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Jahrestag des Sturms aufs KapitolKein Vergleich zu 9/11

Kommentar von Mirko Schmid

Den Sturm aufs Kapitol und die Anschläge vom 11. September unterscheidet weit mehr, als sie verbindet.

Sitzen ein Esel und ein Elefant auf einer Parkbank … Foto: CNN

D er 6. Januar 2021 wird gerne mit dem 11. September 2001 in einen Topf geworfen. Gerade außerhalb der USA ist dieser Vergleich beliebt. Teile der europäischen Medienlandschaft konstruieren mit Vorliebe eine Gemeinsamkeit, indem sie 9/11 als ähnliche Zäsur für die US-amerikanische Gesellschaft sehen. Dabei wird übersehen, dass beide Ereignisse weit mehr unterscheidet als verbindet.

9/11 war ein minutiös aus dem Ausland gesteuerter Angriff einer vergleichsweise kleinen terroristischen Organisation. Der Mittwoch des Vorjahres hingegen wurde von einem durchtriebenen, rassistischen Psychopathen im höchsten Staatsamt der USA herbeigeredet – und von einer weitaus größeren terroristisch infiltrierten Organisation getragen: den Republikanern.

Die nämlich ließen Trump und seine Spießgesellen um den ebenfalls völlig durchgeknallten Rudy Giuliani gewähren, die wochenlang auf allen Kanälen die Saat für die größte Schande des Landes seit Vietnam legen ließen.

Giuliani steht sinnbildlich für den größten Unterschied zwischen 2001 und 2021. Seinerzeit sammelte sich das Land in gemeinsamer Trauer und in gemeinsamer Wut auf eine fanatisch-religiöse Terrororganisation abroad hinter „Amerikas Bürgermeister“.

Gemeinsam den „Elephonkey“ wegscheuchen

2021 hingegen mutierte der einstige Nationalheld zur Witzfigur. Und zum Symbol einer Gesellschaft, die ein breiter Graben trennt. Zwar sammelte sich das Land auch diesmal, nun allerdings in zwei Wagenburgen, die sich spinnefeind sind. Denn der Feind war nun ­domestic, fand sich mitten im Inland.

Der TV-Sender CNN spielte vor der Wahl im November 2021 einen fantastischen Werbespot. Ein Elefant (Wappentier der Republikaner) und ein Esel (Demokraten) saßen auf einer Parkbank, zwischen ihnen viel Platz und noch mehr Ablehnung. Da kam ein „Elephonkey“ vorbei, halb Esel, halb Elefant. Eiskalt scheuchten die anderen beiden ihn weg. Gemeinsam.

So ticken die USA heute, spätestens seit dem 6. 1. 2021: Kein Platz mehr für Zwischentöne. Kein Raum für einen nationalen Schulterschluss. Und schon gar kein 11. September.

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CvD/Nachrichtenchef
Chef vom Dienst und Autor. Arbeitet seit 2022 für die taz. Mag Meinung und kommentiert politische Themen mit Hang zum Ausland (vor allem USA). Schrieb vor der taz für die Frankfurter Rundschau. Hat davor Onlinejournalismus an der Hochschule Darmstadt studiert.
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12 Kommentare

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  • Ich habe noch nie gehört, dass irgendwer die beiden Ereignisse überhaupt auch nur miteinander vergleicht. Ich halte das für eine mindestens übertriebene Behauptung. Da ist auch nichts zu vergleichen. Die Unterschiede sind in jeder Hinsicht riesig und Gemeinsamkeiten eigentlich nicht zu erkennen.

  • @NILSSON SAMUELSSON

    Vergessen Sie nicht, dass die von Ihnen zitierte Rede keinen Anklang bei der "anderen Hälfte" finden dürfte.

    • @tomás zerolo:

      Ich weiss nicht ob das stimmt mit der "andere Hälfte" aber OK. Vergesse ich nicht.



      War meinerseits nur der Hinweis, dass es nicht nur die Spaltung der Gesellschaft gibt. Viel stärker ist nach wie vor die Zusammenhalt der Gesellschaft.



      Manchmal werden ja auch Dämone an die Wand gemalt.

  • Stimmt.

    “ Jahrestag des Sturms aufs Kapitol: Kein Vergleich zu 9/11



    Oft werden der Sturm aufs Kapitol und die Anschläge vom 11. September verglichen. Doch beide Ereignisse unterscheidet weit mehr als sie verbindet.“

    kurz - 9/11 - ist Chile 🇨🇱 - Putsch in Chile 1973 -



    upload.wikimedia.o...de_Estado_1973.jpg



    Denn dank Bruno Heck =>



    (& seinem Hilfswilligen „Geschwätzführer“ Philipp Jenninger)



    “Seit Chile wissen wir genauer



    Was die CDU von Demokratie hält!“



    upload.wikimedia.o...de_Estado_1973.jpg



    © Klaus Staeck

  • Ich sehe das gar nicht so Schwarz für Amerika. das mit dem Elephonky ist sehr witzig aber muss nicht deswegen die ganze Wahrheit sein.

    Viel mehr beeindruckt mich durch Schönheit, Relevanz und Tiefe die Rede "The Hill we Climb" von Amanda Gorman vor einem Jahr. Sie beschreibt wie Amerika auch tickt:



    And so we lift our gazes not to what stands between us



    but what stands before us



    We close the divide because we know, to put our future first,



    we must first put our differences aside



    We lay down our arms



    so we can reach out our arms



    to one another...

    www.youtube.com/watch?v=LZ055ilIiN4

    • @Nilsson Samuelsson:

      "Viel mehr beeindruckt mich durch Schönheit, Relevanz und Tiefe die Rede "The Hill we Climb" von Amanda Gorman vor einem Jahr."

      Tut mir leid. Schöne Reden ändern nichts. Mal abgesehen davon, dass sie nur eine Partei erreichen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sehe ich anders.

        Visionen und Ideen, auch in Form von Reden, gefolgt von Handeln, sehe ich als Voraussetzung für bewusste Veränderung.

        Aber klar, die Erde dreht sich auch ohne Reden.

        • @Nilsson Samuelsson:

          Schauen wir uns z.B. die Bilanz Obamas an. Eine Menge schöne Reden und so gut wie nicht Vernünftiges erreicht.

          Es gibt zu viel schöne Reden und viel zu wenig gutes Handeln auf der Welt. Die schönen Reden verdecken die Realität.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ich weiss ja jetzt nicht genau was für Sie als "Vernünftig" gilt.



            Veränderung mit Zielen, ohne dass man vorher darüber redet, kann ich mich einfach nicht vorstellen.



            Und ich denke, im Vergleich mit den Redebeiträgen von uns beiden hat Barack Obama sehr viel Vernünftiges mit seinen sehr guten Reden erreicht.



            Zum Glück müssen wir ja nicht immer einer Meinung sein.

            • @Nilsson Samuelsson:

              Obama hat in seinen schönen Reden sehr viel versprochen und davon so gut wie nichts umgesetzt. Die Reden helfen aber, seine katastrophale Bilanz zu beschönigen. Leider denken scheinbar viele Menschen, dass er auch so gehandelt hat, wie er in seinen Reden versprach.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ach ja. Deshalb also wollten die Republikaner die wichtigen Änderungen am Gesundheitswesen wieder zurück schrauben?

            • @Rudolf Fissner:

              Obama hat für seine Krankenversicherung die schlechteste Variante gewählt, die möglich war. Deshalb funktioniert das System auch kaum.

              Nur weil die Republikaner noch dümmer sind, hat er es nicht gut gemacht.