piwik no script img

Johannes Paul II.Der unheilige Heilige

Kommentar von Gabriele Lesser

Dass Papst Johannes Paul II. von Missbrauch wusste, scheint bewiesen. Auf Strafverfahren und Entschädigungen warten polnische Opfer bis heute.

Offenbar auch keine großen Fans von Johannes Paul II. – Priesterinnen für Gleichberechtigung Foto: Dieter Endlicher/ap

H at Papst Johannes Paul II. als Erzbischof von Krakau pädophile Priester geschützt und ihre Straftaten vertuscht? Wollte er so den guten Ruf der katholischen Kirche schützen? Zwei Investigativjournalisten in Polen behaupten, dass sie dies für mindestens drei Fälle beweisen können.

Der Dokumentarfilm „Franciszkańska 3“ und das Buch des niederländischen Polenkorrespondenten Ekke Overbeek „Maxima Culpa – Johannes Paul II. wusste davon“ sorgten Anfang März für großes Aufsehen. Auch weil Film und Buch so gut dokumentiert sind, dass diese drei Missbrauchsfälle und das Wissen des späteren Papstes davon wohl als gesichert gelten können.

Doch für die polnischen Bischöfe sind die „Ehre“ und der „gute Ruf“ von Papst und katholischer Kirche wichtiger als die Anerkennung des menschlichen Leids. Wieder einmal behaupteten sie vor laufenden Kameras, dass sie alle Fälle von Kindesmissbrauch durch Priester aufklären wollten. Es solle eine eigene Expertenkommission gegründet werden, die Einblick in die Kirchenarchive bekommen solle.

Nur, das alles hat man schon mehrfach gehört. Mindestens eine staatliche Expertenkommission, die mit der Kirche eng zusammenarbeiten soll, gibt es auch schon, und doch mangelt es bis heute an belastbaren Ergebnissen, an Strafverfahren und Entschädigung für die Opfer, die über die Bezahlung einer Psychotherapie hin­ausginge. Am Ende schränkten die Bischöfe ihren Aufklärungswillen auch noch stark ein.

Franziskus war wenig hilfreich

Karol Wojtyła, den Erzbischof von Krakau und späteren Papst Johannes Paul II., würde die Aufklärung ohnehin nicht betreffen, da der ja ein Heiliger sei. Einen unheiligen Heiligen können sich auch die meisten katholischen Gläubigen in Polen nicht vorstellen. Obwohl der erste und einzige polnische Papst nun schon 18 Jahre tot ist, bezeichnen ihn in einer Umfrage rund 70 Prozent der Befragten als wichtigste moralische Autorität.

Dass Papst Franziskus mit seinem erstaunten Satz: „Ja, das hat man damals so gemacht. Man hat alles vertuscht!“, bei den meisten Polen kein Innehalten und kritisches Nachdenken ausgelöst hat, hängt mit seinem massiven Ansehensverlust seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine zusammen.

Irgendwann werden sich Polens Gläubige dennoch der Wahrheit stellen müssen. Johannes Paul II. wurde von Kirchenangestellten zu einem „Heiligen“ erklärt. Das war eine menschliche Entscheidung. Die Erkenntnis, dass Wojtyła zwar seine politischen Verdienste für die Freiheitsbewegung Polens hatte, aber beileibe kein Heiliger war, könnte sich während des kommenden Wahlkampfs in Polen durchsetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Polen
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!