Julia Klöckner und die taz: Noch so ein Lob und die taz geht ein
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat die linke taz mit dem rechten Portal Nius gleichgesetzt. Jetzt wird die taz verteidigt, auch von der Politik.

Z u der unsäglichen Nius-taz-Gleichsetzung von Bundestagskönigin Julia Klöckner ist längst alles Notwendige gesagt, aber noch nicht von allen. Und das ist ein Problem. Die eigentlich absurde Debatte über die offensichtlichen Unterschiede zwischen einer Hetzplattform und einer Zeitung geht weiter. Selbst Menschen, die noch nie die taz gelesen haben, geschweige denn Nius, sprechen Redakteur*innen auf den Trubel an: „Ganz schön was los bei euch, wa!“
Ist doch super, wir sind im Gespräch. Aber je mehr Prominente aus dem Regierungsviertel sich befleißigt fühlen, lobreiche Solidaritätsadressen an die taz zu schicken, desto mehr kippt hier die anfangs gute Stimmung. Alles nett gemeint, aber bei mancher Sympathiebekundung wurde schon geweint. Erst vor Rührung, dann aus Scham. Es sind einfach zu viele Liebeserklärungen aus mittigen Mündern für ein Presseorgan, das den einst verkündeten Anspruch nie offiziell revidiert hat, „täglich eine linke, radikale Zeitung“ auf den Markt zu bringen – und das nun von der stellvertretenden SPD-Fraktionschefin Wiebke Esdar zu hören bekommt, lobenswerterweise „nach den Regeln des seriösen Journalismus“ zu arbeiten – im Gegensatz zu Nius, okay, danke.
Aber spätestens als der geschätzte Ex-Kollege und Kirchenexperte Philipp Gessler kundtat, er empfinde die taz als „hoch professionell und ethisch sauber, ja staatstragend“, runzelten schon einige die Stirn. Der Zenit war endgültig erreicht, als der grüne Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour zum Redaktionsbesuch erschien, um die taz als eine „Verteidigerin unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu adeln. Auch dafür danke. „Aber dafür“, röchelten alte taz-Säcke wie der Autor dieser Zeilen den traditionellen, ewigen Stoßseufzer, „ist die taz doch nicht gegründet worden!“ Wir sind doch die Radikalen und Rebellen, die den fehlerhaften Staat anprangern! Nur was bedeutet das in einer Zeit, in der immer mehr Rechtsextreme diesen demokratischen Staat bedrohen? Schon klar: Safety first. Aber seriös den Staat tragen? Wir? Tja, wahrscheinlich. Aber: Hilfe!

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
„Ich dachte, die taz sei staatstragend und brav, solange die Grünen/Linken an der Regierung sind“, spottete Ex-Kollegin Eva Schweitzer. Zumindest Letzteres lässt sich eindeutig dementieren: Die taz war noch nie brav regierungsfreundlich, wenn die Linkspartei regiert hat.
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