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Kampagne für Fluchthilfe im UrlaubRübermachen auf dem Rücksitz

Aktivisten fordern zum zivilen Ungehorsam auf. Touristen sollen Geflüchtete mit über die Grenze nehmen – im Privatauto.

Asylbewerber in einem Zug in Ungarn. Foto: reuters

BERLIN taz | Schon mal überlegt, auf dem Rückweg aus dem Urlaub einem Flüchtling über die Grenze zu helfen? Mit einer Kampagne für zivilen Ungehorsam fordern Aktivisten deutsche Touristen zur Fluchthilfe auf. Das sei einfacher und weniger riskant, als viele glaubten, sagt einer der Aktivisten des Berliner Peng-Kollektivs, das die Kampagne am Montagmorgen startete. Alles was es brauche, sei ein freier Platz im Auto.

„Das Asylrecht in der EU ist zur Farce geworden, weil keine legalen Einreisewege nach Deutschland bestehen, um das Grundrecht auf Asyl in Anspruch zu nehmen“, kritisiert der Aktivist, der nicht namentlich genannt werden will.

Hintergrund der Kritik sind die sogenannten Dublin-Regelungen der EU. Sie schreiben Geflüchteten vor, in dem Land Asyl zu beantragen, in dem sie zuerst EU-Boden betreten. In allen anderen Ländern droht die Rückschiebung. „Es ist fast unmöglich, Deutschland als ersten Staat zu erreichen“, so der Aktivist. „Und Fluchthilfe wird kriminalisiert, doch sie ist notwendig für eine freie Gesellschaft“.

Um die Dublin-Regelungen zu umgehen, wollen die Polit-Aktivisten vom Peng-Kollektiv vor allem den Schengen-Raum nutzen, in dem Grenzkontrollen weitgehend wegfallen. Anders als Busse und Bahnen kontrolliere die Polizei Privatautos nur stichprobenartig. Für Urlauber sei es daher kein großer Aufwand, Fluchthilfe zu leisten. „Mit unserer Kampagne wenden wir uns an all diejenigen, die bereit sind zivilen Ungehorsam zu leisten“, erklärt der Aktivist – etwa Sitzblockierer, die in der Vergangenheit etwa an Anti-Atom-Protesten teilgenommen haben.

Anleitung zur Fluchthilfe

Auf der Website der Kampagne haben die Aktivisten Tipps für Fluchthelfer zusammengetragen: Wo finde ich Fluchtwillige? Zum Beispiel in Bahnhofsnähe in norditalienischen Städten. Welche Route wähle ich? „Fluchthilfe-Anfänger“ sollten sich auf den Schengenraum konzentrieren, Nebenstrecken wählen, und grundsätzlich gelte: „Meidet Raststätten in Grenznähe.“ Und wenn ich doch erwischt werde? Aussage verweigern.

Auch ein „Starterkit“ für Fluchthelfer haben die Kampagnen-Macher vorbereitet. Darin: eine Straßenkarte, Sonnenblenden, damit die Polizei Personen auf der Rückbank nicht erkennt, und Deutschlandfahnen für die Rückspiegel – als Tarnung.

Das Risiko, das die Fluchthelfer eingingen, sei relativ gering, sagt der Mit-Initiator der Kampagne. „Natürlich besteht ein Restrisiko“. Doch wer einmalig Fluchthilfe leiste und keine Gegenleistung in Anspruch nehme, könne im unwahrscheinlichen Fall, dass er erwischt werde, mit einer milden Strafe oder gar der Einstellung des Verfahrens rechnen.

Natürlich besteht ein Restrisiko

Sollten für die Fluchthelfer Prozesskosten entstehen, wollen die Aktivisten mit einem Rechtshilfefonds, der ab diesem Montag durch Crowdfunding gefüllt werden soll, die Kosten übernehmen.

„Europäisches Verdienstkreuz“ für die Fluchthelfer

Auch eine kleine Geschichte der Fluchthilfe gibt es auf der Kampagnen-Website – angefangen bei Fluchthelfern in den USA des 18. Jahrhunderts, die Sklaven halfen, in den Norden zu gelangen, bis hin zu jenen, die Menschen aus der DDR beim „Rübermachen“ unterstützten. Legal sei Fluchthilfe in den betreffenden Staaten nie gewesen. Im Video, das die Kampagne begleitet, heißt es: „Das eigentliche Urteil wird nicht vor Gericht, sondern in den Geschichtsbüchern gesprochen.“

Um das zu verdeutlichen, knüpfen die Kampagnenmacher an die deutsche Geschichte an: „Viele der Menschen, die die DDR verlassen wollten, würden heute als Wirtschaftsflüchtlinge abgestempelt werden“, sagt der Aktivist.

Für die Kampagne hat das Kollektiv auch Burkhart Veigel gewinnen können, der in den sechziger Jahren als erfolgreicher Fluchthelfer in der DDR aktiv war und sich im Kampagnen-Video zitieren lässt. Für seine nach DDR-Recht illegalen Aktionen erhielt der mittlerweile 77-Jährige 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Retter Leben-Plakate sollen in deutschen Städten für Fluchthilfe werben

Das hat das Peng-Kollektiv zu einem fiktiven „Europäischen Verdienstkreuz am Bande“ für heutige Fluchthelfer motiviert. Die Auszeichnung soll am Freitag in Berlin verliehen werden. Begleitet wird die Aktion von einer Plakatkampagne. Über 1.000 Plakate mit dem Slogan „Retter Leben“ sollen nach Angaben der Aktivisten in deutschen Städten für Fluchthilfe werben.

Mit seinen Aktionen will das Peng-Kollektiv – ähnlich dem ungleich bekannteren „Zentrum für politische Schönheit“ – in aktuelle Debatten eingreifen. In ihrer letzten Aktion im April veranstalteten die Aktivisten eine gefälschte Pressekonferenz in der Berliner Vattenfall-Geschäftsstelle. Das Unternehmen plane, bis 2030 auf erneuerbare Energien umzusteigen und 1.000 Klimaflüchtlinge aufzunehmen, verkündete ein angeblicher Vattenfall-Sprecher. Das Energieunternehmen reagierte gelassen und sah von rechtlichen Schritten gegen das Kollektiv ab.

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3 Kommentare

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  • Nichts gegen Flüchtlinge, aber ob die Idee, sie bewusst nach Deutschland mitzunehmen so toll ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn ich hier in Deutschland nicht meine familiären Verpflichtungen hätte, würde ich lieber nach Italien, Spanien oder Südfrankreich gehen, um dort zu leben. Als junger Mensch habe ich in den drei genannten Ländern jeweils einige Zeit gelebt und gearbeitet und fand es dort i.d.R. viel entspannter. In Deutschland dagegen ist die 'Arbeitstaktung' zu hoch. Dies verursacht mehr Stress und ist auf Dauer der Gesundheit nicht gerade zuträglich.

  • viele Menschen die die DDR verlassen haben waren ... nichts anderes als Wirtschaftsflüchtlinge - das ist Fakt

    • @TO_PAs:

      Wobei man bedenken muß, dass vielen DDR Bürgern nach dem Ausverkauf an den Westen (Stichwort Treuhand), auch nichts anderes übrig blieb.