Israels Vergeltungsschlag gegen Iran: Abschreckung per Allianz
Eine weitere Eskalation zwischen Israel und Iran scheint vorerst nicht zu befürchten zu sein. Nur für den Gazastreifen sind die Perspektiven düster.
V erdrehte Welt: Üblicherweise hält sich Israel bedeckt, wenn es feindliche Stellungen in Nachbarländern angreift. Bei den Drohnen über Isfahan hingegen kam diesmal umgehend die Ansage aus Jerusalem: Wir waren es. Und üblicherweise folgen auf israelische Angriffe – ob zugegeben oder mutmaßlich – Rachedrohungen auf dem Fuße. Diesmal spielt die Führung in Teheran die Attacke herunter.
Alles ist anders als sonst, und doch ergibt alles Sinn: Teheran signalisiert, dass der jüngste Schlagabtausch jetzt ad acta gelegt werden kann. Ein erneuter Vergeltungsschlag droht nicht, wobei man sich sicher der Frage widmen wird, wie es überhaupt zu einem Drohnenangriff vom eigenen Staatsgebiet kommen konnte, sollten sich entsprechende Berichte bewahrheiten. Jedenfalls ist die Hoffnung in Teheran, wie im Rest der Welt, dass es vorläufig nicht zu einer weiteren Eskalation im Nahen Osten kommen wird.
Noch ist nicht gesagt, dass sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, der unter heftigem Druck seiner rechtsextremistischen Koalitionspartner steht, mit diesem einen Angriff zufriedengeben wird. Allzu großes Abschreckungspotenzial dürfte der Angriff nicht haben. Und dennoch spricht eine Reihe guter Gründe dafür, dass die Angelegenheit für Netanjahu damit vorerst erledigt ist.
An einem Zwei- und gar Dreifrontenkrieg – schaut man neben dem Gazastreifen noch auf die Grenze zum Libanon – kann Netanjahu nicht gelegen sein. Vor allem aber sollte er die mit dem iranischen Angriff auf Israel erneut und massiv wieder erwachte internationale Solidarität nicht aufs Spiel setzen. Für Israel hätte der jüngste Schlagabtausch kaum besser laufen können.
Grünes Licht für Rafah-Offensive
Hunderte Drohnen, Marschflugkörper und Raketen, mit denen Iran zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik Israel angriff, richteten kaum Sachschaden an und verletzten nur einen Menschen. Die USA, Großbritannien und Frankreich halfen dabei, die Geschosse abzufangen, noch bevor sie Israel erreichten; offenbar schlugen sich aber auch Saudi-Arabien und Jordanien – wohlgemerkt ein Land, in dem PalästinenserInnen die Bevölkerungsmehrheit stellen – auf die Seite des Feindes vom Feind. Und das ausgerechnet in Zeiten wie diesen.
Berichten zufolge soll die Führung in Washington grünes Licht für die bislang so heftig umstrittene Bodenoffensive gegeben haben, die Israel in der Grenzstadt Rafah plant – im Gegenzug für die Vermeidung einer Verschärfung der Eskalation mit Iran. Die gemeinsame Front gegen die Mullahs in Teheran wiegt ganz offensichtlich schwerer als die Solidarität mit den vom Krieg geschundenen PalästinenserInnen im Gazastreifen, für die sich ohnehin kaum noch jemand interessiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen