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Kämpfe in TripolisLibyen versinkt im Bürgerkrieg

Die Kämpfe in Libyen eskalieren. Der Hauptstadtflughafen in Tripolis ist schwer beschädigt. Die Regierung erwägt, um internationale Truppen zu bitten.

In Mitleidenschaft gezogen: Flugzeug auf dem Flughafen von Tripolis am Dienstag. Bild: reuters

TRIPOLIS taz | In Libyen ist der Machtkampf zwischen säkularen und religiösen bewaffneten Gruppen seit dem Wochenende zu einem regelrechten Krieg eskaliert. Auf dem Flughafen von Tripolis beschoss die Milizenallianz des ehemaligen Abgeordneten Sadi Badri Einheiten aus Sintan, immer wieder tobten heftige Kämpfe um die Kontrolle des riesigen Geländes rund 20 Kilometer südlich der Hauptstadt.

Um tausenden in aller Welt festsitzenden Libyern die Heimreise zu ermöglichen, haben die Behörden einen Militärflugplatz aufgemacht. Der Flughafen von Maitiga in einem östlichen Vorort von Tripolis sei am Dienstag in Betrieb genommen worden, teilten die Behörden am Abend mit. Die religiös-konservative Milizenallianz Badris um die Hafenstadt Misrata und Einheiten der Muslimbrüder haben auf dem Militärflughafen das Sagen.

Den lukrativen internationalen Flughafen in Tripolis kontrollieren Truppen aus der Wüstenstadt Sintan seit dem Ende der Kämpfe gegen Muammar al-Gaddafi 2011. Sie haben sich auf die Seite der politisch liberalen Kräfte geschlagen.

Bei den derzeitigen Kämpfen kamen bis Dienstag mindestens 15 Menschen ums Leben, mindestens 80 wurden nach Angaben von Krankenhäusern verwundet. Der Beschuss mit Kurzstreckenraketen und Artilleriegranaten zerstörte das Zollgebäude des Flughafens und beschädigte auf dem Rollfeld geparkte Flugzeuge, darunter ein neuer Airbus 330 im Wert von 250 Millionen US-Dollar.

Parlament plant Umzug nach Bengasi

Nach Angaben der libyschen Regierung bekam auch der Tower schwere Treffer ab. Regierungschef Abdullah al-Thinni bezeichnete die Angreifer als Kriminelle. Der Flugverkehr über Westlibyen war bereits am Sonntag vorübergehend eingestellt worden.

Hintergrund der Gefechte dürfte das schlechte Abschneiden der Islamisten bei der Parlamentswahl im Juni sein. Die Verlierer fürchten jetzt um ihren Einfluss. In den vergangenen zwei Jahren konnte die Misrata-Allianz Entscheidungen des Übergangsparlaments unter Androhung von Gewalt zu ihren Gunsten beeinflussen.

Das neu gewählte Repräsentantenhaus plant daher den Umzug nach Bengasi, um sich den Milizen zu entziehen. Allerdings halten auch in der östlichen Mittelmeermetropole seit vergangener Woche Kämpfe zwischen Islamisten und der Armee die Bewohner in Atem.

In Bengasi versucht der pensionierte General Khalifa Hafter die mit Islamisten in Syrien verbündeten Milizen Ansar al-Sharia und Rafallah Shati aus der Stadt zu vertreiben. Sintan gilt als Verbündeter Hafters, die Muslimbrüder wollen ihn vor Gericht sehen.

Unterdessen zogen die UN am Montag ihre Libyen-Mission Unsmil ab. Das UN-Gelände war zuletzt von einer Sicherheitsfirma bewacht worden, die sich nach Kämpfen mit dem von Sintan kontrollierten Innenministerium als lokale Stadtteilmiliz herausstellte.

„Es ist mittlerweile schwer zu sagen, mit wem man es tatsächlich zu tun hat“, sagte ein UN-Sicherheitsmitarbeiter gegenüber der taz. Vor dem Hintergrund der jüngsten Kämpfe erwägt die libysche Regierung erstmals, zur Unterstützung der schwachen Armee um internationale Militärhilfe zu bitten.

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9 Kommentare

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  • Westerwelle hatte gewarnt, aber wer hört schon auf dumme Liberale........

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Jörg 70:

      Wovor hat er gewarnt? Vor liberalen Teppichschmugglern?

  • „Es ist mittlerweile schwer zu sagen, mit wem man es tatsächlich zu tun hat“

     

    Wie geht es dann erst den einfachen Leuten in Libyen? Früher hatten sie einen Tyrannen, den sie einzuschätzen gelernt hatten. Jetzt haben sie 100 Tyrannen und wissen nicht, welcher morgen vorbei kommt, um sie zu drangsalieren.

     

    Es ist eben immer das gleiche Problem. Es reicht nicht, zu wissen wem man loswerden will. Man muss auch vorher abschätzen, wem man dafür bekommt. Und eine Hand voll Demokratieschwärmer macht noch lange keine Demokratie.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Jaja. Mal eben den Tyrannen liquidieren, damit ist es halt nicht getan. Irak, Afghanistan, Lybien. So langsam sollte der westliche James Bond-Fan den Unterschied zwischen Drohnen-Phantasterei und Realität doch mal bemerken.

    • @90191 (Profil gelöscht):

      Wieso? Ben Ali ist weg und Kurdistan geht es gut. Drohnen sind moderne Waffen. Es schießt auch keiner mehr mit der Armbrust. Syrien ist jetzt also das Positiv-Beispiel wie man es machen soll? Oder Somalia, das sich langsam stabilisiert. Das Land heißt übrigens Libyen.

  • Sintan? Gemeint ist wohl Alzintan, aber das ist eine Stadt. Wie will man die vor Gericht stellen? "Es ist mittlerweile schwer zu sagen, mit wem man es tatsächlich zu tun hat“ ... Ach so :-))

  • Unbequeme Frage: Könnte es sein, dass bei den Konflikten, die derzeit im Nahen Osten und in Nordafrika eskalieren, der Klimawandel eine Rolle spielt? Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte wachsende Wüsten, dadurch weniger Ernten, soziale Not, und aus diesem Grund verschärfte Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen? Klar, die unterschiedlichen Konfliktparteien haben vorher schon bestanden, aber die langsam wachsende Not kann ihre Auseinandersetzungen durchaus intensivieren...

     

    ... und wenn der Klimawandel dabei eine Rolle spielt, dann liegen diese Eskalationen durchaus mit in unserer Verantwortung.

    • @Smaragd:

      Die Eskalationen liegen mit in unserer Verantwortung, aber mit dem Klimawandel hat das wenig zu tun. Der Klimawandel ist aber eine tolle Ausrede.

    • @Smaragd:

      "und wenn der Klimawandel dabei eine Rolle spielt, dann liegen diese Eskalationen durchaus mit in unserer Verantwortung."

       

      ... und das ist natürlich das Wichtigste. Kann ja nicht angehen, dass für irgendwelche Probleme in der Welt mal wer anders verantwortlich sein könnte, als "wir", oder "der Westen"