Kampf gegen Omikron-Ausbreitung: Obergrenze auch für Geimpfte
Bund und Länder wollen weitere Beschränkungen beschließen. Erste Studien legen nahe, dass der Impfschutz gegen Omikron rasch nachlässt.
Berlin taz | Vor der Bund-Länder-Runde am Dienstag zu neuen Maßnahmen gegen Corona wächst die Sorge vor einer raschen Verbreitung der Virusvariante Omikron. Aus der Beschlussvorlage zu der Runde geht hervor, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschef:innen der Länder voraussichtlich auf Folgendes einigen werden: Für private Zusammenkünfte von ungeimpften Personen gelte weiterhin, es dürften sich lediglich die Angehörigen des eigenen Haushalts sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushalts treffen, Kinder sind ausgenommen.
Neu ist, dass sich ab dem 28. Dezember bei privaten Zusammenkünften von Geimpften und Genesenen nur noch maximal zehn Personen treffen dürfen, Kinder ausgenommen. Diese Obergrenze gelte für den Innen- und Außenbereich, so das Papier. Sobald eine ungeimpfte Person teilnimmt, gelten die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte.
Clubs und Diskotheken werden geschlossen, heißt es in der Vorlage. Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen dürfen ansonsten nur 30 bis 50 Prozent der Kapazität genutzt werden, es gilt 2G und Maskenpflicht. In Bundesländern mit hohem Infektionsgeschehen „müssen Veranstaltungen nach Möglichkeit abgesagt“ werden. Die Corona-Wirtschaftshilfen werden verlängert und eventuell an die Infektionsentwicklung angepasst, heißt es in der Beschlussvorlage.
Die Regierungschefs wollen an alle Bürger:innen appellieren, sich so schnell wie möglich eine Auffrischungsimpfung geben zu lassen. Ärzt:innen und Apotheken sollen sich auch über Weihnachten und an den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester an den Impfaktionen beteiligen. Auch Kinder zwischen fünf und elf Jahren sollen so rasch wie möglich geimpft werden, zum „Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf“, so das Papier.
Die Betreiber sogenannter kritischer Infrastrukturen, also Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehren, sollen ihre Pandemiepläne „umgehend überprüfen“ und „anpassen“, heißt es in der Vorlage. Der Expertenrat der Bundesregierung hatte zuvor die Befürchtung geäußert, die neue Virusvariante könnte den Krankenstand in diesen Bereichen ansteigen lassen und so die Versorgung gefährden.
Söder für Wiederherstellung der „epidemischen Lage“
CSU-Chef Markus Söder erklärte, das Einfachste wäre, man würde „die epidemische Lage wiederherstellen, dann muss man nicht über jede einzelne Maßnahme nachdenken“.
SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte zuvor einen Lockdown vor Weihnachten ausgeschlossen. Der Expertenrat der Bundesregierung hatte gewarnt, die Omikron-Variante bringe „eine neue Dimension in das Pandemiegeschehen“. Das Omikron-Virus zeichne sich durch eine „stark gesteigerte Übertragbarkeit und ein Unterlaufen des bestehenden Immunschutzes“ aus. Dies bedeute, dass die neue Variante „auch Genesene und Geimpfte stärker in das Infektionsgeschehen“ einbeziehe.
Erste Studienergebnisse zeigten, „dass der Impfschutz gegen die Omikron-Variante rasch nachlässt und auch immune Personen symptomatisch erkranken.“ Der Schutz vor schwerer Erkrankung bleibe durch die Impfung aber „wahrscheinlich teilweise erhalten“.
Eine Studie der Uniklinik Frankfurt am Main hatte ergeben, dass selbst eine Booster-Impfung mit dem Impfstoff von Biontech nur zu 25 Prozent gegen die neue Virusvariante schütze. Eine britische Studie zeigte dagegen eine über 70-prozentige Wirksamkeit gegen Omikron nach dem Boostern mit diesen Impfstoff. Auch der Impfstoff Moderna soll nach drei Dosen immer noch effektiv gegen die neue Variante sein.
Der Expertenrat sieht Handlungsbedarf bereits für die kommenden Tage. Insbesondere „gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen“ seien vorzubereiten. Dazu gehöre die „Vermeidung größerer Zusammenkünfte“, das bevorzugte Tragen von FFP-2-Masken sowie der verstärkte Einsatz von Schnelltests bei Zusammenkünften.
Bei allen Entscheidungen müssten aber die Interessen „besonders belasteter und vulnerabler Gruppen, wie Kinder, Jugendliche und Pflegebedürftige, höchste Priorität erhalten“, so der Expertenrat. Flächendeckende Schulschließungen wollen und können die Bundesländer nicht ohne Weiteres machen, allerdings gibt es in Ländern wie Sachsen an einigen Schulen einen eingeschränkten Regelbetrieb.
Einer am Montag veröffentlichten Studie der Universität Mainz zufolge haben 40 Prozent aller erwachsenen Corona-Infizierten Long-Covid-Symptome. Als Spätfolgen gelten Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel, Depressionen, Herzprobleme.
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat am Montag grünes Licht für den Corona-Impfstoff des US-Pharmakonzerns Novavax gegeben. Die EMA empfiehlt die „bedingte Marktzulassung“ des proteinbasierten Impfstoffs. Dieser gilt Impfskeptikern als weniger gefährlich als etwa der Impfstoff von Biontech. Die Wirksamkeit gegenüber Omikron ist allerdings nicht erprobt.
Leser*innenkommentare
Sonnenhaus
Seltsam wie mit dem hohen Ansteckungsrisikos der Kinder in den neuen Beschränkungen umgegangen wird. In der Schule und in Kindergärten wird mit maximalen Sicherheiten gearbeitet - Testen, Impfen, etc. - aber zuhause sind Kinder ausgenommen. Vielleicht sind die Kinder dann doch nicht die Infektionstreiber wie immer behauptet?
Warum nicht schon zu Weihnachten die Einschränkungen gelten sollen ist ein weiteres Wählergeschenk auf Kosten unserer Gesundheit.
LuckyLulu
Es befremdet mich das die Diskussion hierzulande scheinbar so vollständig blind verläuft.
Während aus anderen europäischen Ländern doch oft Zahlen zum Anteil der Omikron-Fälle an der Gesamtzahl der Infektionen genannt werden - bildet sich bei mir der Eindruck eben diese Zahlen werden in Ländern der Bundesrepublik überhaupt nicht erhoben.
Wie kann das sein? Gibt´s da irgendwelche Untersuchungen?
Co-Bold
@LuckyLulu Jeden Donnerstag im Wochenbericht des RKI werden die stichprobenartig gemachten Sequenzierungsresultate dargestellt. Das heißt, die letzten verfügbaren Daten hierzu stammen aktuell aus der vorletzten Woche.
In der vorletzten Woche lag der Anteil bei 0,5%, was da inn etwa eine Vervierfachung zur vorherigen Woche war. Man kann also grob davon ausgehen, dass wir letzte Woche etwa 2% Omikron hatten und diese Woche ca. 8%.
Bei uns dürfte Omikron daher in der ersten januarwoche vorherrschend werden und Mitte/Ende Januar die Welle ihr Maximum erreichen.
Wenn am Donnerstag die Sequenzierungsergebnisse der letzten Woche bekanntgegeben werden, kann man schauen in welche Richtung diese möglicherweise abweichen und die Vorhersage entsprechend weiter feintunen.
Wir sind etwa 2-3 Wochen in der Entwicklung hinter Dänemark/UK, insbesondere London.
Bolzkopf
Wenn ich lese, dass die Anwesenheit eines einzigen Ungeimpften dazu führt, dass die strengeren Regeln gelten frage ich mich, ob Ungeimpfte nicht besser generell einen Badge tragen sollten.
Vielleicht wie das Schild
"Vorfahrt achten"
Also ein Dreieck.
Rot.
Mit der Spitze nach unten.
Das ganze natürlich immer mit Blick darauf, dass eine Impfung nicht davor schützt andere anzustecken sondern nur davor selbst schwer krank zu werden ...
Leningrad
Zitat: "eine Booster-Impfung mit dem Impfstoff von Biontech nur zu 25 Prozent gegen die neue Virusvariante schütze." Das ist ja unglaublich! Ich als ordentlicher Bürger habe mich drei Mal impfen lassen, Impfnebenwirkungen gehabt (Gesichtsrose), bin drei Monate ausgefallen und nun bekomme ich mitgeteilt, dass das alles relativ sinnbefreit war? Hauptsache, die Pharma-Industrie verdient sich dumm und dämlich.
HAHABerlin
@Leningrad Dann sollten Sie hochprozentigen Alkohol trinken. Leider hat uns das die
Wissenschaft verschwiegen, sonst wären
alle alkoholisiert. Die Ausnahme aber geht immer.
Leningrad
@HAHABerlin Kann Ihnen leider (tatsächlich) nicht folgen, könnten Sie das bitte näher erleutern.
Ajuga
"Einer am Montag veröffentlichten Studie der Universität Mainz zufolge haben 40 Prozent aller erwachsenen Corona-Infizierten Long-Covid-Symptome. Als Spätfolgen gelten Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel, Depressionen, Herzprobleme."
Die Studie selbst ist da etwas weniger eindeutig. Eine WHO-*Differential*diagnose von Long/Post Covid ist noch in Arbeit, und ein Teil der genannten Symptome ist auch aus anderen Gründen nicht selten. In Kombination mit dem anderen - somatischen und nicht leicht mt "Dauerstress" wegzuerklärenden - Teil der Symptome sind sie aber schon aussagekräftig.
Man muss also von 25-30% der Infizierten ausgehen, die langfristig Folgeschäden haben, die ihre Lebensqualität signifikant beeinflussen. Da es sich idR um diffuse Nekrosen als Folge von durch Mikrothromben verstopften Kapillaren handelt, ist zumindest bei den neurologischen Schäden eine kurative Therapie nicht allzu wahrscheinlich. Auch die Schäden an Bauchspeicheldrüse und evtl an den Nebennieren sind nach gegenwärtigem Stand permanent. Die Muskelschäden hingegen heilen vermutlich wieder aus - wenn man fit genug zum Trainieren ist, was bei CFS eher nicht der Fall ist...
Bei ca der Hälfte sind die Folgeschäden so stark, dass eine Diagnose jeder Hausarztpraxis möglich ist. (Daher kommen die oft erwähnten "10%" oder "15%" - das sind NUR diejenigen Fälle, die noch jedem Dorfarzt kurz vor der Verrentung auffallen, dessen diagnostische Hightech sich in Stethoskop und Blutdruckmessgerät erschöpft.)
Reha-Plätze haben wir übrigens für rund 1% der Betroffenen, bzw momentan ist in der Covid-Reha Drehtürprinzip abgesagt: kaum wird einer entlassen, und sofort kommt der nächste rein, alldieweil die Warteschlange schon bis hinter den Horizont reicht. Bei einem Bekannten, der in Welle 2 von einem Covidioten infiziert wurd, hat es ein Dreivierteljahr gedauert, bis er überhaupt einen Termin für eine fachärztliche Untersuchung hatte, und offiziell als Post-Covid-Patient anerkannt wurde.
What would The Doctor do?
"Einer am Montag veröffentlichten Studie der Universität Mainz zufolge haben 40 Prozent aller erwachsenen Corona-Infizierten Long-Covid-Symptome. Als Spätfolgen gelten Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel, Depressionen, Herzprobleme."
Na dann, viel Spaß beim Durchseuchen, ihr Irren!
Und danke für den vielen Fisch!
meerwind7
Das Berliner Impfzentrum Tegel hat mir heute trotz Anfang November erfolgter Anmeldung für heute eine Impfung mit Biotech-Impfstoff verweigert.
Zum einen wollte man mir keine halbe Biontech-Dosis geben, wie es von mir gewünscht war, da Studien eine gute Schutzwirkung als Booster bestätigen. Zum anderen wollte man mir auch keine volle Impfdosis geben, weil bei Biotech die unter 30-jährigen priorisiert würden, auch bei geringen Abstand zur Vorimpfung und trotz geringem Risiko in dieser Altersgruppe.
"Die Regierungschefs wollen an alle Bürger:innen appellieren, sich so schnell wie möglich eine Auffrischungsimpfung geben zu lassen." Ich war und bin bereit !
Fezi
@meerwind7 Nachdem was ich gelesen habe, wäre eine Impfung mit Moderna als Boost günstiger gewesen, ich habe aber Biontech nehmen müssen.
Was soll´s?!
Mustardman
Die unterschiedlichen Angaben/Ergebnisse zur Wirksamkeit liegen auch daran, dass damit oft völlig verschiedene Dinge gemeint sind: Wirksamkeit gegen Infektion (auch Infektionen, die nur mit einem Test zum passenden Zeitpunkt nachweisbar wären, aber vom Infizierten gar nicht bemerkt werden), Wirksamkeit gegen symptomatische Infektion (also Infektionen, die zu irgendwelchen Krankheitsymptomen führen, was auch ein Schnupfen sein kann) oder Wirksamkeit gegen schwere Erkrankung (meist alles, was ins Krankenhaus führt).
Die Wirksamkeit gegen bloße Infektion war schon bei Delta nur eher begrenzt und auch das ließ schnell nach, während ein Booster das sehr gesteigert hat. Gegen symptomatische Infektion haben die mRNA-Impfstoffe mit Booster auch mit Omikron noch recht gute Wirksamkeit (nach einigen Untersuchungen um die 75%), gegen schwere Verläufe ist die Wirksamkeit mit Booster wahrscheinlich noch besser, aber das läßt sich empirisch erst nachweisen, wenn genug Leute infiziert und erkrankt sind.
Wie auch immer, Impfung samt Booster hilft enorm gegen schwere Erkrankung. Aber nicht mehr so sehr gegen die Verbreitung des Virus und das ist das Problem. Denn je mehr Leute sich infizieren, desto eher infizieren sie auch andere, die es dann schwerer erwischt, denn das ist ein reines Zahlenspiel: Je mehr Infizierte, desto mehr schwere Fälle.