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Kabinett beschließt BundespolizeigesetzMehr Drohnenabwehr – und mehr Überwachung

Innenminister Dobrindt kündigt ein Drohnenabwehrzentrum und mehr Befugnisse für die Bundespolizei an – auch die Bundeswehr soll eingreifen dürfen.

Darf künftig nicht nur Racial Profiling, sondern auch Drohnen­abwehr und Abschiebehaft: Bundes­polizei Foto: Enrique Kaczor/onw-images/dpa

Berlin taz | Es bleibt eine Fußnote in der Geschichte, aber das vor allem von den Liberalen herbeigeführte vorzeitige Ende der Ampelkoalition sorgt nun dafür, dass ein CSU-Innenminister mit Law-and-Order-Profil das erste Bundespolizeigesetz seit 1994 erarbeitet. Und liberaler ist es dadurch nicht geworden. Im Gegenteil: Minister Alexander Dobrindt war es wichtig, beim Pressestatement am Mittwoch ungefragt mitzuteilen, dass das Gesetz nichts Wokes mehr enthalten würde.

Oder wie Dobrindt es ausdrückte: „Wir haben das größte Vertrauen in unsere Polizei. […] Elemente, die von politischen Dimensionen, von Misstrauen getrieben waren, finden sie hier nicht wieder.“ Entsprechend ist das neue Bundespolizeigesetz ein Schritt in Richtung mehr Autoritarismus und Überwachung.

Dobrindt wirft viele von der Ampel geplante Änderungen zur transparenten Überwachung der Polizei (O-Ton: „Misstrauenselemente“) über Bord: Es soll weiter anlasslose (und zumeist sinnlose) Kontrollen in Bahnhöfen und keine Ausstellung von Kontrollquittungen gegen Racial Profiling geben. Dafür dürfen Bun­des­po­li­zis­t*in­nen künftig Menschen direkt in Abschiebehaft nehmen, freute sich Dobrindt. Hinzu kommt das CSU-obligatorische Mehr an Überwachung: Handyortung, Staatstrojaner und Fluglisten aus dem Nicht-EU-Ausland sollen der Bundespolizei standardmäßig vorliegen.

Doch der Ausbau des Überwachungsstaates blieb an diesem Mittwoch im Innenministerium eine Randnotiz: Den Schwerpunkt legte der Minister auf die Drohnenabwehr.

Es gibt großen Handlungsdruck, nachdem es in den letzten Monaten vielfach zu illegalen Überflügen gekommen war. Drohnen legten europäische Flughäfen lahm und sollen kritische Infrastruktur überflogen haben. Spätestens seit der russischen Luftraumverletzung in den Nato-Ländern Polen und Estland ist die Aufmerksamkeit erheblich gestiegen.

Bundeswehr soll bei Drohnenabwehr helfen

Dobrindt versicherte, dass man alles im Griff habe: Man werde noch in diesem Jahr ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum einrichten. Im neuen Gesetz habe man geregelt, dass die Bundespolizei nun Maßnahmen zur Abwehr von Drohnen ergreifen könne. Eine Sondereinheit, die „in Kürze“ aufgestellt werde, soll Teil der Bundespolizeidirektion 11 werden, der auch das Spezialeinsatzkommando GSG 9 untergeordnet ist. Sie sollen Landespolizeien künftig unterstützen können.

Man sei technisch auf der Höhe der Zeit, versicherte Dobrindt, könne mit elektromagnetischen Impulsen und „Jamming“ reagieren, aber auch Abfangen und Abschießen soll künftig möglich sein. Dennoch sei man bei militärischen Drohnen oder auch Drohnenschwärmen auf Amtshilfe der Bundeswehr angewiesen. Dafür wolle man in Abstimmung mit der SPD das Luftsicherheitsgesetz ändern, so Dobrindt.

Dass man vielleicht doch nicht auf Höhe der Zeit ist, wurde deutlich, als Dobrindt davon sprach, dass man zudem in Entwicklung und Forschung investieren und für Drohnenabwehr Expertise aus der Ukraine und Israel anzapfen wolle. Welche Technik wann zur Verfügung stehe, konnte Dobrindt ebenso wenig sagen. Man sichte derzeit noch den Markt.

Derweil kursierten Zahlen in Regierungskreisen, dass Geräte für 90 Millionen Euro angeschafft und 341 zusätzlich Mit­ar­bei­te­r*in­nen eingestellt werden sollen.

Kritik von Experten und Opposition

Die Linken-Politikerin Clara Bünger kritisierte die geplante Einbindung der Bundeswehr als verfassungswidrig: „Die Abwehr von Gefahren im Inland ist Aufgabe der Polizei, nicht der Bundeswehr.“ Wer hier Kompetenzen verschiebe oder die Abwehr von Drohnen militärisch regeln wolle, weiche die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit auf – „bei der Bundesregierung habe ich allerdings den Eindruck, dass sie die vermehrten Drohnensichtungen instrumentalisiert, um Panik zu verbreiten, das Grundgesetz auszuhebeln und die Militarisierung der Gesellschaft voranzutreiben“, so Bünger.

Die Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei nannte die Innenpolitikerin „einen klaren Schritt in Richtung autoritärer Kontrolle“. Bünger forderte stattdessen eine Kennzeichnungspflicht und Maßnahmen gegen Racial Profiling: „Für Millionen Menschen ist es eine Alltagserfahrung, ohne konkreten Anlass von der Polizei verdächtigt und kontrolliert zu werden, meist wegen ihres vermeintlich ‚nichtdeutschen Aussehens‘“ Statt diese Befugnisse einzuschränken, würden Kontrollrechte der Bundespolizei etwa in Waffen- und Messerverbotszonen noch ausgeweitet.

Der grüne Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz hielt die Reaktion Dobrindts vor allem für reichlich verspätet: „Seit nunmehr etlichen Monaten beobachten wir immer wieder Drohnenüberflüge – über Bundeswehrstandorten, kritischen Infrastrukturen und Unternehmen. Der Bundesinnenminister hat diese Gefahr trotz zahlreicher Aufforderungen, auch aus Reihen der Innenministerkonferenz, viel zu lange ignoriert.“ Von Notz mahnte weitere Maßnahmen an – Schutz vor Drohnen sei nur ein Baustein im Kampf gegen hybride Bedrohungen – eine schlüssige Gesamtstrategie mit Reformen beim Schutz kritischer Infrastruktur, beim Nachrichtendienstrecht oder der Stärkung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik sei „überfällig“.

Kritik kam auch von Manuel Atug, Sicherheitsexperte der AG Kritis, einer 42-köpfigen Experten-Gruppe des Chaos-Computer-Clubs, die sich zum Schutz kritischer Infrastruktur gegründet hat. Atug kritisierte zum einen den geplanten Einsatz der Bundeswehr im Innern als „offensichtlich verfassungswidrig“ aus „berechtigten historischen Gründen“ und nannte zum anderen das geplante Drohnenabwehrzentrum „einen weiteren Akteur im Wimmelbild der Verantwortungsdiffusion mit Stuhlkreisen und geheim gehaltenen Lagebildern.“ Hilfreich für Transparenz und Aufklärung als auch zur Abwehr von Desinformation wäre etwa die transparente Veröffentlichung von Lagebildern.

Er mahnte an, den Schutz nicht nur auf Flughäfen zu fokussieren, sondern auf bisher im geplanten Kritis-Dachgesetz unbeachtete kritische Sektoren wie Staat und Verwaltung, Großforschungseinrichtungen und Chemie sowie Medien und Kultureinrichtungen. Ebenso müsse man alle Betreiber kritischer Infrastruktur über das Dachgesetz dazu verpflichten, Drohnen-Detektion und -Abwehr vorzunehmen und Sichtungen den Behörden zu melden.

Atug sagte: „Es gibt nicht die eine Silver-Bullet-Lösung. Wirksame Drohnenabwehr ist leider eine komplexe Angelegenheit. Es brauche unterschiedliche Szenarien, passend zu unterschiedlichen Drohnentypen und -bedrohungen.“ Eigentlich sei das Problem uralt, denn seit es Drohnen gebe, würden diese genutzt, um etwa Drogen und Handys zu Gefangenen in Justizvollzugsanstalten zu transportieren. Auch kritische Infrastrukturen würden seit langem – nicht nur durch Drohnen – ausspioniert. Bislang vernachlässige man allerdings den Schutz davor.

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16 Kommentare

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  • taz: *Minister Alexander Dobrindt war es wichtig, beim Pressestatement am Mittwoch ungefragt mitzuteilen, dass das Gesetz nichts Wokes mehr enthalten würde.*

    Die CDU/CSU-"Politiker" haben anscheinend alle die Donald-Trump-Schule erfolgreich absolviert.

    Die Unions-"Politiker" hoffen wohl, dass sie gewählt werden, wenn sie sich so benehmen wie die AfD. Hat der BlackRock-Mann nicht sogar mal getönt, dass er die AfD halbieren will? Von dem Ziel ist er weiter entfernt als je zuvor. Laut Umfragen liegt die AfD erstmals vor der CDU. Übrigens mag die AfD die russische Politik von Putin sehr gern, und unsere Rechtskonservativen wählen ohnehin lieber das blaue Original, als diese Merz/Söder/Spahn/Dobrindt-Attrappe.

    Die Merz-Söder-Union macht im Grunde nur Wahlkampf für die AfD, aber merken tun sie es nicht - oder vielleicht doch? Das wäre dann natürlich eine ganz andere Geschichte und dann wären wir wieder bei der 'Donald-Trump-Schule'.

    taz: *Atug sagte: "Wirksame Drohnenabwehr ist leider eine komplexe Angelegenheit."*

    Komplexe Fragen und deren Lösungen sollte man auf keinen Fall einem CDU/CSU-"Politiker" überlassen - das kann dann nur schiefgehen.

  • Was mir bei dem ganzen Gerede über Drohnen immer noch fehlt ist die Info: waren es nun russische Drohnen oder nicht?!?



    Kann doch nicht sein, dass bei alle den Sichtungen in Europa in der letzten Zeit, nicht EINE EINZIGE davon zurück verfolgt werden konnte.....

    • @PartyChampignons:

      Mindestens genauso wichtig wie die Frage, von wem die Drohnen eigentlich kamen, ist es für unsere CDU/CSU Union, die Bevölkerung auf Linie zubringen, was Rüstung & Wehrdienst / Wehrpflicht betrifft.

  • Ja wie? Bundespolizei?

    Polizei ist Ländersache



    KIriki



    “Warum ist das so?



    Föderalismus: Deutschland ist ein föderaler Staat, bei dem die Macht zwischen dem Bund und den Ländern geteilt ist. Die Polizei ist ein klassisches Beispiel für die "Polizeihoheit der Länder".



    Nach dem Grundgesetz (Art.30/70 GG) gehört die allgemeine Ausübung staatlicher Befugnisse und die Gesetzgebung dazu auch dem Polizeiwesen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder.



    Orts- und bürgernahe Polizeiarbeit: Die Zuständigkeit der Länder ermöglicht eine bürgernahe Polizeiarbeit, da die Strukturen an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden können.“



    “Als die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 gegründet wurde, war der Aufbau der Landespolizeien weitgehend abgeschlossen. Dem Bund waren anfangs nur wenige spezialpolizeiliche Befugnisse zugestanden worden, im Wesentlichen solche des Grenzschutzes und die einer kriminalpolizeilichen Nachrichtensammelstelle.



    Das Grundgesetz bestätigte die Polizeihoheit der Länder, die schon von den Westalliierten angeordnet worden war!!

    Ach was! ©️ Loriot



    Däh riß jemand von der paramilitärischen Einrichtung (nix Polizei!) BGS post Wende -



    Firmenschild & Polizei 🙀

    • @Lowandorder:

      ...& unser Nachbarsjunge - 5 Lenze alt, fragte mich heute, ob wir jetzt nicht alle ne' Zwille vom Onkel Wursti 🌭 aus dem Bayernländle bekommen würden...schmunzel 🤣

    • @Lowandorder:

      Much all weesen! But.

      Nerve ja nicht ohne Grund da capo & a 🥱



      In der Sache hier rum.



      In einer Demokratie, die den Namen verdient!



      Unterfallen derartige strukturelle Abänderungen dem Öffentlichen Prozeß eh‘s via Parament eine Umsetzung erfährt & nicht klandestin under Cover! Wollnich



      &



      Was ihr angezogenes Föderalismus Machtergreifung angeht, lagen die Karten in Preußen via Robert Kempner ja auf dem Tisch • Es war MP Heinrich Brühning (mein größter Fehler) der die unabweisbaren Unterlagen in den Schreibtisch wegschloss!



      de.wikipedia.org/wiki/Robert_Kempner



      Hat mit Föderalismus nüscht zu tun.



      “Justiz-Dämmerung: Auftakt zum Dritten Reich. Unter dem Pseudonym Eike von Repkow. Volksfunk-Verlag, J.H.W. Dietz Verlag, Berlin 1932, DNB 572974132. Kempner konnte den Beitrag 1932 nur anonym veröffentlichen, da er im preußischen Innenministerium angestellt war. In der Bundesrepublik gab es 1963 einen fotomechanischen Nachdruck im Selbstverlag.



      Amerikanische Militärgerichte in Deutschland. Hans-Jochen Vogel*, Helmut Simon, Adalbert Podlech (Hrsg.): Die Freiheit des Anderen. Festschrift für Martin Hirsch.



      ☕️*“17 nichn bischen jung für die Uni?“



      “Für die Wehrmacht hat‘s gelangt!“;)☕

    • @Lowandorder:

      Sie haben noch etwas Wichtiges vergessen: wie der Föderalismus der Weimarer Republik die Machtergreifung verhindert hat. Unser Föderalismus ist einfach nur krank. Alles, was nicht funktioniert, ist Ländersache. Es beginnt mit den Schulen, geht über 20jährige Gerichtsverfahren und endet in den Gefängnissen.

      • @Claude Nuage:

        Siehe oben •

        ps a ☕️☕️ Hans-Jochen Vogel/Uni Mbg - Hochstift Freising

      • @Claude Nuage:

        Hab ehna geantwortet - hängt aber noch im Netti⛓️🗄️ ab! Newahr



        Normal

    • @Lowandorder:

      Auch heute schon kann die Polizei die GSG9 als Unterstützung rufen

  • ... wie Dobrindt es ausdrückte: „Wir haben das größte Vertrauen in unsere Polizei. […] Elemente, die von politischen Dimensionen, von Misstrauen getrieben waren, finden sie hier nicht wieder.“



    ---



    Kein Wunder, denn der Innenminister handelt wohl nach Lenin:



    "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!" :-(

    Nur die "Seite" der ER vertraut, hat Er dabei verwechselt!

    Der Bundesgren..., ähm, die "Budenpolizei" ist ein massiver "Störfaktor" in unserem föderalen Polizeigefüge. Polizei ist, nicht ohne Grund, in DE "Ländersache"!



    Da erzeugt, dass was D. heute feiert, unschöne Gedanken an eine Zeit in der die föderale Polizei, die auch mMn. mehr Transparenz & Kontrolle brauchte, in der eine Regierungspolizei in Berlin ÜBER den regionalen Polizeien stand! :-(

    Btw. Mit dieser Änderung wird mMn. kein Einsatz "SEINER" Polizisten effektiver! So lange die "ander Grenze" rumstehen, mir mehr als mäßigem Erfolg, bleiben im Inland, bei Bahn, usw. LÖCHER ohne Ende.

    Da wären mMn. mal Veränderungen nötig!

    Das scheint in Doberind's "Weltbild" nicht angekommen zu sein, nicht zu passen! ;-(



    Ps. Passt aber mMn. Planparallel in die "Welt & Bild-er" einiger Leute & Medien/Parteien/Denkrichtungen! :-)

  • Gerade die Deutschen haben schon zweimal mit dem Überwachungsstaat sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Sie sollten es besser wissen. An dieser Problematik ändert auch die von den USA verursachte Terrorhysterie nichts. Nicht zuletzt sind die Drohnen höchstwahrscheinlich russischen Ursprungs, und somit ausschliesslich das Problem der Bundeswehr, die aber leider eher nicht zum Abschuss kommen wird, weil der Regierung das nötige Rückgrat fehlt.



    Also bespitzelt man lieber den wehrlosen Bürger etwas mehr.

    • @Resistor:

      Sie beschreiben DEN Unterschied zwischen dem Homo sapiens und den dummen Tieren:



      Die dummen Tiere sind fähig, aus Erfahrungen zu lernen.

  • Die Drohnenabwehr in die unfähigen Hände von Herrn Dobrindt zu legen, ist ein Witz.

    Luftabwehr ist Sache der Bundeswehr. Die Polizei hat nicht am Himmel rumzuballern. Gleich Recht nicht, wie sich das schon wieder ein bekannter Landesfürst vorstellt.

    Und wenn man die sinnfreien Grenzkontrollen wieder runterfährt, hätte die Polizei vielleicht auch Personal, um Patrouillen in die Nähe wichtiger Objekte zu schicken. Die könnten sich dann damit beschäftigen, die Drohnenpiloten einzusammeln. Oder will man die Täter nicht ermitteln, weil die Politik schon festgelegt hat, wer die Täter sind?

  • In meinen Ohren drohnts,



    Die Überwachung klonts