+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Weiter Kämpfe rund um AKW

Russland und der staatliche ukrainische Energiekonzern Energoatom warnen vor atomaren Zwischenfällen. Russland schießt dennoch nahe Saporischschja.

Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt das Kernkraftwerk Saporischschja

Kiew und Moskau beschuldigen sich weiterhin gegenseitig, Europas größtes Kernkraftwerk in Saporischschja zu beschießen Foto: Maxar Technologies/dpa

An AKW Saporischschja könnte Radioaktivität austreten

In dem von russischen Truppen besetzten ukrainischem Atomkraftwerk Saporischschja besteht nach Angaben des Betreibers das Risiko des Austritts von Radioaktivität. Die Anlage sei erneut „mehrmals“ beschossen worden, teilte der staatliche ukrainische Energiekonzern Energoatom am Samstag mit. Dadurch sei die Infrastruktur des größten Atomkraftwerks Europas beschädigt worden. Nach Angaben des Betreibers lief das Akw gegen Samstagmittag „mit dem Risiko, Radioaktivitäts- und Feuerschutz-Standards zu verletzen“.

Seit einigen Wochen werden die Gegend des Akw Saporischschja und auch Teile des Werksgeländes immer wieder beschossen, die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Erst am Freitag war das Kraftwerk nach eintägiger Unterbrechung wieder ans ukrainische Stromnetz angeschlossen worden. Zuvor war das Atomkraftwerk nach ukrainischen Angaben infolge russischer Angriffe erstmals in seiner Geschichte vollständig vom Stromnetz getrennt worden. (afp)

Kiew und Moskau warnen vor radioaktiver Gefahr

Russland und die Ukraine haben sich erneut gegenseitig einen Beschuss des von Moskaus Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja vorgeworfen. Es bestehe die Gefahr, dass Standards zum Schutz vor radioaktiver Strahlung verletzt würden, teilte der staatliche Kraftwerksbetreiber Energoatom am Samstag bei Telegram mit. Das größte europäische Kernkraftwerk sei innerhalb eines Tages mehrfach von russischem Militär beschossen worden. Dagegen meldete das russische Verteidigungsministerium, das AKW sei innerhalb von 24 Stunden insgesamt dreimal mit Artillerie von ukrainischer Seite beschossen worden.

Dabei seien vier Geschosse in das Dach einer Anlage eingeschlagen, in der Kernbrennstoff der US-Firma Westinghouse gelagert sei, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow in Moskau. Überprüfbar von unabhängiger Seite war dies nicht. Der Sprecher sagte auch, dass weitere Geschosse in der Nähe von Lagern mit Brennstäben und mit radioaktiven Abfällen eingeschlagen seien. Die Strahlensituation liege aber weiter im normalen Bereich. (dpa)

Ukraine: Russland nimmt erneut Orte nahe AKW unter Beschuss

Die russischen Truppen haben am Samstag nach ukrainischen Angaben erneut Raketen und Artilleriegranaten auf ukrainisch kontrollierte Gebiete in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja abgefeuert. Die Geschosse schlugen in den Städten Nikopol und Marhanez ein, jeweils etwa zehn Kilometer von der Atomanlage entfernt am anderen Ufer des Dnipro gelegen, wie der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk, Valentyn Resnitschenko, am Samstag sagte.

Das russische Militär besetzte das Atomkraftwerk Saporischschja, das größte in Europa, zu Beginn des Krieges in der Ukraine. Ukrainische Mitarbeiter sind jedoch weiterhin für den Betrieb der Anlage verantwortlich. Beide Seiten haben sich wiederholt gegenseitig beschuldigt, das Kraftwerk zu beschießen, was Befürchtungen eines möglichen Atomunfalls weckte. Die Behörden begannen am Freitag mit der Verteilung von Jodtabletten an Anwohner in der Umgebung des Kraftwerks. Einen Tag zuvor war die Anlage nach Behördenangaben wegen eines Brandschadens an einer Übertragungsleitung vorübergehend vom Netz genommen worden. Satellitenbilder zeigten in den vergangenen Tagen Brände in der Umgebung des Atomkraftwerks.

Im Süden der Ukraine wurde unterdessen bei einem russischen Angriff auf Mykolajiw am Schwarzen Meer ein Mensch getötet, wie die örtlichen Verwaltungsbehörden mitteilten. Der Gouverneur von Donezk im Osten meldete zwei Tote bei russischem Beschuss der Stadt Bachmut. (ap)

Polen kauft in Südkorea Kriegsgerät für 6 Milliarden Dollar – Erste Tranche

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine kauft Polen für rund 5,8 Milliarden Dollar schweres Kriegsgerät in Südkorea. Die Behörden in Seoul erklärten am Samstag, Polen habe mit zwei südkoreanischen Rüstungsfirmen unter anderem die Lieferung von Panzern des Typs K2 Black Panther und Panzerhaubitzen vom Typ K9 vereinbart. Das Nato-Mitglied Polen hatte sich jüngst angesichts der Spannungen zu einer Ausweitung seiner Waffenimporte entschlossen.

Der bereits am Freitag mit Polen unterzeichnete Vertrag ist Teil eines größeren Rüstungsgeschäfts, das beide Länder bereits im Juli vereinbart hatten. Zum Volumen wurden dazu offiziell keine Angaben gemacht. Es wurde in südkoreanischen Medien auf bis zu 15 Milliarden Dollar geschätzt. Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol, der seit Mai im Amt ist, hat sich für eine verstärkte Sicherheitszusammenarbeit mit Ländern Europas ausgesprochen. Zudem will er die Rüstungsindustrie seines Landes auch mit Blick auf die Spannungen mit Nordkorea fördern. Polen kauft von Südkorea 180 K2-Panzer, einer nicht bekannte Anzahl an Haubitzen und 48 Kampfjets vom Typ FA-50. Der Vertrag vom Freitag deckt nach Angaben Südkoreas eine erste Tranche ab.

Die Welt am Sonntag hatte unter Berufung auf polnische Regierungskreise berichtet, an deutsche Rüstungskonzerne wie Rheinmetall oder Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gingen keine Aufträge aus Warschau. Polen seien die deutschen Lieferzeiten angesichts der russischen Bedrohung zu lang. Zudem sei Polen enttäuscht über die zögerliche deutsche Haltung bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. So frage man sich in Warschau, ob man sich etwa auf Munitionslieferungen aus Deutschland verlassen könne, wenn Russlands Armee die Grenze zu Polen überschreite. (rtr)

Russische Angriffe in der Ostukraine werden intensiver

Die russische Armee hat nach britischen Erkenntnissen ihre Angriffe in der Ostukraine zuletzt wieder verstärkt. In den vergangenen fünf Tagen habe die Intensität russischer Attacken nahe der Großstadt Donezk wieder zugenommen, teilte das Verteidigungsministerium in London am Samstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Mit den Angriffen wollten die russischen Truppen vermutlich zusätzliche ukrainische Truppen im Osten binden, um eine erwartete ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes zu erschweren, hieß es.

Es habe heftige Kämpfe nahe der Städte Siwersk und Bachmut nördlich von Donezk gegeben. Truppen der moskautreuen Separatisten seien vermutlich weiter ins Zentrum des Dorfes Pisky nahe des zerstörten Flughafens Donezk vorgedrungen, hieß es weiter. Insgesamt hätten die russischen Einheiten aber nur wenige Geländegewinne verzeichnet.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich in beispielloser Form Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. (dpa)

Tschechisches Parlament stimmt Nato-Norderweiterung zu

In Tschechien haben nun beide Parlamentskammern der Erweiterung der Nato um Finnland und Schweden zugestimmt. Nach dem Senat billigte am Samstagmorgen auch das Abgeordnetenhaus in Prag in einer nächtlichen Sitzung mit breiter Mehrheit und nur wenigen Gegenstimmen die Erweiterung des Verteidigungsbündnisses. Letzter Schritt zur Ratifizierung in Tschechien ist damit die Unterschrift von Präsident Milos Zeman. Der 77-Jährige unterstützt die Erweiterungspläne nach früheren Angaben seines Sprechers.

Die Norderweiterung muss von allen 30 Nato-Mitgliedstaaten gebilligt werden. Schweden und Finnland hatten auf eine Mitgliedschaft in dem westlichen Militärbündnis jahrzehntelang verzichtet. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der seit Februar andauert, hat sich das geändert. Tschechien ist bereits seit 1999 Mitglied der Nato und seit 2004 Teil der EU. (dpa)

Selenski warnt vor weiteren AKW-Notfällen

Nach der zwischenzeitlichen Abschaltung des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski vor weiteren Notlagen gewarnt. „Ich möchte betonen, dass die Situation sehr riskant und gefährlich bleibt“, sagte Selenski in einer Videoansprache in der Nacht zum Samstag. Am Donnerstag waren die beiden zuletzt noch betriebenen Reaktoren an dem immer wieder beschossenen AKW notfallmäßig heruntergefahren worden. Mittlerweile sind der Darstellung aus Kiew zufolge beide Blöcke wieder ans Stromnetz angeschlossen.

Selenski bekräftigte seine Forderung nach einem baldigen Besuch internationaler Experten sowie nach dem Rückzug der russischen Truppen von dem AKW-Gelände. „Jede Wiederholung (…) wird das Kraftwerk erneut an den Rand einer Katastrophe bringen“, sagte er mit Blick auf den Vorfall am Donnerstag. (dpa)

Russland blockiert Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags

Russland hat zum Ende einer vierwöchigen UN-Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags die Verabschiedung einer gemeinsamen Abschlusserklärung blockiert. Trotz einmonatiger Verhandlungen und einer um mehrere Stunden verschobenen Abschlusssitzung sei „die Konferenz nicht in der Lage, eine Einigung zu erzielen“, erklärte der Vorsitzende der Konferenz, der Argentinier Gustavo Zlauvinen, am Freitag am UN-Sitz in New York.

Der Vertreter Russlands, Igor Wischnewetzki, hatte zuvor einen Mangel an „Ausgewogenheit“ in dem mehr als 30-seitigen Entwurf der Abschlusserklärung kritisiert. Russland habe Einwände „gegen bestimmte Absätze, die offenkundig politisch sind“, sagte er. Russland sei aber nicht das einzige Land sei, das grundsätzliche Einwände gegen den Text habe.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen brachte Russland vor allem Einwände gegen Passagen zum ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja vor, welches von russischen Truppen besetzt ist und in den vergangenen Wochen wiederholt beschossen wurde. (dpa)

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