Klatsche für Niedersachsens Ministerium: Gericht legt Wolfsjägern Handwerk

Niedersachsen hatte erlaubt, Wölfe abzuschießen, ohne dass ihnen Risse von Nutztieren nachgewiesen wären. Ein Gericht stoppt die Genehmigung vorerst.

Ein Wölf im Wisentgehege Springe heult auf einem umgefallenen Stamm stehend

Dürfte nur abgeschossen werden, wenn er als Übeltäter identifiziert wäre Foto: Julian Stratenschulte/dpa

GÖTTINGEN taz | Es ist ein juristischer Erfolg von Umweltschützern gegen das Land Niedersachsen: Wölfe aus den in freier Wildbahn lebenden Rudeln bei Garlstedt im Kreis Osterholz-Scharmbeck und Schiffdorf im Kreis Cuxhaven dürfen – zumindest vorerst – nicht abgeschossen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Oldenburg am Dienstag entschieden und damit den Eilanträgen von zwei Naturschutzverbänden stattgegeben.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz ­(NLWKN) hatte am 14. Januar Ausnahmegenehmigungen für den Abschuss nicht näher bestimmter Wölfe aus beiden Rudeln erteilt. Dagegen legten die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe und der Freundeskreis freilebender Wölfe Widerspruch ein. In Eilverfahren gab das Verwaltungsgericht jetzt deren Anträgen auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz statt und stellte fest, dass die Widersprüche eine aufschiebende Wirkung haben (Az. 5 B 22 und 5 B 294/22).

Die Ausnahmegenehmigung erweise sich „bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig“, erklärte das Gericht zur Begründung. Darin sei – „soweit ersichtlich erstmals in der Bundesrepublik Deutschland“ – sowohl auf die Individualisierung eines schadenverursachenden Wolfs als auch auf eine klare Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Rudel verzichtet worden.

Rudel nicht nachweisbar gefährlich

Niedersachsen habe damit den Anwendungsbereich von Paragraf 45a des Bundesnaturschutzgesetzes in unzulässiger Weise erweitert. Dieser Paragraf sehe allenfalls die „Entnahme“ von Wölfen aus einem Rudel vor und sei im Übrigen eng auszulegen.

Zudem sieht das Verwaltungsgericht keine hinreichende Grundlage für die Annahme des NLWKN, dass bei den Wölfen aus dem Rudel Garlstedt das Überwinden von Schutzvorkehrungen zum erlernten und gefestigten Jagdverhalten gehört: „Somit fehlt es bezüglich dieses Rudels an dem Erfordernis, dass von diesem Rudel die Gefahr ernster landwirtschaftlicher Schäden ausgeht“, sagte ein Gerichtssprecher.

„Wir sehen den erfreulichen Erfolg im Eilantrag als ersten Schritt zu einer Neuausrichtung der niedersächsischen Wolfspolitik“, kommentiert Peter Blanché, Vorstand der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe, den Gerichtsbeschluss. Es sei dem Land ganz offensichtlich nicht mehr um den Abschuss eines als „Täter“ erkannten Wolfsindividuums gegangen, „sondern um das Schießen in zwei Wolfsrudel hinein, solange bis die Angriffe aufhören“.

Erstmals hätten die Behörden nicht mal den Versuch unternommen, den „richtigen Täter“ zu individualisieren und dann zu töten. „Mit dieser Abschussgenehmigung wurde die komplette Sippenhaft der Rudel in Schiffdorf und Garl­stedt eingeführt“, so Blanché. „Im Extremfall hätten damit zwei ganze Wolfsrudel ausgelöscht werden können.“

Auch die Grünen zeigen sich überaus erfreut über die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts. Das Gericht habe Umweltminister Olaf Lies (SPD) die „Rote Karte“ gezeigt, sagte der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer am Mittwoch. „Die willkürliche Jagdpraxis des SPD-Umweltministers mit bislang sechs Fehlabschüssen ist damit auf der ganzen Linie gescheitert.“

„In keinem anderen Bundesland werden so viele Wölfe erschossen wie in Niedersachsen“, erklärte Meyer weiter. „Kein einziger war in der Amtszeit von Minister Lies ein gesuchter Problemwolf. Was die Große Koalition hier tut, ist kein Wolfsmanagement, sondern eine unverhohlene rechtswidrige Wolfsjagd.“ Zuletzt wurde im Landkreis Lüchow-Dannenberg eine junge Wölfin abgeschossen, die Ausnahmegenehmigung war für ein anderes Tier erteilt worden. Die Tierrechtsorganisation Peta hat deshalb Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg gestellt.

Niedersachsens Ministerium weiter von sich überzeugt

Die Grünen verlangen nun ein sofortiges Moratorium für Wolfsabschüsse in Niedersachsen. Die Genehmigungspraxis des Landes könne so nicht weitergeführt werden, sagt Meyer. Die Serie der Wolfstötungen in Niedersachsen sei unvereinbar mit dem europäischen Naturschutzrecht. Die Grünen wollten daher Beschwerde bei der EU-Kommission einlegen.

Anhängig ist noch eine Klage des Naturschutzbundes (Nabu) gegen die niedersächsische Wolfsverordnung. Die Umweltorganisation bemängelt unter anderem, dass die Landesregierung den Schwerpunkt auf den Abschuss von Wölfen lege, statt verstärkt in den Herdenschutz zu investieren. Wo in Wolfsgebieten konsequent Herdenschutzmaßnahmen umgesetzt würden, gehe die Zahl der Nutztierrisse nachweislich zurück.

Das niedersächsische Umweltministerium zeigt sich unterdessen ungeachtet des aktuellen Oldenburger Richterspruchs „von der Richtigkeit unseres grundsätzlichen Vorgehens überzeugt“. Die Notwendigkeit zu handeln sei angesichts der Rissereignisse in diesem Winter in den Landkreisen Cuxhaven und Osterholz groß, sagte Ministeriumssprecher Christian Budde der taz.

Gleichwohl werde sich das Ministerium den Beschluss nun noch einmal genau anschauen und die Punkte des Gerichts bei künftigen Ausnahmegenehmigungen berücksichtigen. Ein unmittelbarer zeitlicher Druck bestehe derzeit ohnehin nicht: „Ab dem 1. April sehen wir aus Gründen des Welpenschutzes grundsätzlich von Entnahmen ab.“

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