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Israelboykott bei OlympiaNourine gehört disqualifiziert

Kommentar von Susanne Knaul

Der Algerier Fethi Nourine wollte nicht gegen den Israeli Tohar Butbul antreten. So unsportliches Verhalten muss bei Olympia ausgeschlossen werden.

Der Algerier Nourine wollte nicht gegen den Israeli Butbul (hier in Blau) antreten Foto: Reuters

D er algerische Judoka Fethi Nourine wird ärgerlich die Hände über den Kopf gerissen haben, als ihm das Los den Gegner Tohar Butbul verschaffte. Da bereitet er sich jahrelang auf das Sportereignis schlechthin vor, trainiert sich die Muskeln wund, um ganz vorn mitzumachen, und dann kommt ihm so ein Israeli in die Quere. Weil Nourine nicht gegen Butbul antreten wollte, zog er sich aus dem Wettkampf zurück. Kurzer Auftritt in Tokio. Diese Reise hätte er sich sparen können.

Dabei hätte er zu einem Kampf wenigstens noch antreten können. Denn erst nach einem Sieg wäre Butbul sein Gegner geworden. Nourine wollte offenbar keine Chance verpassen, um der Welt seine Botschaft kundzutun: Er verzichtet auf Olympia, weil „die palästinensische Sache größer ist als ich“. Welch ehrenwerter Akt. Nourine wird die palästinensische Sache damit sicher entscheidend vorantreiben.

Die Bühne vor einem so breiten Publikum mag verlockend sein für IdeologInnen, WeltverbessererInnen und eben auch FanatikerInnen. Doch abgesehen davon, dass Olympia die Welt zusammenbringen soll, müsste man bei einem Sportler erwarten, dass sein Ziel doch vorrangig der Sieg auf der Matte ist.

Bei allem Respekt für das unterdrückte palästinensische Volk – gibt es wirklich keine drängenderen Probleme in der Welt für den Algerier, der rund 3.000 Kilometer Luftlinie von Israel entfernt lebt, als dieses? Die Hungersnot im Jemen, der Vormarsch der Taliban, Hongkong, Myanmar, Belarus? Alles nicht so wichtig wie das Leid der Menschen in Ramallah und Hebron.

Auffallend oft richtet sich der Zorn der Sportler, bei denen es sich auffallend oft um Judokas handelt, gegen den jüdischen Staat. Vor vier Jahren in Rio verweigerte der Ägypter Islam El Shehaby nach dem Kampf und seiner Niederlage gegen einen Israeli dem Gegner die Hand. Solch unsportliches Verhalten gehört nicht zu Olympia. Fethi Nourine gehört deshalb für immer disqualifiziert.

Für den Israeli läuft es hingegen gar nicht so übel. Butbul steigt nun automatisch in die nächste Runde auf. Vermutlich hätte er den Algerier ohnehin geschlagen, denn der steht auf der Weltrangliste der Leichtgewicht-Judokas weit hinter ihm.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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17 Kommentare

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  • Mal so ganz grundsätzlich: Wer noch nie ein großes Sportereignis als Aufhänger genutzt hat, um auf ein aus seiner Sicht überragend wichtiges politisches Anliegen hinzuweisen (Zwangsarbeiter in Katar, Menschenrechte in China oder Russland - anyone?), werfe den ersten moralischen Stein...

    Das gesagt, ist es natürlich traurig, wenn Jemand Politik und Sport so wenig trennen kann, dass er seine Mitbewerber nicht als Sportskameraden sondern als Repräsentanten ihres Regimes sieht - traurig auch deshalb, weil gerade autoritär und/oder nationalistisch auftretenede Regimes diesen Eindruck natürlich nach Kräften anfachen.

  • Grundsätzlich denke ich, dass man den internationalen Sport nicht unpolitisch betrachten kann. Oder wollten wir ein internationales Turnier wie die Olympiade in Aserbaidschan abhalten? Darüber hinaus sind sportliche Großveranstaltungen durchaus geeignet Druck auf Regime auszuüben.



    Und selbst wenn wir Sport und Politk trennen wollten - wie wir gerade beobachten können, können wir die Sportler nicht davon trennen. Den richtigen Weg zu finden könnte uns noch eine Weile beschäftigen.

  • Sehr traurig. Sehr sehr traurig.

  • Die Frage sollte nicht sein, ob Politik in den Sport getragen werden darf, sondern wie und wofür. Und diese Frage lässt sich eigentlich recht einfach beantworten:

    Der ursprüngliche Gedanke von Sportereignissen wie Olympia ist (mal abgesehen von Profit) doch eigentlich der, dass er die Menschen zusammenbringen soll.

    Dementsprechend sind zunächst erst einmal alle inklusidierenden Proteste/Statements, wie z.B. Antirassismus, Regenbogenfarben, Antidiskriminierung usw. zu begrüßen.



    Alle exkludierenden Statements wie Nationalismus, Behindertenfeindlichkeit, Homosexuellenfeindlichkeit usw. haben im Sport nichts zu suchen.

    Darüber hinaus kommt es auf die Form oder Richtung des politischen Statements an:



    Protest für den Frieden in der Region oder meinetwegen auch gegen die Politik der Regierung Israels ist sicher legitim, aber wie in diesem Fall einen Sportler zu boykottieren, der nicht wirklich etwas für die Situation kann, außer dass er Staatsbürger Israels ist - das darf nicht erlaubt sein.



    Im Falle des algerischen Judokas hätte dieser sich beispielsweise auch vor jedem Wettkampf die palästinensische Flagge auf die Wange malen können.

    Anders sieht es natürlich aus, wenn der Sportler oder die Fans sich selbst unsportlich verhalten, wie z.B. bei den faschistischen ungarischen Fangruppen während der EM. Hier darf und muss sich der Protest auch gegen die entsprechenden Menschen richten.

    • @Leon Kamae:

      Eigentlich müsste man wenn, dann schon ALLE Poltitik aus dem Sport halten. Denn wo immer es eine "richtige", verbindende Seite gibt (wie z. B. die gegen Rassen- oder Queer-Diskriminierung), gibt es auch eine "falsche" Seite, die sich durch solche Tendenzen angegriffen und ausgegrenzt fühlt. So entstehen Fronten und die positiv geladene Neutralität des Ereignisses ist hinüber.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    "Die Hungersnot im Jemen, der Vormarsch der Taliban, Hongkong, Myanmar, Belarus? Alles nicht so wichtig wie das Leid der Menschen in Ramallah und Hebron." Genau das ist das Problem das ich mit muslimischer Solidarität habe, die großen Proteste in der arabischen Welt gab es nicht nach den Massakern an schiitischen Soldaten, nach der Versklavung jesidischer Frauen und der Ermordung der Männer, die gab es nach dem Mord an einem jordanischen Piloten.

    Es gibt in der islamischen Welt einen massiven Mangel an Selbstkritik, in jedem westlichen Land gibt es Antifa es gibt aber kein Äquivalent das gegen Islamisten vorgeht die junge Frauen in Pakistan entführen und Zwangskonvertieren, die Häuser und Kirchen von Christen in Ägypten angreifen, oder offen Hass und Rassismus gegen Armenier in der Türkei verbreiten. Wenn die islamische Kritik an westlichen Verbrechen und Fehlern ernst genommen werden will muss die islamische Welt eine eigene Fehlerkultur entwickeln.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Mit einem solchen Urteil wäre ich vorsichtig. Vor allem, wenn er allein auf Informationen deutscher Quellen und Medien beruht, die schreiben und senden nur einen Bruchteil dessen, was in vielen Ländern geschieht.

      Tatsache ist, dass der Widerstand gegen islamistische Strömungen besteht und weit verbreitet ist. Die Vielzahl an Morden (Säuberungen) der lokalen Bevölkerung nach der Eroberung durch IS-Gruppen war ein eindeutiger Beleg dafür.

      Die Antifa-Gruppen in den westlichen Ländern steht unter verfassugsrechtlichen und rechtsstaatlichen Schutz, der tatsächlich weitgehend wirkt. Eine Situation, von der Kritiker selbst in "moderaten" Ländern wie Saudi Arabien, Marokko, Algerien, Indonesien etc. nur träumen können.

      Sich dort in für uns typischer Weise öffentlich und "radikal" zu äußern, führt im besten Fall zu Drangsalierung, häufig aber auch zu Haft oder gar Tod. Dennoch existiert dieser Widerstand und in vielen der von Ihnen kritisierten Ländern ist er durchaus präsent und wird wahrgenommen. Nur wird in Deutschland darüber eher selten berichtet - vielleicht auch aus Angst. Denn so mancher Bericht in einer westlichen Tageszeitung hatte für die betreffenden Personen drastische Konsequenzen, weshalb Journalisten es jetzt mit der Vorsicht und dem Quellenschutz manchmal übertreiben.

  • War es wirklich die Entscheidung des Sportlers oder war es die Maßgabe des algerischen Verbandes?

    • @lorenz schröter:

      Das ist die entscheidende Frage: Denn wenn es der algerische Verband war, dann sollten konsequenterweise ALLE Algerier nach Hause geschickt werden. Wer bei Olympia mitmachen will, der darf sich nicht aussuchen, gegen wen er antritt und gegen wen nicht.

  • "dass die vielen anderen Konflikte der Welt in den Sport getragen werden. "

    Welche von den vielen anderen Konflikten werden denn dergestalt in den Sport getragen?

    Also dass sich Sportlerin oder Sportler aus A-Land weigert gegen einen Sportler oder eine Sportlerin aus B-Land anzutreten?

    Soweit ich das weiß, passiert das nur, wenn es um Israelis geht.

    www.tagesspiegel.d...rden/20543128.html

    • @Jim Hawkins:

      Das weckt traurige Erinnerungen an Olympia 1936, als die jüdischen Sportler nicht teilnehmen sollten und ihnen die Teilnahme sehr schwer gemacht wurde.

  • Absolute Zustimmung meinerseits.



    "..... strikt jede Form von Politikbekundung zu unterbinden, damit in einer zutiefst gespaltenen Welt hier ein Raum erhalten bleibt, in der die Spaltungen keine Rolle spielen dürfen."

    Ist eine Überlegung wert. Also nix Regenbogenfahne. Muss akzeptiert werden.

    • @lulu schlawiner:

      eine Regenbogenfahne (oder Statements, dass Rassismus im Sport nichts zu suchen hat) zu verbieten, ist aber auch eine politische Aussage.

      • @Leon Kamae:

        Sehe ich anders: Das Verbot wird nur von den Proponenten des Regenbogenfahnentragens als politische Aussage interpretiert, weil die auch gerne die totalitäre "für mich oder gegen mich"-Karte spielen.

        Tatsächlich ist allein die NOTWENDIGKEIT, in der Welt noch Regenbogenfahnen zu hissen, schon Beweis genug, dass es an der poltischen Handlungsbedarf gibt, auf den die Regenbogenfahne ein aktiver Hinweis ist. Verbietet man diesen aktiven Hinweis, ist aber das an sich nur die Unterbindung eines aktiven politischen Handelns, keine Parteinahme gegen sein Ziel.

  • "gibt es wirklich keine drängenderen Probleme in der Welt für den Algerier, der rund 3.000 Kilometer Luftlinie von Israel entfernt lebt, als dieses? Die Hungersnot im Jemen, der Vormarsch der Taliban, Hongkong, Myanmar, Belarus? Alles nicht so wichtig wie das Leid der Menschen in Ramallah und Hebron."

    Grundsätzlich stimme ich dem Artikel absolut zu. Natürlich ist das unsportlich und eine Disqualifikation nur konsequent. Der Israeli vertritt nicht die Politik seines Landes, sondern den Sport. Eine Weigerung gegen ihn anzutreten, ist auch keine sachliche Protestnote, wie der Kniefall oder Ähnlichem.

    Aber der zitierte Abschnitt ist trotzdem einfach nur billige Strohmann-Argumentation. Wäre es denn in einem der anderen Fälle okay gewesen? Und ist Belarus, Honkong oder Myanmar nicht noch viel weiter weg als Palestina?

    Eben....

    • @Deep South:

      Würde die taz das Argument beherzigen, wäre die Printausgabe häufig ziemlich dünn...

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Da muss man sich entscheiden: Muss der Sport strikt politikfrei sein oder entscheiden die NATO oder die OECD oder die Amerikaner welche Politik im Sport erlaubt ist und welche nicht?

    Wenn Regenbogenflaggen und Niederknien akzeptiert sind - was ich grundsätzlich ok finde - müssen wir auch damit leben, dass die vielen anderen Konflikte der Welt in den Sport getragen werden. Wir haben da ja auch noch rassistische Bekenntnisse von Türken oder balkanische Bekenntnisse, Nordirland ist noch nicht Geschichte, Schottland wird gerade wieder.

    Insofern verstehe ich die Position der Funktionäre durchaus, zu sagen, wir wollen überhaupt keine politischen oder gesellschaftlichen Statements, denn wir wissen nicht, wo man eine Grenze ziehen kann. Ich kann mich auch wirklich nicht entscheiden, ob das die hilfreichste Lösung ist - also für Geldverdienen sicher,,,,

    Vielleicht wäre es wirklich nützlicher, dem Sport eine Inselstellung einzuräumen und wirklich strikt jede Form von Politikbekundung zu unterbinden, damit in einer zutiefst gespaltenen Welt hier ein Raum erhalten bleibt, in der die Spaltungen keine Rolle spielen dürfen.

    Ob man den Algerier disqualifizieren muss, weiß ich nicht. Vielleicht reicht es ja diese Runde als Verloren zu werten - wer nicht antritt, verliert. Und dem Gegner, dem er damit öffentlichkeitswirksam schaden wollte, nutzt er sogar, weil dieser einen Kampf nicht bestreiten muss und damit geschonter in den nächsten geht.