Kernkraftwerk Saporischschja in Ukraine: Atomenergiebehörde erreicht AKW

Die IAEA-Delegation ist am umkämpften ukrainischen AKW Saporischschja angekommen. Ihre Arbeit wird von Beschuss und Propaganda begleitet.

Hoher Besuch, hohe Erwartungen: Das IAEA-Team soll rausfinden, was los ist im AKW Saporischschja Foto: Itar-Tass/imago

KIEW taz | Langsam und von einem Polizeiwagen mit Blaulicht angeführt, schlängelt sich die Kolonne von neun weißen Pkws mit der Aufschrift UN durch die Stadt Enerhodar und hält vor Reaktor eins des AKW Saporischschja an. Mit im Konvoi: olivgrüne Lkws mit großem „Z“ an einer Wagenseite.

Die Bilder belegen: Die Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ist vor dem russisch besetzten AKW angekommen. Inzwischen bestätigen das auch offizielle ukrainische und russische Quellen. Der Delegation gehören Experten aus Polen, Litauen, China, Frankreich und anderen Ländern an. Staatsbürger Russlands und der USA sind nicht unter ihnen.

Die Fahrt von Saporischschja in das 110 Kilometer entfernte AKW dauerte länger als erwartet. Immer wieder musste die Gruppe wegen Schüssen und Einschlägen in hörbarer Nähe die Fahrt unterbrechen.

Tags zuvor hatten die russischen Besatzungsbehörden verlauten lassen, dass man der Delegation keine Sonderrechte gewähren werde, sie müsse sich wie alle anderen Besucher auf eine gewisse Wartezeit einstellen. Der russische Hinweis, die Delegation hätte es einfacher haben können, wäre sie über russisches Territorium angereist, ließ den Verdacht aufkommen, dass Russland die Entscheidung der IAEA, über Kiew anzureisen, nicht schmeckte.

Schuldzuweisung von beiden Seiten

Die Ukraine beschuldigt Russland, hinter den Beschüssen, teilweise aus Hubschraubern, zu stehen. „Russland ist für alles, was im AKW Saporischschja und in Enerhodar passiert, verantwortlich“, twitterte der Chef des Präsidialamtes, Andriy Yermak, am Vormittag.

In der Folge eines russischen Beschusses mit Mörsern sei um 4.57 Uhr Block fünf per Notabschaltung heruntergefahren worden, berichtet die Betreiberfirma des AKW, Energoatom. Damit ist das AKW erneut nur über eine statt über vier Leitungen mit dem Stromnetz verbunden.

Russlands Militär behauptet unterdes, man habe am frühen Donnerstagmorgen den Anschlag einer ukrainischen Sabotagegruppe vereitelt. Die Gruppe sei mit sieben Booten am Kachowka-Stausee angelandet, ihr Ziel sei es gewesen, das Kraftwerk anzugreifen.

Unter starkem Druck: IAEA-Delegationschef Grossi Foto: Anna Voitenko/reuters

Über den Inhalt des Programmes der IAEA-Delegation ist nichts bekannt. Deren Leiter, Rafael Grossi, erklärte, dass die Mitglieder der Mission beabsichtigen, mit dem Personal zu sprechen, einen Bericht über den Besuch zu verfassen und eine ständige Vertretung einzurichten.

Hilfloses Rotes Kreuz

Nach Angaben von Jewhen Balizki, dem Leiter der provisorischen Regionalverwaltung der russischen Besatzer, werden die Experten die beiden in Betrieb befindlichen Reaktoren, das Abfalllager und das Kühlsystem inspizieren. Es sei auch geplant, ihnen die Ergebnisse des Beschusses zu zeigen, zitiert ihn die russische Interfax. Nach Angaben der russischen RIA Nowosti wird die Delegation bis zum 3. September vor Ort bleiben.

Unterdessen hat der Generaldirektor des Internationalen Roten Kreuzes (ICRC), Robert Mardini, auf einer Pressekonferenz in Kiew einen Stopp der Kampfhandlungen um das AKW gefordert. Auf die Frage einer ukrainischen Journalistin, ob es Überlegungen gebe, wie man der Bevölkerung bei einem GAU im AKW helfen könne, zeigte sich Mardini hilflos. „Man muss endlich aufhören, am AKW Saporischschja mit dem Feuer zu spielen“, so Mardini. Stattdessen müsse man konkrete Maßnahmen ergreifen, um diese und andere Einrichtungen vor Militäraktionen zu schützen“.

Daneben bedauerte Mardini, dass man dem ICRC den Zugang zu Kriegsgefangenen verweigere, insbesondere der Haftanstalt Oleniwka, wo bei einer Explosion Ende Juli 50 ukrainische Kriegsgefangene ums Leben gekommen waren. „Wir haben mehrere Hundert Kriegsgefangene besuchen können, aber daneben gibt es mehrere Tausend Kriegsgefangene, zu denen wir keinen Zugang haben.“

Bei der Evakuierung der ukrainischen Militärs aus dem Asowstal-Werk habe das ICRC annähernd 1.800 Personen registriert, die in russische Kriegsgefangenschaft geraten waren. Man habe gehofft, dass man sie anschließend besuchen könne, habe aber bisher keine Erlaubnis erhalten.

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