Iran und das Attentat auf Salman Rushdie: Was bringen noch mehr Sanktionen?
Iranische Medien feiern das Messerattentat auf den Schriftsteller. Manche fordern noch härtere Maßnahmen gegen Teheran – doch das ist kurzsichtig.
W ir wissen nicht, ob Iran den Auftrag für das Attentat auf Salman Rushdie gegeben hat. Oder ob den Täter nur die Fatwa von 1989 angestiftet hat. Aber die Hetze, die iranische Medien anstimmen, macht klar, worum es ging: die versuchte Exekution eines Häretikers.
Iranische Zeitungen verhöhnen das Opfer mit triumphalem Tonfall als „Satan“ und „Feind Gottes“ und feiern den Täter. Mit der Fatwa gegen den Schriftsteller benutzt die iranische Führung ein Herrschaftsmittel, das typisch für Diktaturen ist: Der Hass gegen einen äußeren Feind lenkt von eigenem Versagen, von Korruption und Unfähigkeit ab.
Für die Führung in Teheran ist dieser Anschlag ein Propagandaerfolg zur rechten Zeit. Die wirtschaftliche Lage ist miserabel. Die Inflation ist 2022 extrem (fast 50 Prozent bei Nahrungsmitteln), das Wachstum bescheiden. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst, ebenso wie der Braindrain: Gut Ausgebildete verlassen den Iran.
Für das Regime ist die gärende Unzufriedenheit, die sich regelmäßig in Protestbewegungen Luft macht, bedrohlich. In Teheran regieren Hardliner. Die Repression hat in den letzten Jahren zugenommen. Intellektuelle wie Jafar Panahi werden willkürlich eingesperrt. Das Attentat auf Rushdie passt in dieses Bild. Wer stört, wird verfolgt, bedroht, vernichtet.
Westliche Doppelmoral
Muss der Westen jetzt auf dieses Attentat reagieren? Gerade weil es nicht nur einem Schriftsteller galt, sondern Liberalität, Geist, der Freiheit an sich? Dies ist nicht die erste Gewalttat in Sachen „Satanische Verse“. Die Fatwa kostete Rushdies japanischen Übersetzer das Leben, in der Türkei starben 37 Menschen, als Islamisten auf der Jagd nach dem türkischen Übersetzer ein Gebäude abfackelten. Der Impuls, nach dieser Tat nun nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, ist naheliegend. Der britische Tory-Politiker Rishi Sunak fordert Sanktionen gegen Iran.
Doch es spricht nicht viel dafür, dass noch mehr Sanktionen Gutes bewirken würden. Deutschland hat 2021 Waren im Wert von 1,5 Milliarden Euro nach Iran exportiert. Das ist nicht viel. Nach Serbien exportierte Deutschland dreimal so viel.
Das Sanktionsregime gegen Teheran ist äußerst rigide. Iran ist schon lange vom internationalen Zahlungsverkehr Swift und dem Import von Hightechprodukten abgekoppelt. Zudem betreibt der Westen eine doppelgesichtige Sanktionspolitik. Scharf gegen den Iran, weich gegen das repressive Saudi-Arabien, das als Verbündeter gilt, dessen Öl man braucht.
Der Ruf nach noch mehr Sanktionen ist verständlich, aber kurzsichtig. Nicht zu vergessen: Die ultrakonservativen Hardliner sind in Teheran auch mithilfe von Trump an die Macht gekommen. Der entfachte ein Feuerwerk von Drohungen, Provokationen und immer neuen Sanktionen gegen den Iran. Genutzt hat das nichts, im Gegenteil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe