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Insektensterben in DeutschlandWeg mit dem englischen Rasen

Naturschützer formulieren einen Appell gegen das Insektensterben. Darin fordern sie mehr Geld für den Artenschutz und eine Pestizidabgabe.

Genau so soll das in Parks nicht aussehen Foto: ap

Deutlich mehr Geld für den Artenschutz, mehr Forschung und ein strikterer Umgang mit Pestiziden – das sind die Kernforderungen des „Münsteraner Appells zum Insektenschutz und zur Erhaltung der Biodiversität“, der am Wochenende auf einer Tagung des Naturschutzbundes Nabu im westfälischen Münster aufgesetzt wurde.

So fordert der Nabu, das Bundesprogramm Biologische Vielfalt von den im Jahr 2018 bislang vorgesehenen 25 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro zu verdoppeln. Mit dem Programm sollen überregional bedeutsame Artenschutzprojekte gefördert werden. Zudem brauche man einen neuen Fördertopf, die „Gemeinschaftsaufgabe Biologische Vielfalt“, ausgestattet mit 100 Millionen Euro jährlich. Ackergifte will der Nabu verteuern: Im „Münsteraner Appell“ schlägt er vor, „externe Kosten wie Gesundheits- und Umweltschäden“ durch die Einführung einer Pestizidabgabe in die Preisgestaltung von Pestiziden aufzunehmen.

In privaten Gärten möchten die Naturschützer Pestizide ganz verboten sehen; auf öffentlichen Grünflächen hingegen sollte ein „insektenfreundliches Pflegeregime“ herrschen – also blühende Wiesen statt englischem Rasen.

Abgesehen von diesen konkreten Maßnahmen fordert der Nabu mehr Forschung. Die Ursachen für den dramatischen Insektenrückgang seien nicht eindeutig geklärt, sagte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Nabu NRW, in Münster. Darum sei es wichtig, mehr Grundlagenwissen zu erlangen, um Rückschlüsse auf die Auswirkungen verschiedener Landnutzungsformen und Einflüsse auf die Insektenvielfalt ziehen zu können.

Nistgelegenheiten oder Blühflächen

Die großen Wissenslücken in dem Bereich rückte Christian Maus, Wissenschaftlicher Leiter des Bayer Bee Care Centers, in den Mittelpunkt seines Vortrages auf der Tagung. Zwar halte der Leverkusener Chemiekonzern es „unter Berücksichtigung der bereits verfügbaren Daten“ für „sehr wahrscheinlich, dass ein Rückgang der Insekten in den letzten Jahren tatsächlich stattgefunden hat“.

Allerdings unterstützten die vorliegenden Daten nicht die Hypothese, dass der „Pflanzenschutz eine Schlüsselrolle für die Rückgänge spielt“, so Maus. Insofern seien neben der weiteren wissenschaftlichen Analyse und einem umfangreichen Insektenmonitoring vor allem Maßnahmen auf Landschaftsebene geeignet, um Insekten zu schützen – also etwa Nistgelegenheiten oder Blühflächen.

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31 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Wirklich naiv - diese "Wo sollen wir die Pflaster denn nun hinkleben und wer wird sie bezahlen?"- Diskussion. In unserem Konsum- und Wahlverhalten legen wir ziemlich genau fest, wie wir die Natur haben wollen. Erdbeeren im Winter, Fleisch billiger als Gemüse, Äpfel, Apfelsinen, etc. das ganze Jahr verfügbar, dicke Autos für kleine Menschen, Transatlantikflüge für 165 Euro, Parkanlagen, die keinen Pflegeaufwand erfordern und so weiter. Wir beuten unsere Umwelt gnadenlos (und meistens auch noch gedankenlos) aus und sind dann ganz traurig, wenn die Natur uns die Konsequenzen aufzeigt. Bewust bescheidener leben wäre z. B. ein Weg. Tut nicht so weh und zieht wenig Einbußen nach sich. Auch für unsere Naturspezialisten kann gelten: Kein Nissan-Patrol oder Mercedes ML 350 im Wald - ein Fiat Panda 4x4 geht auch.

  • Wer Augen und Ohren hat wird.merken dass die Singvögel tatsächlich weniger sind undicht kann mich noch erinnern dass bis in die achtziger Jahre nach einer Autofahrt die komplette Windschutzscheibe voll mit töten Insekten war. Und jetzt? Kaum dass was am Glas haengenbleibt!

  • Die Zierrasenbesessenheit wird schon seit Jahrzehnten bemängelt. Wirkliche Fortschritte hat die Verbreitung naturnaher Gärten aber nicht gemacht. Sie werden immer noch als "unaufgeräumt" angesehen und als Verlängerung des Wohnzimmers regelmäßig gesaugt.

     

    Siedlungsflächen nehmen etwa 14 % der Fläschen in Deutschland ein (landwirtschaftliche Flächen 52%) Diese können zu einem großen Teil begrünt (Dachbegrünung, Fassadenbegrünung) oder extensiv gepflegt werden. Kosten fallen insbesondere bei der extensiven Pflege weniger an. Jeder Hausbesitzer kann also mitmachen und seiner Verantwortung nachkommen.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      .

      Sie haben ja in D zum Glück die Wahl, ein kleines reiches Wild-Biotop hinter Ihrem eigenen Gartenzaun, von Seidenbienen, Blindschleiche und Gartenrotschwanz geschätzt -

      oder ein nettes Verhältnis mit Ihren lieben Nachbarn, einen guten Draht zum Ortsvorsteher und Gespräche die nicht verstummen, wenn Sie in den Dorfladen treten

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Es muß ja nicht über die Grundstücksgrenze wuchern und mit Leuten, die mein vorhandenes Biotop so schlimm finden, daß sie deswegen nicht mit mir reden will auch ich nicht mehr als die geringstmögliche Höflichkeit gebietet zu tun haben ;).

  • Unabhängig davon, wie groß der Einfluß des Einsatzes von Giften in der industriellen Landwirtschaft ist, haben jene auf privaten und öffentlichen Grünflächen nix zu suchen.

    Und mit mineralischen Düngern kann homo nanus hortorum vulgaris auch auch haushalten, ebenso mit Torferde aus dem Pfennigladen.

  • "Bayer Bee Care Center"?! Ja ist denn heut schon (wieder) Karneval?!

    • @miri:

      Das ist die Nagerplage?

  • Die Schlüsselrolle spielt in jedem Fall die intensive Landwirtschaft, da ist es völlig unerheblich ob die Chemie direkt oder indirekt tötet.

    Auf einem Weizen oder Maisfeld kann eben nur Weizen oder Mais leben. Ob nun Bayer, Monsanto & Co nur Beihilfe zum Insektenmord leisten, oder gleich selbst vernichten, bleibt im Ergebnis gleich.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Aber, so verstehe ich Maus: 'Nistgelegenheiten oder Blühflächen' ja, aber nicht zu Lasten des Menschen.

    Der Mensch ist eben nicht irgendein beliebiges Nashorn, eine Termite oder eine Sumpfschildkröte.

    Und der Mensch will sich nicht mit einer weiteren Einschränkung seines Lebens seine Lebensfreude nehmen lassen.

    Was hätten wir denn davon, wenn der Mensch zum Mars abwandert?

    Das muss man doch endlich mal bedenken.

    Dieser Kapital-Verlust und der Verlust an Humankapital!

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      Und Ergänzung: Die Quandt's, Schaefflers, Oetker's, Albrechts nehmen ja ihre Besitzpapiere mit zum Mars und hinterlassen uns die Öde ihrer 'Kulturgärten'. Typisch Reiche.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Ja und? Pflegen die neuerdings auch 90% der Zierrasen?

        • 4G
          4932 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Sie haben recht. 90 % der Zierraseninhaber bleiben leider da und betreiben ihr unseliges Geschäft weiter.

          Eigentlich sollte man die auf den Mars schießen, zusammen mit den Reichen.

          Denn das sind die wirklichen Übeltäter auf der Erde.

          • @4932 (Profil gelöscht):

            Oder Aldi abschaffen

  • Ich finde Forschung erstmal gut, die Schuldzuweisungen können ja danach kommen.

    • @Energiefuchs:

      Die Forschung bezüglich der Artenvielfalt von Einheitsbreigärten ist schon seit Jahrzehneten abgeschlossen. Der Artikel handelt deshalb auch von Artenschutzprojekten und maßnahmen zur Verbesserung.

  • Mal im ernst: die Politik verbockst (Stichwort: Glyphosat) und der Bürger soll es jetzt durch Eigeninitiative wieder richten? Wie soll, dass denn auf Dauer funktionieren?

    • @Franz Georg:

      Nö. Der Bürger soll nur nicht den gleichen Scheiß machen wie in der Landwirtschaft. Erst recht nicht nur aus schnöden Gartenspaßgründen. Wieso sollte der Bürger das Recht zum Plattmachen von Natur haben?

  • Christian Maus; natürlich muss man den Leser nicht darauf aufmerksam machen, dass es kein Wunder ist, dass ein Vertreter des Bayer Bee Care Centers nicht unbedingt neutral ist. Bei etwas ungenauem Lesen könnte aber schon der Eindruck entstehen, das Statement sei von Seiten der Naturschützer des NABU gekommen, was relativ absurd wäre.

    • @Axel Donning:

      Er könnte aber auch Recht haben. Vielleicht liegt der Rückgang auch an der natürlichen Räuber-Beute-Beziehung (https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4uber-Beute-Beziehung), verstärkt durch starke Überfütterung der Räuber (=Vögel) im Winter durch Menschen?

      • @R R:

        Das ist doch wirklich Wischiwaschi. Erst waren die Ergebnisse nicht repräsentativ, weil sie in Naturschutzgebieten erhoben wurden, jetzt hätten die Leute auf einmal sackweis Futter da raus geschafft, und das alles wird hier betrachtet, als seis ein Fallbeispiel der BWL. Bei Vögeln hat das Winterrevier NICHTS mit dem Sommerrevier zu tun. Die können nicht nur laufen, die können manchmal sogar fliegen. Ökologischer Anspruch und fachliche Wirklichkeit der tazler spreizen sich schon arg. Dabei gäbe es, immer noch, Büüüücher.

        • @Hanswurschtl:

          Ja, Vögel können fliegen - im Winter in die Gärten, wo die Futterkugeln hängen. Im Sommer verteilen sie sich, um überall Futter zu suchen.

      • @R R:

        Häh? Der Singvogelschwund, vermutlich als Folge des Insektenschwundes, wird aber ebenfalls beklagt.

      • @R R:

        Wenn die Räuber aus dem System herausgenommen werden, durch artifizielle "Überfütterung", dann müssten sich die Beutepopulationen zunächst stark entwicklen und an Individuen zunehmen.

        • @fly:

          Ohne Fütterung verrecken die Vögel im Winter - also gäbe es im Sommer weniger Vögel, die die Insekten jagen.

           

          Wenn mehr Vögel den Winter überleben, ist der Räuberdruck im Sommer höher. Weil Vögel fliegen können auch in Naturschutzgebieten, in denen nicht gefüttert wird (@Hanswurschtl)

        • @fly:

          Grobtheoretisch könnte RR recht haben. Die Fütterung der Singvögel ist IdR eine Winterfütterung mit Fettfutter, also mit reinem Energiefutter. Dadurch überleben mehr Singvögel den Winter. In der Folge verbrauchten diese im Frühjahr mehr Eiweißfutter zur Aufzucht der Jungen und überstrapazierten die Insektenpopulation. Faktisch ist das aber Quatsch, da die Singvögel weniger geworden sind und auch in den letzten Jahren nichts von der Explosion einer Vogelpopulation zu vernehmen gewesen ist.

          • @lions:

            Dem Absturz der Beutepopulation folgt aber ein Absturz der Räuberpopulation.

          • @lions:

            Nein, das ist schon in der Grobtheorie Quatsch. Tiere überleben Winter, sie haben sogar Spass dabei. Fütterung dient nur dazu, sie belustigungshalber anzulocken. Ansonsten fühlen die sich pudelwohl, wie Eisbären, Füchse, Raben oder eben Gimpel.

            • @Hanswurschtl:

              Im Winter gibt es aber immer noch weniger Insekten die rumschwirren und Früchte die wachsen.

               

              Wer als Vogel dann etwas kränklich ist hätte es deutlich schwerer ohne Zufütterung, genug zu finden.

            • @Hanswurschtl:

              Ach, der Winter ist schon eine Auslese und ganz so lustig geht´s da nicht her.

              • @lions:

                Stimmt!

                Unter 15 Grad Minus vor allem in den langen Nächten hört der Spaß auch für die meisten Tiere auf. Hatten wir kaum diesen Winter - kommt aber bestimmt noch mal!