piwik no script img

Jahrestagung des UN-UmweltprogrammsDie Sonne abdunkeln fürs Klima

Die Uno soll sich auf Antrag der Schweiz mit solarem Geoengineering beschäftigen. Wis­sen­schaft­le­r warnen vor Plänen, die Sonne abzudunkeln.

Die Sonne künstlich dimmen, um die Erde zu kühlen? Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Der Himmel wäre nicht mehr blau. Zumindest nicht so, wie wir ihn kennen, sondern milchig belegt. Wenn die Menschheit sich entscheiden würde, die Sonne mit einem Vorhang aus Schwefelpartikeln zu dimmen, um die Erde zu kühlen, würde man das auch sehen. Das immerhin ist klar in Bezug auf solares Geoengineering. Sonst ist jedoch noch vieles unbekannt über die Folgen eines solch gigantischen Eingriffs.

Die Schweiz will, dass die Vereinten Nationen sich stärker mit dem umstrittenen solaren Geoengineering beschäftigen. Dafür will sich die Eidgenossenschaft bei der Jahrestagung des UN-Umweltprogramms Unep einsetzen, die an diesem Montag mit 5.000 Delegierten in Nairobi beginnt. Der Entwurf für eine Resolution, der der taz vorliegt, sieht die Einberufung eines neuen Gremiums mit 25 Ex­per­t*in­nen vor. Sie sollen an einem Bericht zu dem Thema arbeiten.

„Ziel ist, dass die Staaten über diese Technologien informiert sind, insbesondere über mögliche Risiken und grenzüberschreitende Auswirkungen“, schreibt die Regierung in Bern. Mitgetragen wird die Resolution bereits von Guinea, Monaco, Senegal und Georgien. Es ist ein Tabuthema, das damit auf der internationalen Agenda steht.

Der Begriff Geoengineering steht für vorsätzliche und großräumige Eingriffe in planetare Kreisläufe, um sie aktiv zu steuern. Seit Langem sind sie als Reaktion auf die menschengemachte Klimakrise in der Diskussion.

Ein gigantischer Vulkanausbruch per Militärjet

Die Treibhausgase seit der Industrialisierung haben die Erde jetzt schon gefährlich aufgeheizt und die Temperaturen steigen wie die Emissionen weiter – im Prinzip auch schon ein Beispiel für massives Geoengineering, wenn man die Inkaufnahme der bekannten Konsequenzen von Kohlendioxid als Vorsatz gelten lässt.

Mit Geoengineering gegenzusteuern kann grundsätzlich verschiedene Dinge bedeuten: die nachträgliche Entfernung von bereits ausgestoßenem Treibhausgas aus der Atmosphäre oder etwa das Abdunkeln der Sonne. Beides ist wiederum auf verschiedene Arten denkbar.

Vor allem Letzteres ist bislang nur Theorie. Es geht dabei zum Beispiel um die künstliche Nachahmung von gigantischen Vulkanausbrüchen. So senkte der bei der Eruption des Pinatubo auf den Philippinen 1991 in die Stratosphäre geschleuderte Schwefel die globale Durchschnittstemperatur im Folgejahr um ein halbes Grad.

Wollte man versuchen, diesen Effekt künstlich zu erzielen, müssten Militärjets in die Stratosphäre fliegen und dort Aerosole wie Schwefeldioxid ausbringen. Die Schwebeteilchen würden sich wie ein Film um die Erde legen und weniger Sonnenlicht durchlassen – bis sie sich wieder absenken. Die kühlende Wirkung wäre also nur vorübergehend.

Eine Gruppe von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen hatte vor zwei Jahren in der Fachzeitschrift Wires Climate Change ein internationales Verbot von solarem Geoengineering gefordert. Sie schlugen einen Staatsvertrag vor, mit dem sich die Länder dazu verpflichten, derartige Technologien nicht zu unterstützen – weder den praktischen Einsatz noch die Erforschung.

Ihre Argumente: Es sei im internationalen politischen System nicht möglich, „solares Geoengineering auf planetarer Ebene inklusiv und gerecht zu regeln“. Schon bei der Frage nach der optimalen Temperatur haben viele Länder unterschiedliche Interessen. Was sollte maßgeblich sein: möglichst wenig Hitzetote in Indien oder eine möglichst große Maisernte in den USA?

Wahrscheinlich wäre das Dimmen der Sonne billig genug, dass große Volkswirtschaften dafür nicht auf internationale Partner angewiesen wären. Denkbar ist also der Fall, dass mehrere Parteien unkoordiniert oder sogar entgegengesetzt am Thermostat der Erde drehen würden – mit unabsehbaren Folgen für die globale Sicherheit.

Keine Hilfe beim Erfüllen des Paris-Abkommens

Deshalb halten manche Stimmen aus der Wissenschaft den Vorstoß der Schweiz für falsch, auch wenn er sich gar nicht für oder gegen solares Geoengineering ausspricht. „Ich sehe das sehr kritisch“, meint Carl-Friedrich Schleußner vom Thinktank Climate Analytics. „Den Stand der Wissenschaft, auch zu Solar-Geoengineering, fasst in regelmäßigen Abständen der Weltklimarat IPCC zusammen. Ich kann nicht erkennen, welche wissenschaftliche Lücke ein kleines UN-Expert*innengremium hier füllen soll.“

Schleußner hält den Vorstoß für ein politisches Signal. Die Botschaft: Regierungen haben ein Interesse an Geoengineering. „Sie bringen das als Lückenbüßer für unzureichende Klimapolitik ins Spiel, aber das ist eine gefährliche Vorstellung“, so der Experte. Die politische Diskussion zu diesem Thema sei „unterkomplex“ und stehe auf keiner robusten wissenschaftlichen Basis.

Schleußner sorgt sich, dass durch den Verweis auf Geoengineering das Reduzieren der Treibhausgasemissionen in den Hintergrund gerate: „In dem Moment, in dem Geoengineering stattfindet, ist das Paris-Abkommen tot.“

Mark Lawrence, wissenschaftlicher Direktor am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit in Potsdam, sieht die Resolution der Schweiz nicht ganz so negativ. „Ich habe eine gemischte Einstellung dazu“, sagt er. „Ich bin wachsam, weder pessimistisch noch optimistisch.“

Er selbst hat schon 2015 einen großen Bericht zu Geoengineering geleitet, der damals im Auftrag der EU-Kommission den Forschungsstand zum Thema abbildete. Seitdem seien viele weitere Arbeiten erschienen, „alle mit ähnlichen Ergebnissen“, sagt der Physiker.

„Zum Erreichen der Ziele aus dem Pariser Weltklimaabkommen kann Geoengineering gar nicht viel beitragen“, so der Experte. Alle Technologien seien erst in frühen Entwicklungsstadien, brächten Unsicherheiten und Risiken mit sich sowie ethische und politische Dilemmata. Dass ein neues Gre­mi­um fachlich viel Neues beitragen könnte, bezweifelt er ebenso wie Schleußner.

Trotzdem kann Lawrence dem Vorstoß der Schweiz etwas abgewinnen. „Ich finde das positiv, wenn die Vereinten Nationen sich damit auseinandersetzen“, sagt er. Der Wissenschaftler meint: Die Diskussion kommt sowieso. Schließlich habe die Erderhitzung im vergangenen Jahr schon knapp unter 1,5 Grad gelegen. Mit Fortschreiten der Klimakrise und entsprechend vielen Toten und Schäden würde der Ruf nach Geoengineering bestimmt lauter werden, argumentiert Lawrence.

Er wäre zufrieden, wenn die Arbeit eines Ex­per­t*in­nen­gre­mi­ums dazu führen würde, dass die Regierungen ganz klare Trennstriche ziehen zwischen der nötigen Reduktion der Emissionen, der nachträglichen Entfernung von Treibhausgas aus der Atmosphäre und solarem Geoengineering. Und: „Was ich mir wünschen würde, ist, dass Regierungen sich dazu bekennen, dass das Entscheidende die Senkung der Emissionen ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare