Insolvenz von Wirecard: Die Regierung trifft keine Schuld
Im Wirecard-Skandal verhalten sich Linke und Grüne, als gelte es, ein Tribunal abzuhalten. Sie zeigen auf die Regierung statt auf Wirtschaftsprüfer.
A m Wirecard-Skandal erstaunt am meisten, dass der Betrug nicht viel früher aufgeflogen ist. Denn eigentlich war er leicht zu entdecken. Die Wirecard-Manager haben einfach fiktive Vermögen erfunden, um Verluste zu kaschieren und echtes Geld auf ihre Privatkonten umzuleiten. Am Ende beliefen sich die Luftbuchungen auf 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf ausländischen Konten lagern sollten.
Die Wirtschaftsprüfer von EY, die zehn Jahre lang die Wirecard-Bilanzen kontrolliert haben, hätten also nur checken müssen, ob es dieses Geld auf diesen Konten wirklich gibt – indem sie, beispielsweise, Überweisungen auf EY-Konten veranlassen. Zur Probe. Wenn kein Geld fließt, wäre klar gewesen, dass Wirecard gar kein Vermögen hat. Doch EY hat lieber alle Hühneraugen zugedrückt, um den lukrativen Prüfauftrag bei Wirecard nicht zu verlieren. Es ist nicht harmlos, wenn die Wirtschaftsprüfer versagen.
Denn auf die testierten Bilanzen verlassen sich alle – von den Anlegern und Banken bis zur Finanzaufsicht Bafin. Doch das Versagen der Wirtschaftsprüfer spielt kaum eine Rolle. Für die Opposition im Bundestag ist es interessanter, die Schuld bei der Regierung zu suchen. Es wird der Eindruck erzeugt, als wären Finanzminister Olaf Scholz oder Kanzlerin Angela Merkel die eigentlichen Wirtschaftsprüfer der Nation – als müssten sie sich darum kümmern, was sich in den Bilanzen von DAX-Unternehmen abspielt.
Es ist absurd. Linke und Grüne führen sich auf, als ginge es darum, ein Tribunal abzuhalten. Für den 29. Juli ist eine Sondersitzung des Finanzausschusses geplant, und wahrscheinlich droht auch noch ein Untersuchungsausschuss. Gegen einen Untersuchungsausschuss ist nichts zu sagen – wenn er die richtigen Fragen stellt. Aber Linke und Grüne benehmen sich, als wären sie Neoliberale.
Nach der Finanzkrise 2008 ist es den Neoliberalen gelungen, die Rettung der privaten Banken in eine „Staatsschuldenkrise“ umzudeuten. In ähnlicher Weise tun nun auch Linke und Grüne so, als wäre der Betrug bei Wirecard in Wahrheit die Schuld der Bundesregierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag