Kaffeepreise und Kaffeemänner: Denen sind die Kleinbauern Latte (macchiato)
Rohkaffee ist so teuer wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Klimakrise, Finance Bros oder peinliche Kaffeemänner – wer ist schuld daran?
E spresso fließt durch ihre Adern. Im Sommer auch mal ein Cold Brew. Die Siebträgermaschine säubern sie häufiger als den Küchenboden. Die braune Brühe – das Heiligtum des Kaffeemanns. In abertausenden Videos auf Social Media inszenieren sie ihren Kaffeegenuss. Neuester Trend: auch mal die Freunde einladen und einen Tag Starbucks spielen. Mit selbst designter Karte, Gebäck und Öffnungszeiten.
Doch eine dunkle Wolke zieht auf am Himmel der kleinen Kaffeemänner: Produzent*innen und Käufer*innen warnen, die Bohne wird teurer. Die Preise für Rohkaffee sind von 2023 auf 2024 um 70 Prozent gestiegen. Kaffee ist so teuer wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr.
Aber wen trifft die Schuld? Die Kaffeemänner und ihren unlöschbaren Durst? Oder ihre Brüder im Geiste, die Finance Bros, die munter Patagonia-Weste tragend die Kaffeepreise mit Spekulationen in die Höhe treiben? Jein.
Einer der Gründe für den teuren Kaffee ist die Klimakrise. Die extremen Wetterereignisse beeinflussten jüngst die Ernte. Brasilien und Vietnam, Nummer eins und zwei unter den Produzenten, kämpfen seit Jahren gegen Dürre, Überschwemmungen oder starke Regenfälle, die die Ernte mindern.
Zusätzlich zur Klimakrise spielen auch unsere Trademäuse eine Rolle. Der Handel mit Rohstoffen an der Börse, also auch mit Kaffee, ist der heiße Scheiß. Kryptospielereien mal ausgenommen.
Daher hier ein kleiner Exkurs in die Welt des Kaffeehandels: Kaffee stammt aus der Produktion vieler Kleinbauern und ist eine standardisierte Handelsware. In der Realität unterscheiden sich die Bohnen zwar nach ihrer Herkunft oder den Witterungsumständen während der Ernte, aber um den Handel an der Börse einfacher zu gestalten, geht man davon aus, dass es sich um ein austauschbares Gut handelt. Ähnliches gilt bei den kleinen Kaffeemännern. Kennste einen, kennste alle.
Kaffee kaufen – oder nur damit handeln?
Nun gibt es vereinfacht zwei Motive, ins Börsengame einzusteigen: Starbucks will am Ende die Bohne tatsächlich im Keller haben, Trade-Republic-Erik nur Geld damit verdienen.
Wer Kaffee kaufen will, kann also ganz klassisch einen Preis je nach Angebot und Nachfrage beim Lieferanten aushandeln, und der holt die Bohne beim Bauern ab. Easy-peasy. Das ist der Cashmarkt, bei dem es um das tatsächliche physische Gut geht.
Dann gibt es aber noch den Futuresmarkt. Starbucks kann, um nicht abhängig zu sein von dem sich immer verändernden Preis, auch Verträge abschließen, die erst in der Zukunft liegen. Die Bohne kommt dann Monate später zu einem Preis C an. Das gibt einerseits Planungssicherheit. Und es gibt auch die Möglichkeit, anstatt den Sack Kaffee vor die Tür geliefert zu bekommen, den Vertrag einfach wieder zu verkaufen oder in einen weiteren umzuschreiben. Es ist also nur ein Versprechen.
Der Preis C des Versprechens hängt aber nicht unbedingt von der Qualität der Pflanze und den Kosten für Produktion oder Lieferung ab. Er wird vielmehr an Terminbörsen für die Kaffeesorten festgelegt. Und die Börsen werden wiederum von Händlern beeinflusst, die nicht Kaffee kaufen wollen, sondern Rohstoffhandel betreiben, um aus Geld noch mehr Geld zu machen.
Das ist einer von vielen Mechanismen, die unseren kleinen Kaffee teurer machen. Ein Appell an alle (und besonders die Kaffeemänner): Mit Essen spielt man nicht.
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