Journalisten in der Ukraine: Fragwürdiger Personenschutz
Der Generalstaatsanwalt spricht von einer „Todesliste“ des Kreml mit 47 Namen. Nicht allen Betroffene gefallen die geplanten Schutzmaßnahmen.
Noch am Donnerstag hatte Luzenko von 30 Personen gesprochen. Noch ist die Liste nicht öffentlich. Ukrainische Medien nennen indes 17 Namen bekannter Journalisten und Moderatoren. Unter ihnen sind die exilrussischen Fernsehmoderatoren Ewgeni Kiselew und Matwej Ganapolski, die ukrainische Moderatorin Tatjana Danilenko, die Chefredakteurin des Internetportals „Das linke Ufer“, Sonja Koschkina, die Journalisten Juri Makarow, Osman Paschajew und Sergei Iwanow.
Diese 17 Personen waren am Freitag kurzfristig von Staatsanwaltschaft und Inlandsgeheimdienst zu einem Gespräch vorgeladen worden, über deren Inhalt die Teilnehmer Stillschweigen zusagen mussten. Nach dem Gespräch, so Luzenko, „mussten alle eine Erklärung zum Personenschutz unterschreiben“ und hätten mit Ermittlungsbeamten gesprochen.
Viele Journalisten äußerten Kritik. Der Journalist Igor Burdyga bezeichnete die Liste der 47 Putin-Opfer als „Operation Multi-Babtschenko“. Alexander Dubinski vom Fernsehkanal „1+1“ fürchtet, dass die „Todesliste des Kreml“ den ukrainischen Machthabern ermögliche, unliebsame Journalisten loszuwerden. Warum sollte Putin Journalisten aus dem Weg räumen wollen, die die Machthaber kritisierten, fragt er sich.
Warnung vor Überwachung
Der Jurist Andrej Portnow warnt vor einer Überwachung von Journalisten durch Personenschützer. Diese würden sich nicht nur auf den Personenschutz beschränken. Vielmehr können sie sich ein genaues Bild machen von Fahrten, die ein Journalist unternimmt. Sie könnten zuhören, mit wem der zu Schützende telefoniere und wer ihn besuche. Ein Personenschützer könne auch elektronische Kommunikation überwachen.
Einige ukrainische Journalisten stehen hinter dem Vorgehen von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft. „Für mich ist der inszenierte Mord ein absolut gesetzeskonformes Mittel zur Entlarvung von Organisatoren und Auftraggebern eines Mordes“, sagte sich Sergei Iwanow von „1+1“ im Internetportal kp.ua.
Einer, der dieses Vorgehen ablehnt, ist der in Kiew lebende usbekische Journalist Narsullo Achunschonow. „Ein Journalist ist ein Journalist. Deswegen kann er nicht mit Geheimdiensten zusammenarbeiten“ so Achunschonow zur taz. Auch ihm habe der usbekische Geheimdienst eine Zusammenarbeit angeboten. Er ärgere sich, dass der ukrainische Staat einen Teil der Journalisten schütze, anderen aber, wie ihm, nicht diesen Schutz zukommen lasse.
Achunschonow hatte aus Usbekistan in die Türkei fliehen müssen, weil er mit seiner offenen Kritik an den usbekischen Machthabern diesen ein Dorn im Auge war. Seit neun Monaten lebt er in der Ukraine. Den ersten Monat verbrachte er in Auslieferungshaft in Kiew, weil die usbekischen Behörden über Interpol einen Auslieferungsersuchen an die ukrainischen Behörden gerichtet hatten.
Vom Geheimdienst verfolgt
„Sogar hier in der Ukraine werde ich von usbekischen Geheimdienstleuten verfolgt“ sagt er. „Am 15. März wollten usbekische Geheimdienstler in Kiew mich und meine 5-jährige Tochter Schukrona in einem Lebensmittelgeschäft entführen.“ Das sei alles ein abgekartetes Spiel gewesen. Am Tag vor der geplanten Entführung seien die Überwachungskameras in dem Lebensmittelgeschäft verschwunden, berichtet Achunschonow.
„Ganz ungeniert stellt mir der usbekische Geheimdienst in Kiew nach. Das ist nur möglich, weil der usbekische Geheimdienst und der ukrainische zusammenarbeiten“, sagt Achunschonow.
Es sei gut, dass 47 gefährdete Journalisten nun Personenschutz vom Staat erhielten. Doch hier werde mit zweierlei Maß gemessen. Er als usbekischer Oppositioneller habe kein Anrecht auf Personenschutz.
Und so traue er sich nur sehr selten aus dem Haus. Dringend erforderliche Arztbesuche unternehme er nicht aus Angst vor einem erneuten Entführungsversuch durch usbekische Geheimdienstler mitten in Kiew. „Ich werde ständig verfolgt.“ sagt er resigniert.
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