das AKW einmal beschossen haben" wäre auch für die Einordnung dieses Vorfalls wichtig, ihn genauer zu schildern, was nicht schwierig ist, da sowohl die Russen als auch die Ukrainer selbst davon berichtet und die Ukrainer zudem Drohnenaufnahmen davon veröffentlicht haben.



    Als um den 20. Juli herum die Russen begonnen haben, das AKW militärisch zu besetzten, mit Artillerie etc. und ca. 500 dort fest stationierten Soldaten, haben die Ukrainer mit einer Kamikazedrohne ein auf dem AKW-Gelände aufgestelltes Messezelt in Brand gesetzt. Dabei kamen zwei oder drei Soldaten ums Leben, mehrere wurden verletzt und zwei Jeeps brannten aus. Ob das klug war oder nicht, darüber kann man gern geteilter Meinung sein. Immerhin war der Effekt, dass die Russen ihre völkerrechtswidrige Besetzung, welche sie bis dahin in Abrede gestellt hatten, selbst zugeben mussten, als sie sich wegen dieses Vorfalls lautstark bei der IAEA bzw. der UNO beschwert haben. Es geht also um einen Sprengsatz vom Kaliber einer Handgranate, der irgendwann Ende Juli auf ein Kantinenzelt geworfen wurde. Falls sich Herrn Clasens Satz auf einen anderen Vorfall bezieht, wäre es schön, wenn er das erläutern würde.

  • Russland hält das Ufer mit dem Atomkraftwerk besetzt. Also wird es von der Ukraine beschossen. Zum Glück darf die IAEA jetzt kontrollieren.

    • @Kappert Joachim:

      "Zum Glück darf die IAEA jetzt kontrollieren."



      Und wie sollen sie das kontrollieren? Das sind schließlich keine Militärexperten, die haben überhaupt nicht die Fähigkeit, die Frage zu klären, wer von wo mit was auf das AKW schießt, und haben dafür auch gar kein Mandat.

  • "Regelmäßig wird das Gelände von beiden Seiten beschossen."

    Das AKW liegt direkt an der Front und ist russisch besetzt. Aus dem "Schutz" des AKW heraus beschießt russisches Militär auf der gegenüberliegenden Seite des Dnjepr gelegene Städte und Wohngebiete. Soweit so absolut übel, verbrecherisch und verwerflich.

    Wer aber beschießt in dieser Situation das AKW-Gelände? Beide Seiten oder nur die Ukraine? Glaubt die TAZ ernsthaft, dass die Russen sich selbst beschießen?

    • @stadtlandmensch:

      Die Russen müssen nur kleine Explosionen auf dem AKW vornehmen.Und das ist kein Problem für die russischen Einheiten,die dort stationiert sind.

    • @stadtlandmensch:

      "Glaubt die TAZ ernsthaft, dass die Russen sich selbst beschießen?"



      Dass die Ukraine das AKW beschießt und neben den Gebietsverlusten durch die Invasion riskiert große Teile des Landes durch radioaktive Verseuchung zu verlieren ist auch nicht gerade plausibel. Immerhin hat man dort schon einmal die Erfahrung eines Super-GAUs gemacht.

  • Unzumutbar diese Berichterstattung. Als ob sich die Russischen Besatzer des AKW selbst beschießen. Seltsamerweise spielen hier die Berichte der Geheimdienste keine Rolle. Die wissen doch sonst alles.



    Wann werdet ihr bei der taz mehr auf valide und sorgfältige Berichterstattung Wert legen?

  • Noch eine Frage: Warum konstruiert man Atomkraftwerke nicht so, dass mit der Restwärme Strom für die Kühlung erzeugt wird? Irgendwie ist das doch absurd: Man hat eine Wärmequelle, die sich ohne Kühlung immer mehr aufheizt, und man hat ein Wärmekraftwerk, das im Normalbetrieb mit Hilfe der im Reaktor erzeugten Wärme Strom erzeugt, aber man kann dieses nicht nutzen.



    Und: Müssen AKWs nicht so ausgelegt sein, dass sie eine Schnellabschaltung in Folge eines kompletten Lastabwurfs verkraften? Das müsste doch zu den Risiken gehören, auf die AKWs ausgelegt sind.

    • @Francesco:

      Die Wärme entsteht so langsam, dass man daraus keinen Strom gewinnen kann. Aber die Wärme entsteht pausenlos und ohne Unterlass so dass sich der Kern ohne Kühlung langsam aber sicher bis zur Schmelze aufheizt.

      In Fukushima sind zwischen dem Stromausfall und den Explosionen ja auch einige Tage vergangen.

      Eine Schnellabschaltung bewirkt lediglich, dass die abgegebenen Leistung auf ca. 10% der Nennleistung abfällt.

      Mehr abschalten geht halt nicht weil man radioaktive Stahlung nicht aussschalten kann.

    • @Francesco:

      "Warum konstruiert man Atomkraftwerke nicht so, dass mit der Restwärme Strom für die Kühlung erzeugt wird?"



      Wie wollen sie mit einem heruntergefahrenem Reaktor Strom erzeugen um eben diesen zu kühlen?



      "Müssen AKWs nicht so ausgelegt sein, dass sie eine Schnellabschaltung in Folge eines kompletten Lastabwurfs verkraften?"



      AKWs sind ja so ausgelegt, dass im Notfall eine RESA möglich ist, dennoch ist es eben so, dass die Kräfte und Drücke die dort wirken enorm sind und es physikalische Grenzen gibt.

    • @Francesco:

      Um einen Brennstab oder eine ganze Batallion an Brennstäben zu kühlen muss mehr Energie reingesteckt werden, als die thermische Leistung der Nachzerfallswärme. Daher wird einfach Wasser benutzt, welcher nicht nur als Moderator (Neutronenabbremsung) dient sondern auch in einem ständigen Kreislauf auf eine bestimmte Temperatur gehalten wird. Das verbraucht weit weniger Energie.

      Es gibt solche Notsysteme, in denen ein Brennstab für eine kurze Zeit über Notkühlsysteme seiner eigenen Energie "kalt" bleibt. Aber es dauert nicht lang, bis diese auch wieder heiß werden. In Daichi sind diese Systeme sogar recht schnell ausgefallen.

      Und Schnellabschaltungen können z.B. durch Steuerstäbe erzielt werden, welche die Kettenreaktion komplett unterbindet. Radioaktiv und heiß bleiben die Brennstäbe natürlich ohne Kühlung trotzdem. Man kann jedoch einen GAU oder das Schmelzen der Brennstäbe hinauszögern und die Bevölkerung schonmal evakuieren.

  • Laut Wikipedia gibt es auf dem Gelände des AKW noch ein Kohlekraftwerk. Läuft denn dieses? Kann dieses das AKW mit dem für die Kühlung nötigen Strom versorgen?

    Was mir immer noch unklar ist: Ist denn das Stromnetz der von Russland besetzten Gebiete der Ukraine mit dem der freien Unkraine verbunden? Oder mit dem Russlands? Gibt es ein grenzüberschreitendes Stromnetz?

    • @Francesco:

      Wenn das Wärmekraftwerk mit dem AKW verbunden ist und ein Notkühlsystem (von denen es mehrere gibt) existiert, dann sollte es möglich sein.

  • Die Bedrohung durch diesen Wahnsinn hat im buchstäblichen Sinne das Potential auf NATO-Territorium auszustrahlen. Deshalb sollte man Putin ein Ultimatum stellen entweder sofort für die Sicherheit der Reaktoren zu sorgen oder andernfalls eben Truppen zu entsenden die es übernehmen.

  • Wer „Tschernobyl“ erlebt hat, weiß um die Gefahren, die – auch für Europa – von dem AKW Saporischschja ausgehen kann. Putin spielt gezielt mit diesem Feuer; und die Ukraine wirkt ganz gezielt das AKW Saporischschja ansprechend, auch nicht wirklich vernünftig. Vielmehr erscheint es so, als wollten beide Seiten mit diesem „Feuer“ ihre jeweiligen Interessen verfolgen, mit unter Umständen Millionen von potentialen Strahlenopfern als Pfand.



    Wenn ein Staat sich nicht (von Lösegeldforderungen zum Freikauf von Entführten) erpressen lässt, so ist dies eine Sache.



    Doch ist dies auch angesichts einer potentiellen Bedrohungslage, wie sie vom AKW Saporischschja und den anderen im Kriegsgebiet liegenden AKWs ausgehen, ein gangbarer und ein vernünftiger Weg?



    Gangbar, ja. Aber „vernünftig“?



    Und kann die Weltgemeinschaft unter einer solchen AKW-Bedrohungslage die Dinge wie bekannt seiend „weiterlaufen lassen“?



    Natürlich will dies niemand und kein Staat.



    Doch die diesbezügliche Hilflosigkeit der Staatengemeinschaft ist schon atemberaubend.



    Schön zu wissen, dass die AKW-Kuppeln auch einem Flugzeugabsturz Stand halten. Doch halten sie auch einen Beschuss mit bunkerbrechenden Waffen aus? Wohl nicht!



    Und wie soll welches Bündnis reagieren, wenn einer der Meiler explodiert, und sich beide Seiten die Schuld dafür geben? Mit dem Einsatz von Atombomben?



    Folglich kann die Weltgemeinschaft diese Bedrohungslage nicht „weiterlaufen lassen“, was beinhaltet, dass auch der Ukraine auf allen Kanälen klargemacht werden muss, dass es nicht allein um die Befreiung von den Russen gehen kann, sondern wir „Anderen“ auch noch eigene legitime (Überlebens-)Interessen verfolgen dürfen! Selbst wenn dies um den Preis geschehen muss, dass die Ukraine ggf. nicht die Krim zurückerobern kann.

    😉

  • Die ukrainische Regierung muss sich langsam mal entscheiden. Beschießt Russland das AKW, oder will Russland das AKW ans eigene Netz anschließen? Beides zusammen ergibt keinen Sinn.