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Investor-Rückzug aus dem Paloma-ProjektAuf Wohnungsfirmen ist kein Verlass

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Wohnungspolitik darf sich nicht von Konzernen abhängig machen. Leider ist das aber der Weg, den Hamburg verfolgt.

Mitten auf St. Pauli, wo mal die Esso-Häuser standen, ist seit Jahren eine Brachfläche Foto: Christian Charisius/dpa

E s hätte so schön werden können: Mitten auf St. Pauli hätte ein bezahlbares Wohnquartier entstehen können, mit Kultur- und Gemeinschaftsflächen, alteingesessenem Kiezgewerbe, aber schick und modern. Dass daraus nun nichts wird, weil der Investor es sich anders überlegt hat, zeigt, was passiert, wenn man sich von großen Konzernen abhängig macht: Sie lassen einen im Stich, sobald sich der Wind für sie dreht. Soziale Verpflichtungen kennen sie nicht, Verantwortung übernehmen sie nur gegenüber ihren Aktionär*innen.

Das Paloma-Viertel war ein Vorzeigeprojekt für Stadtentwicklung von unten, ein positives Beispiel dafür, wie echte Bür­ge­r*in­nen­be­tei­li­gung funktionieren kann. Das Ergebnis hätte auch der Wohnungspolitik gut zu Gesicht gestanden: Modernen, günstigen Wohnraum mitten in begehrter Wohnlage zu schaffen, wäre ein Erfolg gewesen.

Die Stadt sollte daraus lernen: Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form Wohnraum entsteht, darf nicht in den Chefetagen internationaler Konzerne entschieden werden. Städtische Wohnungsunternehmen müssen selbst dafür sorgen, die Menschen mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Wohnungspolitik macht man nicht, indem man In­ves­to­r*in­nen den roten Teppich ausrollt. Leider ist genau das aber der Ansatz, den die Stadt im Bündnis für das Wohnen verfolgt.

Im Fall des Paloma-Viertels war es richtig, den Weg mit dem Investor zu wagen – eben unter Beteiligung des Stadtteils. Besser wäre es allerdings gewesen, das Unternehmen zum Bau zu verpflichten. Wenn das nachträglich nicht mehr gelingt, muss die Stadt die Fläche kaufen. Es wird sicher einiges kosten, das Projekt so zu realisieren, wie es geplant ist. Aber das ist dann eben der Preis dafür, dass man sich auf einen vom Profit getriebenen Konzern verlassen hat.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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10 Kommentare

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  • einige Fakten:



    den wirklichen Reibach hat der aus



    St.Pauli kommende Verkäufer des Grundstückes gemacht. Der überhöhte



    Kaufpreis lässt in der jetzigen Zeit keinen Wohnungsbau mehr zu.



    Dieses „Wünsch dir was“ Projekt der



    lokalen Stakeholder und Politik kann



    niemand bauen. Es wäre Geldvernichtung.



    Siehe sogar, das das Baufeld was der Investor an eine lokale Baugemeinschaft abgeben sollte, sich noch nicht mal eine Baugemeinschaft gefunden hat, die das



    dafür vorgesehene Grundstück sich hat schenken lassen……



    Wo waren da denn all die lauten St. Pauli ansässigen…?????

  • "Das Paloma-Viertel war ein Vorzeigeprojekt für Stadtentwicklung von unten, ein positives Beispiel dafür, wie echte Bür­ge­r*in­nen­be­tei­li­gung funktionieren kann. "

    In dem verlinkten Artikel ist in dem Zusammenhang von "Also mit allen statt von oben herab." die Rede.

    Angesichts der Tatsache, dass bei der jetzigen Stadtplanung in DE bereits die Bürger breites Mitspracherecht haben und trotzdem weder vor Ort sind bei Terminen zur Bürgerbeteiligung, sich noch nie bemüht haben Bebauungspläne anzuschauen oder gar eine Sellungnahme an die Stadtplanung geschriebenhaben, bezweifele ich, dass..

    ... das was im verlinkten Artikel als der Heilige Gral beschrieben ist ("Also mit allen statt von oben herab.") jemals auch nur ansatzsweise der Fall gewesen ist.

    Maximal gab es wie zumeist nur eine kleine Gruppe interessierter Bürger. Deren Arbeit ist wichtig, aber auch nicht das heilige "Also mit allen statt von oben herab.".

  • "Wenn das nachträglich nicht mehr gelingt, muss die Stadt die Fläche kaufen. Es wird sicher einiges kosten, das Projekt so zu realisieren, wie es geplant ist. Aber das ist dann eben der Preis dafür, dass man sich auf einen vom Profit getriebenen Konzern verlassen hat."

    1. Beim NDR in einer Meldung vom 15 steht doch bereits, dass der Investor die Fläche der SAGA zu Kauf angeboten hat. www.ndr.de/nachric...nen,paloma200.html

    2. Die höheren Kosten sind die gleichen höheren Kosten, die auch der bisherige Investor infolge der geänderten Immobiliensituation und in der Bauwirtschaft zu stemmen hätte.

    3. Lange Planungsphasen (das Gelände steht seit 2014 leer!) gehen in aller Regelmäßigkeit auf die Kappe der Stadtplanung.

    Da jetzt ne Jammerei über Konzerne ras zu machen ist irgendwie nicht nachvollziehbar. Die Stadt ist genau an dem Punkt angekommen, wo sie auch ohne Beteiligung eines Investors gestanden hätte. Vielleicht sind die Planungen mit Investor sogar noch viel weiter als sie es ohne wären.

  • Mit der Saga hat Hamburg ja eine



    große, finanzkräftige, stadteigene



    Wohnungsbaugesellschaft. Wieso



    hat die Stadt dieses zentrale Stadt-



    entwicklungsprojekt nicht mit der



    eigenen Gesellschaft durchgezogen?



    Hat sich wohl nicht gerechnet?

  • Selbst nach 8 Anläufen hat sich keine Baugruppe gefunden, die das für das Baugruppe reservierte Baufeld die Verantwortung übernehmen wollte/konnte. Wo waren den da die ganzen Beteiligten des Werkstattverfahrens?



    Auch die SAGA oder ggf. ein anderer Dritter wird dieses Wünsch dir was - bezahlt ja jemand anderes in der Form nicht umsetzen, so kreativ kann man gar nicht rechnen, damit man bei dem Konzept, den Zinsen und Baukosten zumindest auf eine schwarze Null rausläuft.

  • Wirklich wundern kann ich mich nicht, dass Investoren kaum noch Wohnungen bauen wollen, wenn ich hier im Blatt in sehr vielen Artikeln über Enteignung lese. Schon verständlich, wenn Konzerne gut überlegen, wo sie investieren. Insbesondere, wenn die Rahmenbedingungen täglich schlechter werden (Zinsen, überbordendes Baurecht, Heizungsunsicherheit, ...).

    Auch der Staat zieht sich aus Kostengründen gerade massiv aus Bauprojekten zurück, das kann man dann wohl privaten Investoren kaum vorwerfen.

    Die EnBW, die mehrheitlich dem Land (46,75%) und den Kommunen (46,75%) gehört, hat gerade ein großes Bauprojekt gestoppt:

    www.stuttgarter-na...-a88a3ede8857.html

    Wenn schon staatseigene Konzerne damit argumentieren, dass die Marktsituation „die wirtschaftliche Umsetzung zurzeit nicht zulasse“, kann man privaten Invstoren wohl kaum einen Vorwurf machen. Im Aufsichtsrat sitzt der grüne Finanzminster von Baden-Württemberg, einige Landräte etc. Die tragen ja solche Entscheidungen maßgeblich mit.

    Seit Jahren weiss man, dass das deutsches Baurecht entkernt gehört - in Holland ist das sehr viel einfacher - um Bauen schneller und billiger zu machen. Und genau das Gegenteil findet statt, es entstehen immer neue Vorgaben. So wird das nichts. Anstatt zu glauben, die Regierung wüsste alles besser, könnte man sich mal an den Nachbarländern orientieren, und offen sein, um dazuzulernen.

    • @Torben2018:

      "Wirklich wundern kann ich mich nicht, dass Investoren kaum noch Wohnungen bauen wollen, wenn ich hier im Blatt in sehr vielen Artikeln über Enteignung lese."

      Wo ist das Problem?

      Investoren bauen das, was profitabel ist. Nicht das, was die Bevölkerung braucht.

      Also: mehr Enteignungen wagen, statt die Städte mit Luxuslofts die ein Wochenende im Jahr "bewohnt" werden zu verdichten, damit sie im Sommer schön auf 60°C im Schatten aufheizen.

      • @Ajuga:

        Es geht um Neubauprojekte und das auch Städte sich da zurückziehen. Eine Enteignung ist mit Sicherheit kein Neubauprojekt.

        Und statt "keine Luxushotels" doch besser "keine neuen Gewerbegebiete" in den vollen Metropolen. Die ziehen nur noch mehr Arbeitnehmer an, die auch eine Wohnung wollen. Besser noch wäre Abwanderung von Gewerbe und Industrie.

  • Ich kenne selbst wen, der in den ehem. Esso Buden gewohnt hat. Der wartet jetzt seit mittlerweile 13 Jahren auf seine Neubauwohnung Erstbezug. Mit glänzenden Augen erzählt er mir immer davon, wie schön es in dem Viertel und der neuen Wohnung wird. Wenn die BHB das Projekt angefangen und fertig gestellt hätte, wären viele Mieter, Bestandsmieter gewesen, die ein Anrecht auf eine § 5 Schein-, oder Sozialwohnung gehabt hätten. Da hatte die BHB wohl keinen Bock drauf und hat sich raus gezogen. Schließlich haben die das Areal und die Häuser ja auch verfallen lassen. Bewusst. Ich würde es sehr gut finden, wenn die Stadt Hamburg das Gelände kaufen und dort Wohnungen errichten würde. Ohne Pomp und Schnicki Schnacki..

    • @Rasmuss:

      Schnicki Schnacki ist wichtig.



      Wohnungen sind keine Hühnerställe.



      Das Auge wohnt mit.