Inhaftierte Linke nach Budapest-Angriff: „Großer psychischer Druck“
Linken-Abgeordnete besuchen Festgenommene nach Angriffen auf Neonazis in Budapest – und warnen vor Auslieferungen nach Ungarn. Einem Grünen wird ein Haftbesuch in Budapest verwehrt.
Im Mai war Hanna S. im Auftrag der Bundesanwaltschaft festgenommen worden, die Anklage wirft ihr versuchten Mord vor. Der Prozess soll vor dem Oberlandesgericht München stattfinden. Yunus Ziyal, Anwalt von Hanna S., kritisiert die Anklage als überzogen und wirft der Bundesanwaltschaft einen „Verfolgungseifer“ vor.
Schirdewan sagte der taz, der Haftbesuch habe gezeigt, dass ein „großer psychischer Druck“ auf Hanna S. laste, der auch gesundheitliche Folgen habe. Auch wenn noch kein Auslieferungsersuchen von Ungarn vorliege, gebe es eine große Sorge, dass dies noch geschehe. „Zu einer Auslieferung nach Ungarn darf es nicht kommen“, betonte Schirdewan. Dort drohten „unsägliche Haftbedingungen und eine politische Justiz“.
Stattdessen müsse das Verfahren tatsächlich in München stattfinden, unter rechtstaatlichen Prinzipien, so Schirdewan. Zudem müsse Deutschland eine Rechtsmittelinstanz einführen, die bei Auslieferungsverfahren tatsächlich intervenieren könne – wie es etwa in Italien der Fall sei.
Kakerlaken und Bettwanzen
Auch Renner warnte vor einer Auslieferung von Hanna S. nach Ungarn. Eine erneute „Nacht- und Nebelaktion“ wie im Fall Maja T. müsse verhindert werden. Auch der nonbinären Thüringer*in wird vorgeworfen, sich an den Angriffen in Budapest beteiligt zu haben. Sie war im Dezember 2023 festgenommen und im Juni unter fragwürdigen Bedingungen nach Ungarn ausgeliefert worden.
Angehörige kritisieren dort folterähnliche Haftumstände: Maja T. befinde sich seit Monaten in Isolationshaft, erhalte nur unzureichende medizinische Versorgung. Die Zelle werde videoüberwacht und permanent durchsucht, sei von Bettwanzen und Kakerlaken befallen.
Renner und Schirdewan hatten im August auch Maja T. in Budapest besucht. Dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Helge Limburg wurde dagegen kürzlich ein Haftbesuch untersagt – was dieser scharf kritisiert. „Dass sich unabhängige Beobachter keinen Eindruck von der Haftsituation machen können, ist unverschämt und skandalös“, sagte Limburg der taz. „Dieser Vorgang wirft abermals ein bezeichnendes Licht auf die Menschenrechtslage in Ungarn und unterstreicht, dass wir keine weiteren Menschen dorthin ausliefern sollten.“
Das Auswärtige Amt bestätigte der taz, dass der Haftbesuch von Limburg von ungarischen Behörden nicht gestattet wurde. Eine Sprecherin betonte zugleich, dass sich die deutsche Botschaft in Budapest für bessere Haftbedingungen für Maja T. einsetze. T. werde konsularisch betreut, auch mit Familienangehörigen stehe man „in engem Kontakt“.
Wann ein Prozess gegen Maja T. in Ungarn beginnt, ist derzeit noch offen. Die Verteidiger hatten eine Auslieferung nach Ungarn zu verhindern versucht und gewarnt, dass T. in dem Land kein faires Verfahren zu erwarten habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen