Javier Mileis Außenpolitik: Alt-Right-Agenda in Buenos Aires

Argentiniens Präsident Javier Milei sucht sich fragwürdige Verbündete außerhalb des Landes. Darunter: Donald Trump und Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro.

Der argentinische Präsident Javier Milei gestikuliert auf der Bühne, während er sein neues Buch "Kapitalismus, Sozialismus und die neoklassische Falle" im Luna-Park-Stadion in Buenos Aires, Argentinien, vorstellt, 22. Mai 2024

Zwanghafter Netzwerker: Die Zahl von Milei-Fans in den sozialen Medien nahm sprunghaft zu Foto: Agustin Marcarian/reuters

Georgia Meloni hat ihn zum G7-Gipfel diese Woche eingeladen, anschließend kommt er nach Deutschland. Die ersten sechs Monate seiner Amtszeit als Argentiniens Präsident zeigen, dass Javier Milei zu einer pragmatischen Außenpolitik nicht fähig ist. Sein Leitstern sind die Vereinigten Staaten. Generalin Laura Richardson, die das Südkommando der US-Streitkräfte leitet, warnt seit Jahren vor der Expansion des „Bösen“ in Lateinamerika – China.

Auch wenn die Wirtschaftspräsenz der asiatischen Großmacht wächst: Militärisch haben die USA ihre klare Vormachtstellung ausgebaut. Im Verlauf eines Besuchs von Richardson kündigte Milei den Bau einer US-amerikanisch-argentinischen Marinebasis auf der Inselgruppe Feuerland an. Zu Recht sehen Kri­ti­ke­r:in­nen damit die Souveränität des Landes in Gefahr. „Strategische Allianzen“ müssten in „einer gemeinsamen Weltsicht verankert sein“, umriss er seine „neue außenpolitische Doktrin“.

Den bereits beschlossenen Beitritt zum Staatenbund Brics zog er zurück. Während die westlichen Staaten bei der Amtseinführung des libertären Exzentrikers ihre Skepsis durch das Entsenden nachrangiger Vertreter signalisierten, waren unter den sieben Staatsoberhäuptern Viktor Orbán und Wolodymyr Selenskyj. Anstelle von Brasiliens Luiz Inácio Lula da Silva, den Milei im Wahlkampf als „wilden Linken“ beschimpft hatte, saß in der ersten Reihe dessen ultrarechter Vorgänger Jair Bolsonaro – ein Affront ohnegleichen.

China und Brasilien sind Argentiniens größte Handelspartner. Fünfmal flog Milei in die USA. Um Lateinamerika und selbst die benachbarten Mercosur-Staaten machte er hingegen einen großen Bogen, mit einer Ausnahme: In El Salvador beehrte er seinen Gesinnungsgenossen Nayib Bukele. US-Präsident Joe Biden traf er nicht, dafür mächtige CEOs, zuletzt im Silicon Valley. Gleich zweimal zeigte er sich mit seinem prominentesten Sympathisanten Elon Musk, der aus seinem Interesse an den Lithiumvorkommen in den Anden keinen Hehl macht.

Fototermin mit Donald Trump

Auf der jährlichen Konferenz der US-Konservativen (CPAC) in Washington hielt er eine umjubelte Rede und hatte einen Fototermin mit Donald Trump. In den ultrarechten US-Medien taucht er nun immer wieder auf. Die Zahl seiner Fans in den sozialen Medien – Milei ist selbst ein zwanghafter Netzwerker – nahm sprunghaft zu. Das Time Magazine widmete ihm vor einigen Wochen eine Titelgeschichte.

Wichtiger als Diplomatie sind ihm seine religiösen Überzeugungen. Irritierend dabei ist die Verbundenheit des Katholiken zum Judentum. In Washington und in Miami nahm er an einer orthodox-jüdischen Zeremonie teil. In Jerusalem ließ er sich weinend an der Klagemauer ablichten. Wie Trump will er die Botschaft dorthin verlegen lassen. In New York lässt er Argentinien konsequent zugunsten Israels abstimmen. Ein Treffen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu durfte nicht fehlen.

Mit seiner Schwarz-Weiß-Politik stellt Milei Argentiniens traditionell multilateralen Politik­ansatz zur Disposition – ähnlich hatte das zuvor nur der von ihm hoch verehrte neoliberale Carlos Menem in den 1990ern getan. Dass diese geradezu unterwürfige Ausrichtung auf die USA im Interesse Argentiniens liegt, glaubt Juan Gabriel Tokatlian, Analyst für internationale Beziehungen, allerdings nicht.

Das Land sei so verwundbar und habe heftig an Einfluss und Anerkennung verloren, dass es „viele Freunde, Verbündete, Begleiter und Akteure verschiedenster Herkunft“ brauche, um aus seiner Krise wieder herauszukommen. Mileis erster, viel beachteter Auslandsauftritt fand auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos statt. Freihandelskapitalismus sei das einzige Instrument, um die Armut in der Welt zu beenden, dozierte er in professoraler Pose, „soziale Gerechtigkeit ist inhärent ungerecht, weil sie auf der Erhebung von Steuern beruht“.

Miese Aussicht für Mercosur-Abkommen

Für ihn sind „Kommunisten, Faschisten, Nazis, Sozialisten, Sozialdemokraten, Nationalsozialisten, Christdemokraten, Keynesianer, Neokeynesianer, Progressive, Populisten, Nationalisten oder Globalisten“ alles „Kollektivisten“. Da gäbe es keine substanziellen Unterschiede, denn, so Milei, sie behaupteten allesamt, dass „der Staat alle Aspekte des Lebens leiten“ müsse. Beiläufig outete er sich noch als Klimaleugner und Feminismusverächter.

Diese Alt-Right-Agenda versucht er neben einer Kahlschlagpolitik in Argentinien durchzupeitschen. In Spanien beschwor er bereits einen diplomatischen Eklat ersten Ranges herauf: Auf einer Wahlkampfveranstaltung der rechtsextremen Vox-Partei beschimpfte er die Frau von Regierungschef Pedro Sánchez als korrupt und pöbelte nach seiner Rückkehr auch gegen Sánchez. Daraufhin zog Madrid die Botschafterin bis auf Weiteres aus Bue­nos Aires ab.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell sprang seinem Parteifreund bei und verurteilte den „Frontalangriff“ Mileis auf den „Wohlfahrtsstaat und die Umverteilung durch Steuern“. Noch sind spanische Firmen die zweitgrößten Investoren in Argentinien. Die Bundesregierung hob als Gemeinsamkeit das Ziel hervor, das EU-Mercosur-Abkommen endlich unter Dach und Fach zu bringen. Aber wie soll das mit dem Mercosur-Verächter Milei klappen, vom Widerstand in Europa ganz zu schweigen?

Nachdem Milei am 22. Juni von der AfD-nahen Hayek-Gesellschaft in Hamburg ausgezeichnet werden wird, soll er tags darauf in Berlin mit militärischen Ehren von Olaf Scholz empfangen werden. Es wäre eine ganz besondere Premiere. Mileis Außenpolitik, so resümiert der Analyst Tokatlian, stütze sich auf drei Quellen: eine Kreuzfahrermentalität im Fahrwasser von Samuel Huntingtons „Zusammenstoß der Kulturen“, religiös-dogmatisches Vorgehen, das die internationalen Beziehungen generell immer mehr präge, und reaktionäres Gedankengut – eine toxische Mischung.

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