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Kaffeepreise und KaffeemännerDenen sind die Kleinbauern Latte (macchiato)

Rohkaffee ist so teuer wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Klimakrise, Finance Bros oder peinliche Kaffeemänner – wer ist schuld daran?

„Die braune Brühe – das Heiligtum des Kaffeemanns“ Foto: Jose Luis Carrascosa/imago

E spresso fließt durch ihre Adern. Im Sommer auch mal ein Cold Brew. Die Siebträgermaschine säubern sie häufiger als den Küchenboden. Die braune Brühe – das Heiligtum des Kaffeemanns. In abertausenden Videos auf Social Media inszenieren sie ihren Kaffeegenuss. Neuester Trend: auch mal die Freunde einladen und einen Tag Starbucks spielen. Mit selbst designter Karte, Gebäck und Öffnungszeiten.

Doch eine dunkle Wolke zieht auf am Himmel der kleinen Kaffeemänner: Pro­du­zen­t*in­nen und Käu­fe­r*in­nen warnen, die Bohne wird teurer. Die Preise für Rohkaffee sind von 2023 auf 2024 um 70 Prozent gestiegen. Kaffee ist so teuer wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr.

Aber wen trifft die Schuld? Die Kaffeemänner und ihren unlöschbaren Durst? Oder ihre Brüder im Geiste, die Finance Bros, die munter Patagonia-Weste tragend die Kaffeepreise mit Spekulationen in die Höhe treiben? Jein.

Einer der Gründe für den teuren Kaffee ist die Klimakrise. Die extremen Wetterereignisse beeinflussten jüngst die Ernte. Brasilien und Vietnam, Nummer eins und zwei unter den Produzenten, kämpfen seit Jahren gegen Dürre, Überschwemmungen oder starke Regenfälle, die die Ernte mindern.

Zusätzlich zur Klimakrise spielen auch unsere Trademäuse eine Rolle. Der Handel mit Rohstoffen an der Börse, also auch mit Kaffee, ist der heiße Scheiß. Kryptospielereien mal ausgenommen.

Kaffee gilt in der Börse als austauschbares Gut. Ähnlich wie bei den Kaffee­männern: Kennste einen, kennste alle

Daher hier ein kleiner Exkurs in die Welt des Kaffeehandels: Kaffee stammt aus der Produktion vieler Kleinbauern und ist eine standardisierte Handelsware. In der Realität unterscheiden sich die Bohnen zwar nach ihrer Herkunft oder den Witterungsumständen während der Ernte, aber um den Handel an der Börse einfacher zu gestalten, geht man davon aus, dass es sich um ein austauschbares Gut handelt. Ähnliches gilt bei den kleinen Kaffeemännern. Kennste einen, kennste alle.

Kaffee kaufen – oder nur damit handeln?

Nun gibt es vereinfacht zwei Motive, ins Börsengame einzusteigen: Starbucks will am Ende die Bohne tatsächlich im Keller haben, Trade-Republic-Erik nur Geld damit verdienen.

Wer Kaffee kaufen will, kann also ganz klassisch einen Preis je nach Angebot und Nachfrage beim Lieferanten aushandeln, und der holt die Bohne beim Bauern ab. Easy-peasy. Das ist der Cashmarkt, bei dem es um das tatsächliche physische Gut geht.

Dann gibt es aber noch den Futures­markt. Starbucks kann, um nicht abhängig zu sein von dem sich immer verändernden Preis, auch Verträge abschließen, die erst in der Zukunft liegen. Die Bohne kommt dann Monate später zu einem Preis C an. Das gibt einerseits Planungssicherheit. Und es gibt auch die Möglichkeit, anstatt den Sack Kaffee vor die Tür geliefert zu bekommen, den Vertrag einfach wieder zu verkaufen oder in einen weiteren umzuschreiben. Es ist also nur ein Versprechen.

Der Preis C des Versprechens hängt aber nicht unbedingt von der Qualität der Pflanze und den Kosten für Produktion oder Lieferung ab. Er wird vielmehr an Terminbörsen für die Kaffeesorten festgelegt. Und die Börsen werden wiederum von Händlern beeinflusst, die nicht Kaffee kaufen wollen, sondern Rohstoffhandel betreiben, um aus Geld noch mehr Geld zu machen.

Das ist einer von vielen Mechanismen, die unseren kleinen Kaffee teurer machen. Ein Appell an alle (und besonders die Kaffeemänner): Mit Essen spielt man nicht.

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Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
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10 Kommentare

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  • Schade dass sie bei so viel Ressentiment gegen die Kaffeemänner (Frauen gibt es in der Branche übrigens auch) die Recherche vergessen haben.



    Kaffeemänner (und Frauen) kaufen nämlich in der Regel specialty Kaffee und wird parallel und unabhängig von der Börse gehandelt. In der Regel im Direkthandel mit Erzeugerpreisen weit über fair-trade Niveau. Börsenkaffee gibt es bei Nestlé, Tschibo und Dallmayr und da gehört auch die Kritik hin.

  • Doppelsinnig:

    Mit Trinken spielt man nicht!

  • Wenn etwas knapp wird oder absehbar aus ökologischen Gründen, wird es teurer und der Konsum geht herunter.



    Wenn Spekulanten ins Spiel hineinkommen: erst recht den Konsum herunterbringen, dann haben die sich verzockt und bleiben auf dem Ganzen sitzen.

    Es soll ja angeblich auch mit wenig oder gar keiner Droge Koffein gehen, hört man.

  • Warum soll die Spekulation an den Börsen, kurzfristige Auf- und Abschläge mal außen vor, die Bohne teurer machen? Grundsätzlich ist es gut, wenn ein Markt liquide ist, also genug Teilnehmer mit genug Geld hat und ausreichend Handel stattfindet. Futuregeschäfte kosten zwar Geld in Form von Zins/Gebühr, wird ja aber grundsätzlich von den Firmen nur dann angewendet, wenn sie glauben damit Geld zu sparen bzw. zur Absicherung.

    Gibt es über das Argument - Geldverdienen mit reinem Geld ist schlecht - hinaus noch Gründe warum der Kaffee teurer ist solange es Spekulanten gibt?

  • Fieses Männerbashing, ich protestiere :)

    Ich trinke auch gerne Kaffee, so gesehen bin ich auch ein Kaffeemann, auch wenn ich jetzt keine Videos zum Unpacking meiner neuen Siebdruckmaschine hochlade. Kann man blöd oder lächerlich finden, kann man aber auch als liebenswerten Spleen sehen, so wie andere den Todesstern aus Lego bauen, Vögel beobachten oder einen neuen Ortsverein der Jungen Union gründen. Lasst doch die Leute machen, solange sie keinem anderen schaden, man selbst lebt ehrlicherweise auch selten eine Mischung aus Mahatma Ghandi (vom Sinn her) und James Bond (von der Aufregung her), also ist Arroganz eher nicht angebracht.

    Kaffee wird teurer? Okay, lässt man halt hin und wieder eine Tasse aus. Ode rgönnt sich dafür dann den einen oderen Luxus weniger. Immer noch jammert man auf hohem Niveau. Auf die lange Sicht ist natürlich aber das Thema Klimawandel (wie ja auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen) sträflich unterrepräsentiert.

  • Widerspruch



    Ich habe vor einer Woche Rohkaffee bestellt, 100% Arabica, für 9,89€/kg. Vor 5 Jahren lag der Preis bei 9,50€/kg, also kaum ein Unterschied. Ich denke eher, dass die Giganten Tchibo und Co. einen großen Reibach machen wollen.

    • @Hans Dampf:

      Börsenhandel und retail ist aber schon was anderes. Börsenkaffee hat vor ein paar Jahren 2,50 das Pfund gekostet, jetzt sind es mehr als 4. Das merkt auch Tschibo. Die Margen in der Branche sind klein

  • Leider hat die Kolumnistin keine alternativen Vorschläge, wie man den Kaffeematkt anders und besser organisieren könnte.



    Weibliche Wirtschaftsführungskräfte und aJournalistinnen , von denen es ja leider zu wenig gibt in welcher Branche auch immer, sind m.E. erfolgreicher, wenn sie anstelle von Häme und Abwertung gegenüber dem anderen Geschlecht auf Zusammenarbeit und Problemlösung setzen.

  • Kein Wort über die Kleinbauern, die die meiste Handarbeit mit dem Produkt haben, die vom Ertrag ihre Familien ernähren? Haben die denn die 70% einkassiert oder wer sonst? Wenn's so wäre - ich hätte keinerlei Kritik daran...

    • @Perkele:

      Davon ist auszugehen. Die Entwicklung ist zu begrüßen. Für Kaffee aus Direkthandel werden zt seit Jahren preise gezahlt, wie sie jetzt an den börsen entstehen. Das wird den kooperativen mit wahrscheinlich mittelfristig helfen. Soweit die Steigerungen aus Spekulationen kommen, werden die Gewinne aber erstmal auch dort bleiben.