Jungtier-Abschuss in Niedersachsen: Verunglückte Wolfsjagd
Niedersachsen lässt wieder Jagd auf „Problemwölfe“ machen. Dabei wird statt des gesuchten Paares erneut versehentlich ein Jungtier erschossen.
Das im Amt Neuhaus ansässige Rudel wird für Angriffe auf Nutztiere verantwortlich gemacht. Seit 2017 habe es dort „vermehrt“ Übergriffe gegeben, teilte das Ministerium mit. Bei den Rissen vor allem von Schafen sollen Schäden in Höhe von insgesamt rund 6.000 Euro entstanden sein. DNA-Analysen hätten die Mitwirkung der beiden rudelführenden Wölfe nachweisen können.
Weil Herdenschutztiere, Vergrämung und weitere Mittel nicht geholfen hätten, erteilte das zuständige Landesamt für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz am 29. November die Ausnahmegenehmigung zur Entnahme der beiden Wölfe: „Dadurch sollte verhindert werden, dass die Tiere untypische Jagdtechniken weitergeben.“
Die Abschussgenehmigung ist bis Ende März 2022 befristet. Nach dem Abschuss des Jungwolfes wurde der Vollzug zwar zunächst ausgesetzt, er könne aber „unmittelbar wieder aufgenommen werden“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Identität der mit dem Abschuss beauftragten Jagdleute hält das Ministerium geheim, um sie zu schützen.
Trotz des Fehlabschusses sieht sich das Ministerium rechtlich auf der sicheren Seite. Da die Wölfe im Gelände nicht zweifelsfrei identifiziert werden können, müssten sich die Jäger am „räumlich-zeitlichen Zusammenhang in Anknüpfung an die Schadensereignisse“ orientieren. Die Tötung des weiblichen, nicht trächtigen Wolfs aus dem Rudel sei demnach vom Bundesnaturschutzgesetz gedeckt.
Scharfe Kritik am Vorgehen des Umweltministeriums kommt von den Grünen und vom Freundeskreis freilebender Wölfe. „Die tote Wölfin in Amt Neuhaus ist der fünfte Fehlabschuss in Folge“, sagt der naturschutzpolitische Sprecher der Landtagsgrünen und Ex-Agrarminister Christian Meyer. Wie in den vorausgegangenen Fällen sei erneut keiner der beiden gesuchten „Problemwölfe“ getötet worden, sondern eine Jungwölfin, die nicht an Nutztierrissen beteiligt gewesen sei. Meyer: „Wir fordern ein sofortiges Moratorium für die irrlichternde Wolfsjagd von Umweltminister Lies.“
Aus Meyers Sicht ist dessen Abschusspraxis rechtlich zweifelhaft und zudem völlig wirkungslos. Die bisherigen Wolfstötungen verhinderten keinen einzigen Nutztierriss. Auch bei der EU-Kommission gebe es Zweifel, ob Abschüsse beliebiger Wölfe rechtmäßig seien. Die Kommission habe daher im vergangenen Jahr mit Verweis auf eine Häufung der Wolfstötungen in Niedersachsen ein Pilotverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Weil das Ministerium die Abschussgenehmigungen im Vorfeld geheim hielt, hätten diese auch nicht gerichtlich überprüft werden können, bemängelt Meyer. Die Grünen halten dies für verfassungswidrig und klagen dagegen beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof. Eine Entscheidung will das Verfassungsgericht des Bundeslandes am 8. Februar verkünden. Anhängig ist zudem eine Klage des Naturschutzbundes (Nabu) gegen die vor einem Jahr in Kraft getretene Wolfsverordnung.
Hobbyjäger auf der Pirsch
Der Freundeskreis freilebender Wölfe kritisiert, dass das Land seine Wölfe nach eigenen Kriterien beurteile. Eigentlich gelte die Definition „Problemwolf“ für Tiere, die mehrfach empfohlenen Herdenschutz überwunden hätten. „In Niedersachsen reicht es, dass sie einen Grundschutz mehrfach überwunden haben“, sagt der Freundeskreis-Vorsitzende Ralf Hentschel.
Auch würden in dem Bundesland nicht ausgebildete Hobbyjäger auf die Pirsch geschickt. „Es gibt aber geschulte Leute, die Welpen und erwachsene Wölfe unterscheiden können, bei guten Bedingungen auch das Geschlecht“, sagt Hentschel. „Das würde Fehlabschüsse extrem minimieren.“
Abschüsse störten zudem das Sozialgefüge in einem Wolfsrudel. „Sie können dafür sorgen, dass schlechte Erfahrungen mit Herdenschutz-Maßnahmen wie etwa Schmerzen durch Stromlitzen nicht weitergegeben würden und die Risse dadurch zunehmen.“
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