Infrarotheizungen in Fenstern: Fast wie die Sonne
Eine Berliner Firma bietet Fenster an, die mit Infrarotstrahlen heizen. Eine günstige Alternative zu Wärmepumpen. Die Heizung der Zukunft?
Toleranz gehört nicht zu den stärksten deutschen Tugenden, auch wenn es schwieriger geworden ist, Menschen wegen ihres Aussehens und der Herkunft ihrer Vorfahren herabzusetzen. Drängt sich deswegen das Erbitterte in andere Diskussionen? Noch im letzten Jahr, nachdem der russische Mörderkrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, drehte sich alles um Gas, Kohle, Wind, oder doch noch einmal Atom? Inzwischen geht es um die Heizung, im eigenen Heim.
Empfohlener externer Inhalt
Seit der Plan von Wirtschaftsminister Robert Habeck bekannt wurde, gesetzlich zu regeln, dass ab nächstem Jahr weniger fossile Energie in Privathaushalten verheizt wird, sinkt sein öffentliches Ansehen rapide. Vorschriften, teure dazu, sind hierzulande eine gefährliche Kombination.
Einer der Profiteure der aktuellen Heizdebatte ist Andreas Häger. Ende März hatte der 62-Jährige bereits so viele Fenster verkauft wie im ganzen letzten Jahr. Seine Firma Vestaxx hat Fenster entwickelt, die zugleich eine Stromdirektheizung sind. Die Fenster sehen aus wie normale Fenster, dreifach verglast, die Rahmen sind aus Holz oder Kunststoff.
Im Inneren des Glases befindet sich eine ultradünne Schicht Zinkoxid. Häger spricht lieber von Entwicklung statt von Erfindung. „Wir haben darauf kein Patent, weil der Effekt schon seit Jahrzehnten bekannt ist“, erzählt er im Videogespräch.
„Im Moment, in dem wir uns anschauen, schauen sie durch so eine Schicht hindurch, bei ihrem Laptop, wie bei jedem Display.“ Schon bei Solartaschenrechnern war die Beschichtung im Einsatz. „Da kommt die Technik eigentlich her“, sagt Häger. Durch diese dünne Schicht auf der Scheibe fließt Strom und der heizt mit Infrarotstrahlung den Innenraum. Die Idee ist verlockend: keine Heizkörper, Rohre, kein Heizungsraum mehr, stattdessen kommt die Wärme aus den Fenstern, die sowieso da sind.
Ostdeutsche Solarindustrie war mal weltweit führend
Wie viele erfolgreiche Wirtschaftsgeschichten führt auch diese über ein schmerzhaftes Scheitern. Häger ist studierter Elektrotechniker, der in die Wirtschaft wechselt und für die Firma Schüco arbeitet, die damals Solarfassaden entwickeln möchte.
Nach der Jahrtausendwende hatte es in Deutschland schon einmal einen Solarboom gegeben, die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder hatte mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen großen finanziellen Anreiz geschaffen.
Er bewirkte, dass vor allem in Ostdeutschland eine Solarindustrie entstand, die weltweit führend war. Auch Häger machte sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig, in Berlin-Ahrensfelde stellt er Dünnschicht-Solarmodule her.
„Wir hatten 300 Mitarbeiter.“ Im Jahr 2010 kürzt die neue schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel die Zuschüsse und China steigt groß in das Solargeschäft ein. Schon bald zieht eine Pleitewelle durch das Land, auch Häger meldet 2012 Insolvenz an. „Die Chinesen haben unter Grenzkosten bei uns verkauft, da kam keiner mehr mit“, sagt Häger. In seiner Stimme klingt Enttäuschung mit.
In Berlin-Adlershof zeugt auch Hägers aktuelle Firmenadresse vom ersten Scheitern. Das moderne Bürogebäude war einst das Zentrum für Photovoltaik. Inzwischen ist der Name um den Zusatz „Erneuerbare Energien“ erweitert, die Mieter sind andere als zu Zeiten des ersten Booms.
Deutschland, Land der dichten Fenster
In einem kleinen Raum in der Etage von Hägars Firma steht auf einem Holzpodest ein Fenster: Standardgröße, dreifache Verglasung, der Rahmen ist aus weißem Kunststoff. Kurz erinnert man sich an Angela Merkel, die einmal antwortete, denke sie an Deutschland, denke sie an dichte Fenster.
Mitarbeiter Niklas Baumeister hat den Strom schon eingeschaltet. Langsam erwärmt sich jetzt die innere Scheibe. „Ein großer Vorteil ist die Flexibilität“, sagt der 22-Jährige, der noch studiert und an seiner Bachelor-Arbeit schreibt. Neben Privathäusern ist die Fensterheizung auch in temporär genutzten Räumen sehr interessant, in Büros, Schulen, Ferienhäusern, Gartenlauben.
Anders als bei einer Fußbodenheizung erwärmen sich Vestaxx-Fenster innerhalb einer Viertelstunde. Legt man die Hand auf das innere Glas, spürt man jetzt Wärme.
Langsam steigt die digitale Anzeige der Temperatur, Richtung 40 Grad. Das äußere Glas bleibt unterdessen kühl. Dafür sorgen unsichtbare, hauchdünne Schichten Silberoxid auf dem mittleren und äußeren Glas sowie ein isolierend wirkendes Edelgas zwischen den Scheiben. Das Kabel für den Stromanschluss ist mit einem metallenen Schutz ummantelt und sitzt im unteren Ecklager.
„Jeder Elektriker kann das anschließen“, sagt Baumeister. Klassische Heizungen erwärmen die Luft, die dann warm nach oben steigt. Die Infrarotheizung hat ein anderes Prinzip, ihre Strahlung erwärmt Dinge und Körper im Raum. Nah an der Scheibe fühlt es sich an, als würde einem die Sonne ins Gesicht scheinen. Es ist eine andere, angenehme Wärme.
Über Robert Habeck und dessen Gesetz möchte Andreas Häger nichts Kritisches sagen. Denn auch wenn der im Kabinett verabschiedete Entwurf auf Wärmepumpen ausgerichtet zu sein scheint, ist der Gesetzestext eigentlich technologieoffen formuliert.
Vorteil niedrige Kosten
„Die Zukunft des Heizens wird CO2-neutral nur strombasiert gelingen“, sagt Häger. Anders als früher ist dabei der Anteil der eingesetzten Energie für das Heizen stark gesunken und macht neben dem Einsatz für Warmwasser und Hausstrom nur noch etwa ein Drittel aus. „Wichtig ist, dass wir die Gebäudehülle dämmen“, sagt Häger, im Neubau sowieso, im Altbau ebenfalls.
Ein Vorteil von Vestaxx, benannt nach der römischen Göttin Vesta, der Hüterin des heiligen Feuers, sind die niedrigen Kosten. Für ein Einfamilienhaus liegen sie meist um 8.000 Euro, deutlich geringer als die Varianten mit Wärmepumpe.
„Wir empfehlen, mit dem gesparten Geld eine großzügige Photovoltaik auf das Dach zu bringen“, sagt Häger, dann ist der CO2-neutrale Strom garantiert und es rechnet sich. Zudem bleibt der Anteil grauer Energie, also der Energie, die zur Herstellung der Heizungsanlage nötig ist, bei den Fenstern minimal. Auch braucht es zum Einbau viel weniger der raren Fachkräfte.
Neben individuellen Lösungen setzt Vestaxx auf Großkunden, ein norddeutscher Anbieter von Holzfertighäusern baut die Heizfenster bereits standardmäßig ein. Er sei jetzt im Gespräch mit den ersten Wohnungsbaugesellschaften, sagt Häger, und auch mit einem Hersteller von Dachfenstern.
Es läuft. Und es ist dennoch ein zartes Pflänzchen. Tausend Fenster hat Vestaxx im letzten Jahr verkauft. Bosch, Vaillant, Buderus, Vissmann machen Milliardenumsätze. Welche Art zu heizen sich in zehn Jahren durchgesetzt haben wird, kann heute niemand wissen. Sind es die Heizfenster, sind es günstiger produzierte Wärmepumpen oder doch Wasserstoff? Vielleicht muss sich auch gar nichts durchsetzen, denn mehr Arten bedeuten mehr Möglichkeiten. Diversität ist bereichernd.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist