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Jens Spahn und die MaskenaffäreLinken-Chefin fordert öffentliche Entschuldigung von Spahn

Der frühere Gesundheitsminister sagt wegen der umstrittenen Maskenbeschaffung im Haushaltsausschuss aus. Linken-Chefin Schwerdtner reicht das nicht.

Jens Spahn (CDU), damaliger Bundesminister für Gesundheit, bei einem Pressestatement während der Coronapandemie Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin afp | In der Maskenaffäre rund um den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Linken-Chefin Ines Schwerdtner eine öffentliche Entschuldigung des Politikers gefordert. Der Bundestagshaushaltsausschuss, in dem Spahn am Mittwoch Stellung nehmen will, tage nicht öffentlich und dort könne Spahn „viel erzählen“, sagte Schwerdtner im ZDF-„Morgenmagazin“. Zudem seien 40 der knapp 170 Seiten des zugehörigen Sonderberichts zur Maskenbeschaffung geschwärzt.

„Das muss an die Öffentlichkeit getragen werden“, sagte die Linken-Chefin daher. Sie fordere Spahn auf, „im Bundestag für alle zugänglich sich zu entschuldigen und zu sagen, warum er so gehandelt hat“. Die Kritik der Linken sei nicht, dass Spahn während der Coronapandemie Masken bestellt hat, „sondern wie er sie bestellt“ habe. Er habe Meinungen anderer Fachabteilungen ignoriert und Verträge an Firmen aus seinem Wahlkreis vergeben. „Da liegt doch der Verdacht nahe, dass sich hier ein CDU-Filz eingeschlichen hat.“

Die Linke fordert in dem Fall einen Untersuchungsausschuss. „Da ist noch viel aufzuarbeiten“, sagte Schwerdtner im ZDF mit Blick auch auf frühere „Maskendeals“ anderer Abgeordneter der Union.

Haushaltsausschuss untersucht Maskenbeschaffung

Spahn wird am Mittwochnachmittag im Bundestagshaushaltsausschuss erwartet. Ebenfalls dort sprechen will die aktuelle Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Sie will am Morgen zunächst im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum Sonderbericht zur Maskenbeschaffung Stellung nehmen. Das von der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof im Auftrag des früheren Gesundheitsministers Karl Lauterbach (beide SPD) verfasste Gutachten macht Spahn erhebliche Vorwürfe.

Union und SPD wollen die Coronapandemie nun mithilfe einer Bundestags-Enquetekommission aufarbeiten. Sie soll am Nachmittag eingesetzt werden – eine solche Kommission hat allerdings weniger Rechte als ein Untersuchungsausschuss. Auf Verlangen von Linken und Grünen debattiert der Bundestag zudem in zwei Aktuellen Stunden am Mittwoch und am Donnerstag über das Thema.

Auch die Grünen werfen Spahn sowie auch Warken mangelnden Aufklärungswillen vor. Besonders in den Kapiteln zu Direktverträgen mit einzelnen Unternehmen sei der Sonderbericht unkenntlich gemacht worden, kritisierte Fraktionsvize Andreas Audretsch in den Funke-Zeitungen. „Warum? Mit welchen Bekannten hat Jens Spahn welche Geschäfte gemacht?“ Hier brauche es Transparenz.

Ein juristisches Nachspiel hält FDP-Vize Wolfgang Kubicki für erforderlich. Es gebe „eine Menge Anhaltspunkte dafür, dass hier bewusst und nicht nur fahrlässig Steuermittel verschwendet worden sind“, sagte er dem Sender Welt TV. „Das schreit nach strafrechtlicher Verfolgung.“

Lobbycontrol fordert Rücktritt

Die Enquetekommission, die nun eingerichtet werden soll, hält Kubicki nicht für ausreichend. Ein solches Gremium sei „dazu da, wissenschaftlichen Sachverstand und politische Überzeugungen zueinanderzubringen, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen“. Der FDP-Vize betonte: „Sie hat aber keine Mittel der Beschlagnahmung von Akten oder der Vernehmung von Zeugen unter Strafandrohung. Insofern ist es ein Malus gegenüber einem Untersuchungsausschuss.“

Den Rücktritt Spahns als Unionsfraktionschef fordert die Organisation Lobbycontrol. Der Sudhof-Bericht zeichne „ein katastrophales Bild von der Vergabepraxis im Gesundheitsministerium“, erklärte Aurel Eschmann von Lobbycontrol. „Er stellt unmissverständlich klar, dass Spahns persönliche Alleingänge die Ursache für die Verschwendung von Steuergeldern in Milliardenhöhe sind.“

Eschmann spricht von „mehreren Verdachtsmomenten, dass Jens Spahn hoch dotierte Verträge an Personen und Firmen aus seinem persönlichen Netzwerk vergeben haben könnte“. Spahn sei aufgrund der Informationen aus dem Bericht als Unionsfraktionschef „nicht mehr haltbar“.

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9 Kommentare

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  • Derselbe Spahn, der Bürgergeldempfänger:innen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln könnt, würde der Demokratie einen großen Dienst erweisen, träte er von allen Ämtern zurück und verschwände aus der Politik.

  • taz: *Zudem seien 40 der knapp 170 Seiten des zugehörigen Sonderberichts zur Maskenbeschaffung geschwärzt.*

    ***Der Spahn-Bericht ist eine FRECHHEIT! - Heidi Reichinnek, 'Die Linke'*** www.youtube.com/watch?v=ngkmjCrFHCs

  • Margaretha Sudhof.



    Ihre Stellungnahme ist wie ein vernichtendes Urteil:



    handelsblatt.de:



    "Doch „fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz können aber, wie in diesem Fall, dazu führen, dass nicht als Team Staat, sondern als Team Ich gehandelt wird“, setzt sie ihre Kritik an: „So begann das Drama in Milliardenhöhe mit der Entscheidung des damaligen Bundesministers.“ Spahn habe sich fachfremd und „ohne Arbeitsmuskel“ mit Milliardensummen auf dem Gebiet der Beschaffung bestätigen wollen, stellt Sudhoff fest – nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen.



    Die Entscheidung, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) selbst zum zentralen Akteur der milliardenschweren Maskenbeschaffung zu machen, sei bewusst entgegen bestehender Kompetenzverteilungen in der Bundesregierung getroffen worden. Spahn habe, so der Bericht, kein Vertrauen in die „funktionierende Bundesverwaltung und insbesondere in die Beschaffungsbehörde“.



    Wer will hier noch Anwartschaften auf eine Karriere als Bundeskanzler vermuten, ohne Traumtänzer zu sein.



    "Team Ich" weckt reichlich Assoziationen in einer Welt von heute, vermutlich auch in der Positionierung nach oben so intendiert u. inszeniert als Story.

  • Die Hauptaufgabe dieser Regierung ist, eine afd in der kommenden Regierung zu verhindern.



    Das Festhalten an dem Opportunisten Spahn, der Steuergelder in großem Stil verraten hat und trotzdem Karriere macht, fördert nur Politikverdrossenheit. Die afd reibt sich die Hände.

  • Frau Schwerdtner kann ja Jens Spahn darauf Aufmerksam machen die Bevölkerung um Entschuldigung zu bitten.



    Ob die Mehrheit der Bevölkerung seine Entschuldigung annehmen wird, sei einmal dahingestellt.



    Wenn unser damaliger Gesundheitsminister Jens Spahn unser Vertrauen - seinen eigenen Interessen so hinten anstellt, ist es schon recht viel von uns verlangt, ihm jetzt eine Entschuldigung, für sein eigennütziges Vorgehen in seinem damaligen Amt, zu geben.

  • Der Klüngelprinz soll sich doch einfach einen Austragsposten in Ahaus-Ottenstein suchen. Besser fürs Land, besser für die Partei übrigens auch. Die Hybris scheint noch nicht behandelt zu sein.

  • Spahn kann sich nicht selber entschuldigen, er kann die Bevölkerung um Entschuldigung BITTEN.



    Und ja, er hat auch Erklärungen zu liefern warum er so handelte.

  • "eine öffentliche Entschuldigung"



    Soso.



    Mir läuft ja vor Lachen mal wieder das Wasser die Beine runter.

    Was bedeutet eigentlich der Begriff "politisch Verantwortung" ?

    Offenbar: "Man kann mehr Bockmist bauen als auf eine Kuhhaut passt. Aber unter dem Schutzmäntelchen der Partei ist immer ein Plätzchen frei."

    Die politisch Herrschenden sind halt Götter.



    Und Gott vergibt den Sündern.

  • Viele vergessen immer, dass man sich nicht "entschuldigen" kann.



    Man kann nur um Entschuldigung bitten.



    Die Entschuldigung muss dann durch den / die Betroffene(n) erfolgen.

    Bei dem selbstgerechten, uneinsichtigen und überheblichen Auftreten Herrn Spahns bin ich ernsthaft im Zweifel, ob ihm diese Entschuldigung von der Mehrheit der Bevölkerung gewährt wird.

    Jeder Rentner, jeder Student, der mal 'nen unversteuerten Euro verdient, wird unnachsichtig verfolgt; die Dobrindts, Scheuers, Spahns und Konsorten werden immer nur die (durch Steuern vergütete) Karriereleiter emporgestoßen.