Ein Bild von El Salvadors Präsidenten Nayib bukele ist an eine Hauswand gemalt

Foto: Salvador Melendez/ap

Präsidentschaftswahl in El Salvador:Der beliebte Diktator

Am Sonntag will Präsident Nayib Bukele wiedergewählt werden. Sechs Menschen erzählen, wie sich ihr Leben seit seinem Amtsantritt verändert hat.

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3.2.2024, 12:04  Uhr

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird am Sonntag der amtierende Präsident Nayib Bukele in El Salvador wiedergewählt – und das obwohl er gar nicht antreten dürfte. Doch der Präsident hat einen Weg gefunden, das Verbot zu umgehen. Trotz verbotener Kandidatur versprechen ihm Umfragen zwischen 70 und 80 Prozent der Stimmen. Bukele ist populär, weil sich die Sicherheitslage im Land seit seinem Amtsantritt stark verbessert hat. Das ist vor allem seinem harten Vorgehen gegen kriminelle Banden geschuldet, was Men­schen­recht­le­r:in­nen kritisieren. Weitere Hintergründe zu den Wahlen lesen Sie hier

Foto: Fritz Pinnow

Journalistin in ständiger Angst

Wer würde Bukeles Aussagen über die niedrigen Mordzahlen widersprechen, wenn es keinen Zugang zu offiziellen Statistiken gibt? Für die Journalistin Vilma Laínez hat sich vieles zum Negativen verändert, seit der Politiker das Präsidentenamt übernommen hat. „Das Recht auf Information ist nicht mehr gewährleistet“, erklärt die 41-Jährige.

Sie erinnert sich an die Zeit als junge Medienschaffende bei einem Uniradio. Damals waren sie einfach ins Parlament gegangen, wenn sie an Sitzungen teilnehmen wollten. Heute ist daran nicht mehr zu denken. „Die Abgeordneten der Regierungspartei Nuevas Ideas geben einfach keine Informationen heraus“, sagt Laínez, die heute für das Magazin Alharaca arbeitet, das sich schwerpunktmäßig Menschenrechten, Diversität und Feminismus widmet.

Auch Laínez bestreitet nicht, dass die Unsicherheit in El Salvador immer ein großes Problem war. Sie hat selbst oft genug in Dörfern und Stadtteilen recherchiert, in denen die Mara Salvatrucha 13 oder die Barrio 18 das Sagen hatten. „In jeder x-beliebigen Straße hat man Tote gefunden“, erklärt sie, auch sie wurde einmal in einem Bus ausgeraubt. „Jetzt regiert dort zwar nicht mehr die ständige Furcht vor den Banden, dafür stehen an jeder Ecke Polizisten und Soldaten.“

Das macht der Journalistin ebenfalls Angst. Denn die Ambitionen der Regierung, zunehmend Lebensbereiche der Bür­ge­r*in­nen zu kontrollieren, schlägt sich auch auf ihren Beruf nieder. „Man wirft uns einfach in denselben Topf wie die Opposition“, beschreibt sie. Kol­le­g*in­nen werden kriminalisiert, einige mussten sogar schon das Land verlassen. Oft seien es die Anhänger Bukeles oder auch lokale Polizisten auf dem Land, die sie bedrohten. Wenn sie in das Dorf ihrer Eltern fährt, erlebt sie, wie die Beamten sie beobachten. Das verunsichert. Erstmals ist auch ihr ein Gedanke gekommen, den sie früher nie zugelassen hätte: „Ich reise immer wieder in die USA, aber nie hatte ich überlegt, dort zu bleiben. Aber wenn sich die Dinge weiter verschlechtern, werde ich möglicherweise mein Land verlassen müssen.“

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Geschwister mit Männern hinter Gittern

Warten. Vielleicht noch ein Jahr, vielleicht auch länger. Niemand weiß mit Sicherheit, wann die Geschwister Jénnifer und Katherine Hernández ihre Lebensgefährten wiedersehen werden. „Wir dürfen sie nicht besuchen und wissen nur, in welchem Gefängnis und in welchem Trakt sie sich befinden“, erklärt die 20-jährige Katherine. Die beiden Männer sitzen hinter Gittern, weil ihnen vorgeworfen wird, Mitglieder einer Mara-Bande zu sein. Sie wurden unabhängig voneinander verhaftet, nach dem Unbekannte sie bei der Polizei denunziert hatten. Beweise gibt es nicht. „Der Vorwurf gegen meinen Freund ist völlig absurd“, sagt die 22-jährige Jénnifer, „er soll Mitglied einer Gruppe gewesen sein, die es bei uns gar nicht gab.“

Die Geschwister leben in einem armen Viertel von San Salvador, das von der Mara Barrio 18 kontrolliert wurde. Jénnifer war noch schwanger, als die Polizei ihren Freund an seinem Arbeitsplatz, einem Restaurant, abholte. Heute ist ihr Sohn Jared Alexander neun Monate alt und über seinem Bett hängt das Bild seines Vaters. Katherines Tochter Elizabeth war bereits auf der Welt, als ihr Lebenspartner verhaftetet wurde. Bis heute hat die Kleine deshalb Depressionen und ist in psychologischer Behandlung.

„Wir wurden selbst ständig von der Bande terrorisiert“, erklärt Katherine Hernández und beschreibt, wie sie immer wieder von den tätowierten Männern auf der Straße angehalten und bedroht wurden. Nachdem ihr Freund einen Autowaschsalon eröffnete, musste er einmal die Woche eine „Quote“ von 85 US-Dollar abgeben. Sollte er nicht zahlen, müsse er damit rechnen, dass er oder seine Freundin in einem schwarzen Plastiksack gefunden würden. Wohl deshalb sind die beiden Geschwister trotz ihres Leidens der Meinung, dass der Präsident das Richtige tut. „Wir fühlen uns ruhiger“, sagt Jénnifer. Ob sie Bukele wählen werden? „Ja“.

Foto: Fritz Pinnow

Rentner mit neuen Lebensplänen

Dank des Präsidenten könnten sich die Lebenspläne von Wilfredo Machado grundlegend ändern. Denn eigentlich wollte der Salvadorianer, der vor über 40 Jahren aus seiner Heimat in die USA emigriert ist, seinen Lebensabend in Florida verbringen. „Auf jeden Fall dort, wo es wärmer ist“, sagt der Mann, der in New York lebt und vor wenigem Tagen seinen 65. Geburtstag gefeiert hat. Doch seit Bukele massiv gegen Jugendbanden vorgeht, überlegt er, wieder nach El Salvador zurückzukehren. „Jetzt, wo das Land sicher ist, könnten wir wiederkommen.“

„Wir haben nie aufgehört, unser Land zu lieben“, betont Machado. Und das, obwohl er 1980 vor dem Bürgerkrieg zwischen der Guerilla und der Regierung flüchten musste. Später kam er immer wieder zu Besuch, bis die Gewalt erneut überhand nahm. Wegen der durch die Mara-Banden verursachten Unsicherheit sind er und seine Familie 13 Jahre lang nicht in seine alte Heimat gekommen. Man habe damals einige Stadtteile gar nicht betreten können, um 19 Uhr seien alle zu Hause gewesen, erinnert er sich. Jetzt dagegen sind die Machados durchs ganze Land gereist: an die Strände des Pazifiks, aufs Land ins ­touristische Apaneca und entlang der populären, schmalspurigen „Straße der Blumen“.

„Der Wechsel ist gut für die Menschen“, ist der 65-Jährige überzeugt. Die Vorwürfe der Opposition seien nichts als Lügen und Fantasien, meint er und vertraut fest ­darauf, dass Bukele am kommenden Sonntag ­gewinnen wird. Auch er wird seinen kleinen Teil dazu beisteuern, wenn er wieder zurück in New York ist: „Ich gehe in der salvadorianischen Botschaft wählen.“

Foto: Fritz Pinnow

Sichere Straßen für den Gastronomen

Auf dieser Straßenseite die Mara Barrio 18, auf der anderen die Mara Salva­trucha 13 – Hamilton Francos Arbeitsstelle befindet sich an einer dieser unsichtbaren Grenze, die sich lange Zeit quer durch das Zentrum San Salvadors zogen. „Hier gab es immer Probleme“, erinnert sich der 45-Jährige, der in der Straße ein Restaurant betreibt. Nur zwei Ecken weiter ist ein Supermarkt, aber früher konnte er seinen 17-Jährigen Sohn nicht einmal dorthin schicken, ohne ein hohes Risiko einzugehen, dass ihm etwas passieren könnte. Die Banden kontrollierten die gesamte Gegend.

Heute ist das ganz anders. Seit Präsident Bukele viele mutmaßliche Mitglieder der Jugendbanden hat inhaftieren lassen, ist wieder Leben auf der Straße. Vorher seien spätestens um halb sieben alle zu Hause geblieben. „Als Familienvater bin ich über die Entwicklung sehr zufrieden“, sagt er. Dass Menschen willkürlich aufgrund ihres Aussehens verhaftet werden, will er nicht glauben. Alle, die in seinem Viertel verhaftet worden seien, seien nicht unschuldig. „Nicht alle waren Bandenmitglieder, aber sie waren involviert.“ Auch die schlechte Behandlung der Inhaftierten berührt ihn nur begrenzt. „Menschlich betrachtet ist das natürlich schwierig“, findet er, „aber ich weiß, zu was sie selbst fähig sind. Allein hier im Zen­trum haben sie täglich zwei Leute mit Macheten ermordet oder erschossen“.

Sein Restaurant betreibt er zwar erst seit Anfang Dezember, aber der Laden gehe gut. Da die Regierung nach der Befriedung des Barrios den Tourismus fördere, habe er bereits Gäste aus aller Welt verköstigt: aus Guatemala, Kolumbien, Argentinien, Ecuador, Panama, Costa Rica. Nachdem der Mindestlohn im Land erhöht wurde, muss Franco seinen Mitarbeitern nun zwar mehr bezahlen, aber zugleich haben seine Landsleute mehr Geld, um auch mal essen zu gehen.

Der Salvadorianer lässt keinen Zweifel, dass er hinter seinem Präsidenten steht. Dennoch hat er seine Vorbehalte. Besonders beschäftigt ihn die Frage nach dem Danach: „Alles ist Nayib Bukele, aber was passiert, wenn er nicht mehr da ist.“

Foto: Fritz Pinnow

Arbeitslosigkeit für den Beamten

Er will sich das gar nicht wirklich vorstellen: „Wenn Bukele am Sonntag die Wahl gewinnt, müssen wir fünf weitere Jahre mit diesem Diktator aushalten, der das Land regiert, als sei es sein eigenes Unternehmen“, kritisiert Samuel Ruiz. Dann zählt er auf, was in El Salvador alles schief läuft: Es gibt keine Transparenz über den Staatshaushalt, der Präsident verschleudert Steuergelder für den Kauf von Bitcoins und kooperiert mit mexikanischen kriminellen Kartellen.

Vor allem aber ist der Mitsechziger entsetzt über die willkürlichen Verhaftungen mutmaßlicher Bandenmitglieder. Wenige Monate nachdem das Regime den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, gründete er mit anderen die Organisation Movir, die sich für Opfer des Regimes einsetzt. Dabei hätten auch er und viele andere heutige Opfer die Entscheidung zunächst richtig gefunden, gegen die Maras vorzugehen. „Viele waren ja selbst Opfer der kriminellen Gangs“, erklärt er, „aber heute sind sie Opfer der staatlichen Repression.“ Mit der Zeit sei immer deutlicher geworden, dass sich die Repression auch gegen zahlreiche Unschuldige richtet.

Ruiz weiß genau, was staatliche Repression heißt. Während des Bürgerkriegs hat er in der Guerilla gekämpft. Er ist empört, dass Bukele den 1992 vereinbarten Friedensvertrag zwischen den bewaffneten Kämp­fe­r*in­nen und dem Staat als untauglich bezeichnet. Im Krieg der FMLN-Guerilla gegen die Regierung sei es um soziale Gerechtigkeit gegangen. Ziel war, die Bevölkerung aus der Armut zu befreien. Damit sehe es auch jetzt wieder schlecht aus, sagt er. „Es gibt kaum Möglichkeiten, zu arbeiten in diesem Land.“ Er selbst war einst Beamter, nun ist er auf der Suche nach einem neuen Job. Doch das sei schwierig: Zahlreiche Beschäftigte über 50 Jahren seien aus dem Staatsapparat entlassen und durch Parteianhänger von Bukeles „Nuevas Ideas“ ersetzt worden.

Mitarbeit: Fritz Pinnow

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