Kampf gegen die Inflation: Lindner will auch Reiche entlasten

Der Bundesfinanzminister legt ein Gesetz zum „Ausgleich der Inflation“ vor. Arme profitieren prozentual am meisten, Reiche aber auch.

Portrait von Christian Lindner

Christian Linder will auch Reiche entlasten Foto: Lisi Niesner/reuters

BERLIN taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Mehrheit der Bevölkerung in den kommenden zwei Jahren steuerlich etwas entlasten. Am Mittwoch legte er deshalb Eckpunkte für ein Gesetz zum „Ausgleich der Inflation“ vor. In der Koalition abgestimmt ist das noch nicht, SPD und Grüne äußerten Kritik.

Sein Vorschlag sei eigentlich „keine Entlastung, sondern ein Verzicht auf Belastung“, sagte Lindner. Das ist so zu verstehen: Wegen der hohen Inflation erhalten viele Beschäftigte deutliche Lohnsteigerungen. Dadurch rutschen manche in eine höhere Einstufung im Steuertarif und zahlen mehr Abgaben, wodurch die Gehaltsaufbesserung teilweise oder ganz aufgefressen wird. Dieser Effekt heißt „kalte Progression“ – ihn will Lindner neutralisieren.

„48 Millionen steuerpflichtige Bürgerinnen und Bürger“ würden profitieren, erklärte das Finanzministerium. Durchschnittlich betrage die Entlastung 193 Euro pro Jahr. Alle Einkommensgruppen hätten Vorteile. Prozentual wäre die Entlastung für Geringverdiener mit gut zehn Prozent im Vergleich zu ihrer Steuerlast am größten, absolut in Euro jedoch für Personen mit hohen Verdiensten.

Die Reform soll den Bürgerinnen und Bürger insgesamt rund zehn Milliarden Euro pro Jahr belassen, die sie sonst an die Finanzämter zahlen müssten. Wer so wenig Geld verdient, dass er oder sie sowieso keine Steuern zahlt und zusätzlich keine Kinder hat geht leer aus.

Wohlhabende Singles profitieren am meisten

Konkret soll unter anderem der Grundfreibetrag steigen. Ab „1. Januar 2023 ist eine Anhebung um 285 Euro auf 10.632 Euro vorgesehen“, teilte das Finanzministerium mit. Wer bis zu dieser Grenze jährlich verdient, muss künftig keine Steuer entrichten. 2024 soll der Grundfreibetrag dann um weitere 300 Euro auf 10.932 Euro wachsen. Diesen Schritt muss die Regierung sowieso gehen – das Existenzminimum muss steuerfrei sein.

Oberhalb des Grundfreibetrags soll der Steuertarif so verschoben werden, dass die Bür­ge­r:in­nen etwas weniger zahlen. Eine allein lebende Arbeitnehmerin mit 20.000 Euro brutto würde beispielsweise um 115 Euro jährlich entlastet, heißt es in den Tabellen des Finanzministeriums. Bei 30.000 Euro Jahresgehalt in 2023 würde der Vorteil 172 Euro für Singles betragen, bei 40.000 Verdienst 250 Euro, bei 60.000 Euro Lohn schlügen 471 Euro Entlastung pro Jahr zu Buche.

Die höchste absolute Entlastung kommt auf Singles zu, die 70.000 Euro brutto aufwärts zur Verfügung haben. Sie würden 479 Euro jährlich sparen. Darüber steigt der absolute Entlastungsbetrag für Singles nicht mehr an. Doch auch Leute, die 200.000, 300.000 oder 500.000 Euro verdienen, erhalten die 479 Euro. Für sie spielt das im Vergleich zu ihrem Einkommen freilich kaum eine Rolle. Die maximale Entlastung bei gemeinsamer Veranlagung eines gut verdienenden und eines schlecht verdienenden Ehepartners (Splitting) soll 958 Euro betragen und ab 130.000 Euro nicht mehr steigen. Der Tarif der Reichensteuer ab rund 280.000 Euro bei Singles bleibt da, wo er heute ist.

Auf die Entlastung im kommenden Jahr soll 2024 eine weitere folgen. Die höchste Reduzierung läge dann bei 730 Euro jährlich für Singles ab 70.000 Euro aufwärts und für Splitting-Paare bei 1.460 Euro ab 130.000 Euro Jahresverdienst. Das Kindergeld soll nächstes Jahr maximal um acht Euro pro Kind zunehmen, 2024 um weitere sechs Euro. Die steuerlichen Kinderfreibeträge, die hohe Einkommen begünstigen, steigen ebenfalls.

„Ein weiterer kräftiger Entlastungsimpuls bis in die Mitte der Gesellschaft ist richtig und notwendig“, sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post. Andererseits kritisierte er: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden aber hohe Einkommen besonders stark entlasten und sind damit sozial noch nicht ganz ausgewogen.“

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch bemängelte, Wohlhabende erhielten „mehr als dreimal so viel wie Menschen mit kleinen Einkommen, welche die Entlastungen jetzt eigentlich am dringendsten brauchen“.

Christian Görke, finanzpolitischer Sprecher der Linken, sagte: „Die unteren 70 Prozent der Bevölkerung gehen fast komplett leer aus, da sie kaum Einkommensteuer zahlen.“ Jens Spahn von der Union begrüßte die Initiative Lindners dagegen grundsätzlich.

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